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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 45 (2/1993)

abstand

Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken?

AsylbewerberInnen: ein Problem der großen Zahl?


von Roland Appel


Die Zahl der statistisch erfaßten Asylanträge ist 1992 auf angeblich über 400.000 gestiegen, 1991 wurden ca. 256.000 und 1990 etwa 193.000 Anträge registriert, 1989 waren es 121.000 und 1988 rund 103.000.[1] Der propagandistische Aufschrei im Rahmen der Asyldebatte nach einer Begrenzung solcher „Fluten“ ist allerdings zweifelhaft angesichts der Tatsache, daß die Statistiken keine exakten Rückschlüsse darauf zulassen, wieviele Menschen sich denn nun real hinter diesen Anträgen verbergen. Ob jemand erstmalig in der Bundesrepublik um Asyl nachsucht oder nach zwischenzeitlicher Verschärfung der Situtation im Heimatland einen Asyl-Folgeantrag stellt, wird ebensowenig berücksichtigt wie – mit Inkrafttreten der neuen Familienasylregelungen – die Miterfassung der Angehörigen.

Grundsätzlich muß vor der Illusion gewarnt werden, Migration in der Migrationsgesellschaft statistisch exakt zu erfassen. Die These von der „Asylantenflut“, die dumpf an nationalistische Überfremdungsgefühle appelliert, beruht auf dem Illusionstrick einer nur teilweise ausgeleuchteten Bühne. So kamen von 1989-91 in die Bundesrepublik Deutschland:

Zusammen AsylbewerberInnen AussiedlerInnen
1989 ca. 872.000 121.000 751.000
1990 ca. 590.000 193.000 397.000
1991 ca. 477.000 256.000 221.000

Quelle: Statistisches Jahrbuch, Bundesministerium des Innern 1991

Gleichzeitig weisen die statistischen Jahrbücher für die Jahre 1989 bis 1991 aus, daß rund 422.000, 545.000 und 582.000 Menschen die Bundesrepublik Deutschland freiwillig verlassen haben.[2] Binnenmigration innerhalb der Bundesrepublik, also die ÜbersiedlerInnen aus der ehemaligen DDR – 1990 immerhin noch 250.000 – bleiben dabei außer acht, da sie nicht vollständig erfaßt werden können. Auch die über 400.000 einst in der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR stationierten Soldaten tauchen in keiner Statistik auf.

Kosten oder Nutzen der Zuwanderung?

Es stellt sich die Frage, ob die behaupteten Belastungen der öffentlichen Haushalte zutreffen. Schließlich gründen sich Vorurteile gegen Ausländer überwiegend auf solche Befürchtungen.

Während die ZuwanderInnen im Zeitraum 1988-91 ca. 29 Mrd. DM Steuern und Sozialabgaben zahlten, lenkten sie weitere 25 Mrd. DM an indirekten Steuern in die öffentlichen Haushalte. Ihre Nachfrage erzeugte direkte Einsparungen von Sozialausgaben von 3 Mrd. DM. Einem volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn von 57 Mrd. DM standen im gleichen Zeitraum Kosten für Sozialhilfe, Unterbringung, Eingliederung bis hin zum Sprachkurs in Höhe von 16 Mrd. DM gegenüber.[3] AsylbewerberInnen und AussiedlerInnen haben für die Bundesrepublik während dieser Zeit also einen Reingewinn von 41 Mrd. DM erwirtschaftet! Neuere Berechnungen des „Rheinischwestfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI)“ gehen allein für 1991 sogar von 50 Mrd. Gewinn aus.

Der Legende von den hohen Kosten der Asyl- und Einwanderungsentwicklung steht in Wirklichkeit also ein erheblicher Nutzen gegenüber.

Daneben steht die (geschürte) Furcht, die Flüchtlinge könnten das soziale Netz plündern, den Einheimischen den knappen Wohnraum und – mehr noch – die Arbeitsplätze wegnehmen, im Vordergrund.

Ihre Ursache liegt in der von der Regierung Kohl/Genscher seit 1982 verfolgten Umverteilung von unten nach oben. Ergebnisse sind zum einen eine Politik der Vernichtung von Wohnraum und der Begünstigung von Mietwucher sowie eine hohe andauernde strukturelle Arbeitslosigkeit.

So waren allein in Nordrhein-Westfalen zur Jahreswende 91/92 ca. 757.000 Menschen ohne Arbeit. Gleichzeitig klagte das Handwerk über 50.000 fehlende Fachkräfte und 20.000 unbesetzte Lehrstellen.[4] Die Wirtschaftspolitik der „Wende-“Regierung hat seit 1982 neben einer steuerrechtlichen Begünstigung der einkommensstärkeren Schichten eine konsequente Vernachlässigung des unteren Drittels der Gesellschaft betrieben. Dank dieser Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum leben heute nach Schätzungen des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ mindestens sechs Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ rechnet 10% der Bevölkerung zu den Armen.[5] Auch der Frage, ob ZuwanderInnen den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen, wurde nachgegangen. So wurden per Saldo 25.000 neue Stellen geschaffen.[6] Für eine Verdrängung von Alteingesessenen gibt es keine Belege. ZuwanderInnen nehmen dabei die schlechtesten Jobs und verhelfen dabei deutschen KollegInnen zu besseren Positionen.

Die Ungleichbehandlung von AsylbewerberInnen und AussiedlerInnen halten Wirtschaftskreise demzufolge für ökonomisch nicht rational und die weitgehende Rechtlosigkeit der De-facto-Flüchtlinge volkswirtschaftlich und sozialpolitisch für nicht wünschenswert.

Vor dem Hintergrund zumeist hausgemachter sozialer Probleme erscheint die Asyldebatte für politische Parteien ein willkommenes Instrument, ihre Untätigkeit zur Lösung von Arbeitslosigkeit und Wohnungsmangel zu verschleiern. Denn wer glaubt, daß er wegen „Ausländern und Asylanten um Arbeitsplatz und Wohnung bangen muß“, fragt nicht mehr nach den wirklichen Verantwortlichkeiten.

Das Phantom der Schlepper und des Sozialhilfe-Betrugs

Zwei weitere Vorwürfe spielen in der Asyldiskussion eine beachtliche Rolle: Der „massenhafte Mißbrauch“ von Sozialhilfe durch Mehrfachbezug, die „massenhafte Einschleusung“ von Flüchtlingen durch „Schlepperorganisationen“.

Beispiel „Asylmißbrauch“ im Landkreis Aachen: Dort hatten sich 1991 nach Presseberichten angeblich 1297 der 4142 registrierten AsylbewerberInnen nicht zum „Zählappell“ gemeldet.[7] Es folgte die Forderung nach erkennungsdienstlicher Behandlung aller Flüchtlinge und einem landesweitem Zählappell. Kaum Beachtung fand dagegen wenige Wochen später die Notiz einer Lokalzeitung, wonach in 1297 angeblichen Mißbrauchsfällen 52 Ermittlungsverfahren geführt worden waren, von denen 49 negativ endeten. Lediglich drei Fälle von Mißbrauch erwiesen sich als stichhaltig.[8] Meßbarer Erfolg der Aktion war (gewollt?) in erster Linie ihre Stimmungsmache.

Ebensowenig stichhaltig erwies sich bei näherer Betrachtung der Vorwurf des „Schlepperunwesens“ in NRW. Seit 1976 arbeiten Polizeien des Bundes und der Länder zusammen, um „Schlepper-Kriminalität“ zu bekämpfen. Bei der Grenzschutzdirektion Koblenz sammelt eine Zentralstelle Daten über die unerlaubte Einreise von Ausländern und seit Mai 1992 haben die Innenminister von Bund und Ländern eine Arbeitsdatei auf Bundesebene sowie einen personenbezogenen Meldedienst eingerichtet.[9] Diesem hohen Aufwand stehen allerdings bescheidene Ergebnisse gegenüber; in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1991 ganze 102 Verdachtsfälle (bei ca. 70.000 Flüchtlingen). Die Landesregierung räumt ein, daß sich im Zuge der Verfahren nur in wenigen Fällen Anhaltspunkte für Schlepperorganisationen ergeben haben. So seien überwiegend in Einzelfällen Verwandte oder Freunde eingeschleust worden, sechs Angeklagte sind 1991 wegen des Verstoßes gegen das Ausländer- bzw. Asylverfahrensgesetz verurteilt worden. Es ist davon auszugehen, daß bundesweit das „massenhafte Schlepperunwesen“ auf etwa 30 nachgewiesene Fälle geschätzt werden muß – eine wahrhaft massive Bedrohung des Rechtsstaates!

Nach der Änderung des Asylrechts

Der neue Grundgesetzartikel 16a und die Begleitgesetze haben das Asylrecht zur Farce verkommen lassen und schaffen Verschärfungen, deren Auswirkungen für den staatlichen Sicherheitsapparat und die Justiz vor allem in der Illegalisierung von Flüchtlingen und ZuwanderInnen liegen.

Zahlreiche Gesetzesänderungen des Verfahrens und die Rechtsprechung haben es bereits bis an den Kernbereich ausgehöhlt: Einschränkungen der Widerspruchs- und Berufungsmöglichkeiten, Einführung des Visumszwangs für Hauptherkunftsländer, Arbeitsverbot für AsylbewerberInnen, Kürzungsmöglichkeiten bei der Sozialhilfe, individuelle Zurechnung von Verfolgungstatbeständen, Abschiebungen in Krisengebiete, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Verfahrensverkürzungen, zentrale Unterkünfte und Anlaufstellen für Flüchtlinge, Einführung des vereinfachten Verfahrens für die Hauptherkunftsländer Polen, Rumänien, Jugoslawien und die Türkei, Einführung des Einzelrichters, zuletzt durch das „Beschleunigungsgesetz“, der Begriff des offensichtlich unbegründeten Antrages, nochmalige Verkürzung des Rechtsweges, Sammellager und weitere Restriktionen.

Vor diesem Hintergrund geht es darum, die niedrigen Anerkennungsquoten von 3,5% für 1989 oder 6,9% für 1991 richtig zu verstehen. Drohen Flüchtlingen Folter oder Todesstrafe, so ist dies nach geltender höchstrichterlicher Rechtsprechung seit einigen Jahren kein genereller Asyl-Anerkennungsgrund mehr, sondern der/die AntragstellerIn muß individuelle Verfolgungsgründe glaubhaft machen. Nur staatliche Verfolgung ist asylrelevant: Sind die Verfolger Bürgerkriegsparteien, Privatarmeen oder Terrorgruppen, gilt kein Asylrecht.

Bereinigt, so ließ der GRÜNE Bundesratsminister von Niedersachsen Jürgen Trittin berechnen, lagen die Anerkennungsquoten 1988 und 1989 bei 19% bzw. 16%.[10]

Nicht zufällig besteht in der Öffentlichkeit weitgehend der Eindruck, 94% abgelehnte AsylbewerberInnen seien nach Abschluß ihres Verfahrens zu Unrecht in der Bundesrepublik und müßten nun schnell abgeschoben werden. Beim größten Teil der Flüchtlinge, denen Folter und Schlimmeres droht, bestehen bisher Schutznormen, die sich in erster Linie aus den Artikeln 1 und 2 GG (Schutz der Menschenwürde und des Lebens) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention ableiten. Darunter fallen nach entsprechenden Untersuchungen über 60% der AsylbewerberInnen.

Diese De-facto-Flüchtlinge erhielten gruppenbezogen oder individuell rechtmäßige Verlängerungen ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik – allerdings auf niedrigstem Niveau. Daraus folgt einerseits, daß selbst die Abschaffung des Art. 16 Absatz 2 GG noch keineswegs gleichbedeutend mit der von ihren Befürwortern gewollten Reduzierung der Flüchtlinge ist. Sie wird allerdings empfindliche Auswirkungen auf deren Rechtsstellung und Verfahrensgarantien haben. Menschenrechtlich, sozialpolitisch und volkswirtschaftlich kann dies nicht akzeptiert werden.

EinwanderInnen: dringend gesucht!

Nicht erst seit dem berühmten „Pillenknick“ ist bekannt, daß die Zahl der Deutschen in den kommenden vierzig Jahren sinkt.

Nach Statistiken des „Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger“ kommen heute noch drei 20-60jährige BürgerInnen auf eine/n RenterIn. Ohne Einwanderung hat im Jahr 2040 jeder Erwerbstätige einen Rentner zu unterhalten. Entsprechend würden die Versicherungsbeiträge auf bis zu 40% des Einkommens klettern.[11] Somit ergibt sich die Notwendigkeit einer aktiven Einwanderungspolitik bereits aus rein ökonomischen Eigeninteresse. Wenn diese Einwanderung nicht schnell beginnt, so müssen, beziffert die „Wirtschaftswoche“, ab dem Jahr 2000 eine Million EinwanderInnen pro Jahr angeworben werden.[12]

Stattdessen bleibt derzeit als einzige offiziell geduldete Ausnahme der Familiennachzug.

Parallel zur rigiden Abschottungspolitik fördert die Bundesregierung aber gleichzeitig klammheimlich die Einwanderung von Personen bestimmter Berufsgruppen, die in einer höchst vertraulich gehaltenen Arbeitskräfte-Aufenthaltsverordnung erfaßt sind. An der Spitze der mit besonderer Zuvorkommenheit behandelten EinwanderInnen – vornehmlich aus Polen, CSFR und Ungarn – rangierten dort 1991 Personen, die Heil- und Pflegeberufe erlernt haben, um hier dem Pflegenotstand abzuhelfen. Aber auch Opfer des Frauenhandels, die hier zur Prostitution gezwungen werden, konnten ohne Schwierigkeiten als „Folkloretänzerinnen“ mit behördlichem Segen „importiert“ werden.

Die Problem der Zweidrittelgesellschaft

Da die Asyldebatte in der breiten Öffentlichkeit offenbar mit falschen Argumenten geführt werden kann, stellt sich die Frage, welche – begründeten oder nicht begründeten – sozialen Ängste vorhanden sind, die die Annahme des Erklärungsmusters „vom vollen Boot“ begünstigen.

Gesetze und Verordnungen regeln den Umgang und die Rechtsverhältnisse eines Gemeinwesens. Sie sind auch Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse. So führen die oft zur „Eindämmung des Asylmißbrauchs“ eingeführten Gesetze praktisch zu Diskriminierungen und wirken einem friedlichen und verständnisvollen Neben- und Miteinander von Flüchtlingen und „Eingeborenen“ entgegen.

Das soll wohl auch so sein, denn auch der „Antragsstau“ des „Bundesamtes für die Anerkennung von Flüchtlingen (BAFl)“ in Zirndorf ist, so wurde im Sommer 1992 enthüllt, gewollt. 360.000 Anträge liegen dort zeitweise auf Halde,[13] selbst offensichtlich begründete Asylbegehren von Familienangehörigen bereits anerkannter Flüchtlinge werden liegengelassen, und von den Ländern bereits angeworbene Beamte zur Aufarbeitung der Akten werden nicht eingestellt.

Datenschutz – nicht für Flüchtlinge

Wer als Staatenloser, als Kontingentflüchtling (wie z.B. die jüdischen EinwanderInnen aus der GUS) oder als Asylberechtigter einen Fremdenpaß beantragt, muß zusätzlich zu den üblichen Daten ein Formblatt mit Fragen nach Hautfarbe, Haarfarbe, Nasen- und Gesichtsform beantworten; bei Deutschen genügen hier Augenfarbe und Größe.[14]

Nichtsdestotrotz ist ein Element des neuen Asylverfahrensgesetzes die erkennungsdienstliche Erfassung aller AsylbewerberInnen und die Errichtung der Datei „AFIS“ beim Bundeskriminalamt, die ähnlich geführt wird wie die Dateien, die Straftäter – bzw. straftatbezogene Informationen enthalten. Wer Asyl beantragt, ist offenbar grundsätzlich verdächtig – das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird für Flüchtlinge vom Staat kurzerhand außer Kraft gesetzt: Da wird schon einmal in Drensteinfurt das Sozialgeheimnis gebrochen, indem der „Malteser Hilfsdienst“ Daten über die Kleideransprüche von Flüchtlingen bekommt[15] oder Geheimdienste horchen AsylbewerberInnen flächendeckend aus und verhören sie wie der Bundesnachrichtendienst (BND) unter der Tarnadresse „Hauptstelle für Befragungswesen“ nach den Verhältnissen in ihren Heimatländern und werten diese Informationen für das Bundeskanzleramt aus. Anwälte sind bei diesen Gesprächen in der Regel nicht beteiligt.

 

Flüchtlinge als Objekte finanzieller Begierde

Nicht nur Abschreckung und Abstempelung sind Bestandteile der praktizierten Asylpolitik. Die Flüchtlinge sind zudem auch Objekt finanzieller Umverteilungsinteressen zwischen Kommunen, Ländern und Bund. Seit Bestehen der FDP-CDU-Koalition in Bonn hat eine ungerechte Umverteilung des Steueraufkommens zulasten der Kommunen stattgefunden. Deren chronische Finanznot wird nun häufig zulasten der AsylbewerberInnen behoben.

Beispiel 1: In Nordrhein-Westfalen haben – bis auf die im Sommer 1992 aufgenommenen Kontingentflüchtlinge – zahlreiche Gemeinden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien, die hier nur bei Verwandten das Ende der Kämpfe abwarten wollen, regelmäßig gedrängt, einen Asylantrag zu stellen. Hintergrund: Obwohl von vornherein klar war, daß der Antrag abgelehnt wird, wird in diesem Falle die Sozialhilfe vom Land erstattet.

Beispiel 2: AsylbewerberInnen, die Arbeit haben, wird nicht gestattet, falls sie eine finden, selbst eine Wohnung zu mieten. Stattdessen werden ihnen in Wohnunterkünften Gebühren berechnet, die selbst Wuchermieten in den Schatten stellen. So zahlten z.B. 4 Personen für gemeinsame 12qm Unterkunft je 618,– Monatsmiete. Hintergrund: Die Kommune berechnet juristisch gesehen keine Miete, sondern erhebt Gebühren und diese ist in solcher Höhe kein rechtswidriger Mietwucher. Durch die hohen Gebühren werden die Asylbewerber wieder unter das Sozialhilfeniveau gedrückt – die sie wiederum vom Land erstattet bekommen: So werden Flüchtlinge zu „Transfergehilfen“ von Geldern in die Gemeindetaschen.

Beispiel 3: Im Kreise Siegen kürzen Kommunen selbstherrlich Sozialhilfe für Flüchtlingskinder pauschal um 20% oder rufen amtlich – wie der NRW-Städte- und Gemeindebund – dazu auf, „soweit irgend möglich, in den von ihnen betriebenen Unterkünften zur Unterbringung von Asylbewerbern und de-facto-Flüchtlingen ebenfalls für einen abschreckenden Effekt durch die Art der Unterbringung zu sorgen.“[16]

Beispiel 4: Brandenburgische Kommunen beklagen unterdessen bereits sinkende Zahlen von AsylbewerberInnen. Hintergrund: Durch den Rückgang verringern sich auch die finanziellen Zuweisungen des Landes. Zudem beklagen die Kommunen, „daß ihnen die Kaufkraft verlorengehe“.[17]

Derartige Methoden sind, wenn sie Privatpersonen im Geschäftsleben unternehmen, illegal, werden als Subventionsbetrug oder Erschleichung öffentlicher Gelder verfolgt. Es ist jedoch gängige Praxis, daß nicht der Mißbrauch von Asylgeldern durch die Gemeinden, sondern Einzelfälle von doppelt bezogener Hilfe durch Asylbewerber zur öffentlichen Diskussion geraten. Die Subventionstransfers von Millionenbeträgen zugunsten der Gemeinden werden bisher von den Rechnungshöfen nicht untersucht.

Roland Appel ist Politologe und Publizist, derzeit MdL der Grünen im Landtag Nordrhein-Westfalen.



[1] Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1991, S. 73
[2] Ebd., S. 93
[3] Presse- u. Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Informationen zum Thema Ausländer in Deutschland, Bonn, o.D., (ca. Feb. 1992), S. 9
[4] Neue Rhein Zeitung v. 10.1.1992
[5] Armutsbericht des „Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes“ 1989
[6] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, a.a.O.
[7] Westfalenpost v. 13.6.1991
[8] Aachener Volkszeitung v. 30.11.1991
[9] Landtag von Nordrhein-Westfalen, Drs. 11/4051
[10] Die Welt v. 7.12.1990
[11] Wirtschaftswoche Nr. 44, 1991, S. 21
[12] Wirtschaftswoche Nr. 37, 1991, S. 142
[13] Frankfurter Rundschau v. 21.1.1992
[14] die tageszeitung v. 17.2.1992
[15] Schreiben des Datenschutzbeauftragten NRW an eine Flüchtlingsinitiative v. 14.5.1992
[16] Städte- und Gemeindebund NRW (Hg.): Mitteilungen Nr. 20/90, S. 330
[17] Berliner Morgenpost v. 6.7.1993

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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 1993-2000
HTML-Auszeichnung: Martina Kant
Erstellt am 06.06.2000 – letzte Änderung am 07.06.2000