CILIP Bürgerrechte & Polizei/CILIP 55 (3/96)

Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs
 
Auch nach nunmehr gut anderthalb Jahren muß die Vorbemerkung wieder mit einigen kurzen Sätzen zur Lage des Informationsdienstes selbst beginnen. Nach wie vor ist die Situation um das 'Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.' und damit zugleich um die Redaktion von Bürgerrechte & Polizei/CILIP auf das äußerste angespannt. Daß das vorliegende Heft (wenn auch mit etwas Verspätung) produziert werden konnte, ist einer Kooperation mit der bündnisgrünen 'Heinrich-Böll-Stiftung' in Köln zu verdanken. Und wie schon zum Jahreswechsel 1995/96 ist auch der weitere Weg im Jahr 1997 derzeit ungewiß.
 
Zum Schwerpunkt:
 
Findet man in der einschlägigen westlichen Literatur schon eher wenig an Informationen über die strukturellen Veränderungen bei den Polizeien der post-kommunistischen Staaten (siehe S. 87ff.), so ist dies hinsichtlich der Bürgerrechtssituation so gut wie gar nicht der Fall. Am 12./13. Oktober dieses Jahres führte das 'Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit' deshalb gemeinsam mit der 'Böll-Stiftung' in Berlin die Konferenz "Police Development and Civil Liberties in the East European Countries" durch. Ziel des Treffens war es, die nunmehr sechsjährige Neu-Entwicklung im Bereich der 'Inneren Sicherheit' in den Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und Rußland näher zu betrachten. Zu diesem Zweck waren neben VertreterInnen der jeweiligen Bürgerrechtsbewegungen auch die Polizeien dieser Staaten eingeladen. Obwohl alle Sicherheitsbehörden zunächst eine Teilnahme angekündigt hatten, zogen die Polizeien Polens und der Tschechischen Republik sowie das russische Innenministerium ihre Zusage wenige Tage vor Konferenzbeginn wieder zurück; der Vertreter von 'Civic Peace' in Moskau erhielt darüber hinaus kein Einreisevisum für die Bundesrepublik.
 
Daß die polnische und die tschechische Polizei ihre kurzfristigen Absagen mit "dringenden anderweitigen Verpflichtungen" begründeten und sich auch außerstande gesehen hatten, für ihre Referenten einen Ersatz zu schicken, wurde von den BürgerrechtsvertreterInnen dieser Länder mit 'wissendem' Lächeln quittiert. Daß das russische Innenministerium ohne jede Begründung fernblieb, erstaunte nicht einmal die ungarischen Polizeiführer, die somit als einzige Vertreter der Sicherheitspolitik ihres Staates an dem Gedankenaustausch teilnahmen.
 
Eine zwangsläufig recht unterschiedliche Betrachtung der Polizeientwicklungen aus offizieller Sicht wie der von Bürgerrechtlern, wie es das ursprüngliche Ziel der Konferenz war, gelang somit nur am Beispiel Ungarns. Die Einblicke, welche die verschiedenen Darstellungen und Bewertungen, ebenso wie die sich anschließenden, z.T. äußerst kontroversen Diskussionen einem Westeuropäer in diesem Falle boten, waren somit um so wichtiger. Man hätte sie sich auch für die ü brigen Staaten gewünscht. Doch auch wenn dieses (ursprüngliche) Ziel nur sehr beschränkt erreicht werden konnte, zeigte sich hier nicht nur exemplarisch, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein können. Es zeigte sich außerdem, wie ä hnlich die Situation in den ersten Wochen und Monaten nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft - bei allen Unterschieden - jener der deutsch-deutschen Vereinigung bei der Übernahme ehemaliger Volkspolizisten war.(1) Es zeigte weiterhin, wie rasch die Polizeibehörden der sog. westlichen Demokratien ihren Weg in die Staaten des vormaligen 'Ostblocks' fanden und welchen Einfluß die westliche Unterstützung in Form von Polizeihilfe dabei hat, die eigenen polizeilichen Werte und Gefahrenszenarien zu exportieren.
Sämtliche Referate des Kongresses sind in übersetzter und redigierter Form im Schwerpunktteil des Heftes nachzulesen. Zwar entsprechen sie in Teilen verständlicherweise nicht mehr dem Originalmanuskript der RednerInnen, sind von allen Autoren jedoch autorisiert.
 
Da das weitere Erscheinen von Bürgerrechte & Polizei/CILIP zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar ist, muß die Ankündigung des nächsten Schwerpunktes an dieser Stelle unterbleiben.
 
Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP
 
Anmerkungen
(1)siehe hierzu: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 38 (1/91)

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