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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 56 (1/97) |
| Literatur
- Rezensionen und Hinweise |
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Burghard, Waldemar/ Hamacher, Hans-Werner/ Herold, Horst/ Howorka,
Horst/ Kube, Edwin/ Schreiber, Manfred/ Stümper,
Alfred (Hg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage, Heidelberg
(Kriminalistik Verlag) 1996, 363 S., DM 38,- Rupprecht, Reinhard (Hg.): Polizei Lexikon, 2. Auflage, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1995, 607 S., DM 48,-
Seit der ersten Auflage im Jahre 1984 ist das 'Kriminalistik-Lexikon'
um 120 Seiten gewachsen. Dies geht darauf zurück,
so die Herausgeber in ihrem Geleitwort, daß in
größerem Umfange "neue Methoden und
Verfahren der Kriminalistik und der Forensischen Wissenschaften
nun kurz definiert und verständlich erläutert"
werden. "Auch die deutsche Vereinigung und darüber
hinaus die weitere Gestaltung der Europäischen
Union haben (...) viel Neues mit sich gebracht und
dazu beigetragen ...". Dies trifft in einigen
Teilen auch zu; etwa wenn die Erläuterungen zur
Polizeiorganisation (S. 236-241) um die Darstellung
der fünf neuen Bundesländer erweitert worden
ist. Wer jedoch nach polizeirelevanten Begriffen der
ersten Nachwendejahre (z.B. Gemeines Landeskriminalamt
(GLKA), Personalauswahlkommission (PAK) u.ä.)
sucht, wird dies vergebens tun. Ähnliches gilt
für den EU-Bereich; so umfassen bspw. die Informationen
zu EUROPOL trotz aller Weiterentwicklungen lediglich
eine knappe Spalte (S. 98). Nützlich sind beide Bücher allenfalls für den Laien, der Erklärungen für bestimmte polizeiliche/kriminalistische Fachausdrücke sucht.
Froese, Kerstin/ Scholzen, Reinhard: GSG 9. Innenansichten eines Spezialverbandes des Bundesgrenzschutzes, Stuttgart (Motorbuch Verlag), 175 S., DM 49,80
In diesem Jahr jährt sich der 'Deutsche Herbst'
zum zwanzigsten Male. Zu solchen Anlässen wird
traditionell immer viel erinnert. Ein solcher Rückblick
fand Anfang April im 'Haus der Geschichte' in Bonn
statt, als Ex-Innenminister Hans-Dietrich Genscher
und Ex-GSG 9-Kommandeur Ulrich K. Wegener der Öffentlichkeit
ein Buch vorstellten. "In diesem Buch gewährt
die GSG 9 Einblicke in Bereiche, die bisher der Allgemeinheit
verwehrt blieben". So ganz richtig ist dieser
Satz aus dem Klappentext nicht. Richtig ist vielmehr,
daß das Buch von Rolf Tophoven: 'GSG 9 - Kommando
gegen Terrorismus' nach 19 Jahren nun fortgeschrieben
wurde. Ebenso wie 1978 ist es erwartungsgemäß
wieder ein Jubelband geworden. Doch während Tophoven
überwiegend noch mit Schwarz-Weiß-Fotos
auskommen mußte, feiert man sich heute durchgehend
vierfarbig. Da Jubiläumsbände bekanntlich
dem hellen Licht verpflichtet sind, werfen Skandale
an solchen Stellen nur sehr kurze Schatten. So verwundert
es denn auch nicht, daß die Verfasser Froese
(PR-Beraterin) und Scholzen (Redakteur der Ballermann-Postille
'Visier') Einsätzen wie in Mogadischu (1977) oder
gegen die Rockergruppe der 'Bones' (1988) u.ä.
recht breiten Raum geben, das Desaster von Bad Kleinen
(1993) jedoch flugs abhandeln (S. 32-34) und zu dem
Ergebnis kommen, eine unzureichende technische Ausstattung
sei vor Ort (S. 134) und eine "wankelmütige,
unkoordinierte Informationspolitik der für Bad
Kleinen verantwortlichen Stellen" (S. 33) sei
bei der Nachbereitung für den mißlungenen
Einsatz verantwortlich gewesen.
Dennoch ist es ein wichtiges Buch, denn es enthält
über solchen Stuß hinaus eine Menge an Detailinformationen,
die ansonsten nur mit großem Aufwand zusammenzutragen
sind. Ein gutes Buch ist es deshalb noch lange nicht.
Franzke, Bettina: Was Polizisten über Polizistinnen denken. Ein Beitrag zur geschlechtsspezifischen Polizeiforschung (Wissenschaftliche Reihe, Bd. 88), Bielefeld (Kleine Verlag) 1997, 216 S., DM 35,-
Frauen stellen auch heute noch eine Minderheit in der
Polizei dar. Ihr Anteil beträgt zwanzig Jahre
nach der allgemeinen Öffnung des (Schutz)Polizeidienstes
für Frauen je nach Bundesland gerade einmal drei
bis 13%. Forschungsarbeiten über Frauen in der
Polizei sind - zumindest im deutschsprachigen Raum
- ebenso selten wie die Polizistinnen selbst. Diese
Forschungslücke will Bettina Franzke mit ihrer
qualitativen empirischen Untersuchung füllen,
die sie als Lehrbeauftragte an der Fachhochschule der
Polizei in Villingen-Schwenningen zusammen mit (überwiegend
männlichen) Studierenden durchgeführt hat.
Ihr Ansatz dabei ist es, herauszufinden, wie Polizisten
die Einstellung von Frauen in den Polizeidienst erleben,
welche Erwartungen sie an ihre Kolleginnen haben und
welche Erfahrungen sie bereits gemacht haben. Bewußt
will sie sich mit dieser "männlichen Perspektive"
von früheren Studien absetzen, die "lediglich"
die Situation von Polizistinnen am Männerarbeitsplatz
Polizei aus der Sicht der Frauen selbst thematisierten
oder gar von den "Tauglichkeitsuntersuchungen"
über Frauen wie die sog. "Erfahrungsberichte
über die Eignung von Frauen für die Schutzpolizei"
der Innenministerkonferenz. Allerdings resultiert
Franzkes Ansatz weniger aus konzeptionellen Vorüberlegeungen
als aus der Not der Untersuchung. Denn im empirischen
Teil des Buches erfährt der/die LeserIn, daß
die ursprünglich gedachte Gegenüberstellung
von Interviews mit Schutzpolizistinnen nicht zustande
kam, da die fast ausschließlich männlichen
Interviewer nicht in der Lage waren, mit den Frauen
verwertbare Interviews zu führen.
Schmitz, Monika: Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermitter, Europäische Hochschulschriften Bd. II/1864, Frankfurt am Main u.a. (Peter Lang Verlag) 1996, 166 S., DM 65,-
Gegenstand der juristischen Dissertation von 1995 ist
die strafprozessuale Verrechtlichung verdeckter Ermittler,
die 1992 durch das OrgKG geschaffen wurde. Das Fazit
der Autorin ist eindeutig: "Mithin kann zusammenfassend
nur die Verfassungswiedrigkeit der Regelung des Einsatzes
Verdeckter Ermittler in § 110a I StPO festgestellt
werden; die Vorschrift ist daher nichtig, was gegebenenfalls
durch das Bundesverfassungsgericht auszusprechen wäre"
(S. 135). Darüber hinaus kritisiert sie fehlende
Rechtsgrundlagen für alle unter einer Legende
ermittelnden Polizeibeamten und für die Zusammenarbeit
mit V-Personen. In beiden Fällen werde in das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.
Da der Gesetzgeber bei der "Parallelproblematik"
des VE ein Gesetz geschaffen, für jene Tätigkeiten
aber bewußt auf ein solches verzichtet habe,
müsse nicht nur deren "Unzulässigkeit"
festgestellt, sondern ihr Einsatz könne "auch
nicht mehr für eine Übergangszeit toleriert
werden" (S. 162).
Mayerhofer, Christoph/ Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Organisierte Kriminalität. Lagebilder und Erscheinungsformen. Bekämpfung und rechtliche Bewältigung, Neue Kriminologische Schriftenreihe Bd. 103, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1996, 306 S., DM 138,- Der Band dokumentiert eine Fachtagung der 'Neuen Kriminologischen Gesellschaft', die 1995 in Wien stattfand. Die Beiträge sind zu fünf Themenkomplexen gebündelt: Ausbreitung der OK, International organisierte Kriminalität, OK im Bereich der Wirtschaft, Vorbeugen und Bekämpfen und rechtliche Bewältigung der organisierten Kriminalität. Obgleich an keiner Stelle des Bandes thematisiert, lassen sich Differenzen und Widersprüche quer durch die 300 Seiten nachweisen. Während etwa Sika im Situationsbericht Österreich davon ausgeht, daß nur noch "Träumer und Zweifler" die Existenz von OK leugneten (S. 12), spricht Pieth für die Schweiz lediglich von einigen "pathologischen Fällen", die eher zu der Frage Anlaß gäben, warum es nicht mehr OK in der Schweiz gebe (S. 42). Sielaff sieht "den Kampf (der nationalen Staaten) schon verloren, bevor er überhaupt begonnen wurde" (S. 151), um ihnen dann doch noch eine Chance zu geben: "Ohne ernsthafte und nachdrückliche Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene wird der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität verlorengehen" (S. 155). Auch im Beitrag Siebers stehen die bekannten Forderungen seines OK-Logistikprojekts lediglich additiv nebeneinander. Wer einräumt, daß vermehrte Repression auf illegalen Märkten nicht nur erfolglos bleiben muß, sondern auch noch unerwünschte Nebenwirkungen produziert, der entwertet seine eigenen Einsichten, wenn er gleichzeitig VEs und VPs, Lauschangriffe und "spezielle Vorfeldermittlungen" fordert (S. 216ff.) Insgesamt zeichnen sich die Beiträge dadurch aus, daß sie bürgerrechtliche Kriterien vollständig ausblenden. Selbst in den eher etwas von der OK-Euphorie distanzierten Beiträgen sucht man derartiges vergebens. Gropp beschließt seine Übersicht über die deutsche Anti-OK-Gesetzgebung mit dem Wunsch, der Lauschangriff möge mit "Transparenz und Kontrolle" eingeführt werden (S. 257). Der Frankfurter Generalstaatsanwalt Schaefer plädiert für die Verrechtlichung der VPs in der StPO (S. 167) und hofft, zukünftig möge "eine Veränderung unseres bisherigen bewährten rechtsstaatlichen Strafverfolgungssystems" vermieden werden (S. 172) - so als ob Gesetzgebung und Praxis in den letzten 10 Jahren stillgestanden hätten. Daß die Effektivierung der OK-Bekämpfung nicht um jeden Preis betrieben werden kann, erfahren wir aus den Worten eines Schweizer Staatsanwalts. Sofern "in Politik und Gesellschaft ein Grundkonsens vorhanden" seien, böten "sich hierfür Lösungen (...), die gerade auch im Interesse unseres Rechtsstaates und etwa einem 'sauberen' Finanzplatz liegen (!), durchaus an" (S. 295).
Claussen, Hans Rudolf: Korruption im öffentlichen Dienst, Köln u.a. (Carl Heymanns Verlag) 1995, 211 S., DM 48,- In den Kampf gegen die Korruption reitet mit diesem Band auch der frühere Bundesdisziplinaranwalt Claussen. Im Anhang ergänzt um einige verwaltungsinterne Regelungen zur Annahme von Geschenken sowie um drei Schilderungen lokaler Korruptionsfälle von anderen Autoren (Nachdruck früherer Veröffentlichungen), liefert Claussen auf 52 Seiten eine verwaltungsrechtliche Erörterung der Korruptionsproblematik. Die außerrechtlichen einleitenden Bemerkungen zur Korruption kann man getrost überlesen: Weder zum Ausmaß noch zu den Ursachen finden sich ernstzunehmende Überlegungen. Die behauptete "neue Dimension" der Korruption (S. 1) wird nirgendwo belegt; und der Verweis auf den Verfall der Moral (S. 14 und 19) ist so alt wie die Menschheit. Für die Auslegung der (beamten)rechtlichen Bestimmungen kommt Claussen nicht umhin, auf seinen eigenen Kommentar zur Bundesdisziplinarordnung zu verweisen. Offen bleibt deshalb, an wen die Veröffentlichung sich richtet: Der Praktiker wird im Zweifelsfall auf den Kommentar zugreifen, während die am Phänomen Korruption Interessierten zwischen Allgemeinplätzen und beamtenrechtlichen Details hin- und hergeworfen werden.
Kniesel, Michael/ Kube, Edwin/ Murck, Manfred (Hg.): Handbuch für Führungskräfte der Polizei - Wissenschaft und Praxis -, Lübeck (Schmidt-Römhild) 1996, 1433 S., DM 79,-
Auf 1.433 eng und somit leseunfreundlich bedruckten
Seiten versprechen die Herausgeber in 40 Einzelbeiträgen
einen "ständigen Begleiter auf allen Aufgabenfeldern"
für die polizeilichen Führungskräfte.
Das Handbuch will der "Informationsvermittlung
und dem Erfahrungsableich" dienen, es soll zugleich
"Orientierungen, Anregungen und Hilfen bei der
täglichen Aufgabenbewältigung geben"
(S. 7). Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, haben
die Herausgeber eine Vielzahl durchweg renommierter
Autoren und Autorinnen, vor allem aus der Polizei
selbst, gewonnen. Auf den ersten Blick ist die thematische
Vielfalt beeindruckend: Von der Polizeigeschichte bis
zur Leistungsbeurteilung, von der Arbeitszufriedenheit
bis zur Verkehrssicherheit, von der polizeilichen
Führung bis zur föderalen Zusammenarbeit
der Parteien. Bei genauerem Hinsehen fallen dann die
Lücken ins Auge: Unter dem Stichwort "Übergriffe"
verweist uns das Register auf eine Textstelle über
die "schwarzen Schafe" bei der Polizei. Ist
die Mißhandlung von Ausländern durch deutsche
Ordnungshüter kein Thema für die Polizeiführer?
Auch zur körperlichen Gewalt und zum polizeilichen
Schußwaffengebrauch fehlen mehr als nur rechtliche
Hinweise. Daß das Handbuch in der Regel Bekanntes
reproduziert, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Ärgerlich
wird dieses Verfahren jedoch in jenen Teilen, in denen
das Publikum Altvertrautes zum x-ten Male aufgetischt
bekommt. Zachert zur OK ist und bleibt eine überflüssige
Lektüre; Storbecks Nachrichten über Europol
kann man fast wöchtlich nachlesen etc. Neben schlicht
unverständlichen Beiträgen, wie den über
die "Polizeiliche Berufsethik" (Beese), gibt
es informative und überzeugende Beiträge,
die den Ansprüchen eines Handbuches - einen bestimmten
Komplex präzise darzustellen - gerecht werden:
Feltes' Kritik polizeilicher Effizienz, Steffens Erörterung
der Kriminalitätserfassung oder Wiesels Übersicht
über die Stand von INPOL-neu. Trotz dieser Lichtblicke
mangelt es dem Handbuch an einer strukturierenden Konzeption.
Hinter der vermeintlichen Vielfältigkeit werden
erhebliche blinde Flecken sichtbar.
Paul, Gerhard/ Mallmann, Klaus Michael (Hg.): Die Gestapo - Mythos und Realität, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1995, 580 S., DM 98,-
Die Palette an Forschungsergebnissen ist weit gespannt,
die mit diesem Sammelband, zu dem 28 Autoren und Autorinnen
beigetragen haben, vorgestellt wird. Nahezu alle Autoren
sind einer sozialgeschichtlich orientierten Zugangsweise
verpflichtet, deren Erkenntnisträchtigkeit die
beiden Herausgeber bereits 1991 mit ihrer Monographie
'Herrschaft und Alltag: Ein Industrierevier im Dritten
Reich' beeindruckend vorgeführt haben. In Abkehr
von traditionell institutionengeschichtlichen Studien
zur Gestapo, in denen die Wechselbeziehungen zwischen
der Gesellschaft und dieser Institution bürokratisch
organisierten Terrors kaum ins Blickfeld geraten, steht
im Zentrum der überwiegenden Zahl der Beiträge
das Verhältnis von Gesellschaft und Gestapo. Die
Herausgeber haben die Aufsätze unter folgenden
thematischen Schwerpunkten rubriziert: Die Organisation,
Mitarbeiter - Zuträger - Partner, Staatspolizeiliche
Praxis, Die Gestapo in Europa. Weitere Beiträge
diskutieren methodische Fragen und die Herausbildung
des Gestapo-Mythos, d.h. des Bildes einer allwissenden
und omnipotenten Bürokratie, die die Gesellschaft
nahezu perfekt im Griff des 'Bösen' hatte, so
daß Widerstand nur um den Preis der Selbstaufgabe
möglich gewesen wäre. Darin, so die Herausgeber,
lag auch der geschichtspolitische Sinn des von der
Nachkriegsgesellschaft gepflegten Gestapo-Mythos.
Er half, sich und anderen verständlich zu machen,
warum die deutsche Gesellschaft nicht aus eigener Kraft
in der Lage gewesen war, sich der nationalsozialistischen
Diktatur zu entledigen. Diverse Beiträge verdichten
die empirischen Belege für die herausragende Bedeutung,
die seit Reinhard Manns Studie über die Stapo-Leitstelle
Düsseldorf und den bahnbrechenden Arbeiten von
Gellately und den Herausgebern dieses Bands der Denunziation
als zentrale Herrschaftsressource der Gestapo beigemessen
wird. |
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1997 HTML-Auszeichnung: Martina Kant - 17.06.1997 |