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Seit Mitte der 70er Jahre wurde die polizeiliche Zusammenarbeit
in Europa quantitativ und qualitativ erheblich ausgedehnt.
Betrieben von den nationalen Sicherheitsexekutiven,
zeichnete sich die Europäisierung der Inneren
Sicherheit von Anfang an durch ihr demokratisches Defizit
aus. Die Themen und Gegenstände der Kooperation
waren die gleichen, die auch im Staatsinnern zentral
waren. Vor allem durch die Terrorismusbekämpfung
wurde die Kooperation maßgeblich ausgebaut. Dabei
wurden neue Institutionen geschaffen und Verträge
geschlossen, die nur zum Teil auf die 'Europäische
Gemeinschaft' (EG) bezogen sind.
Bis zum Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages über
die Europäische Union (EUV) gab es keine rechtliche
Grundlage für eine Zusammenarbeit auf justiz-
und innenpolitischem Gebiet im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaft. Dennoch begannen die EG-Mitgliedstaaten
ihre Kooperation auf diesem Sektor bereits in den 70er
Jahren. 1976 trafen sich die für die Polizei zuständigen
Innen- bzw. Justizminister der Mitgliedstaaten erstmals
im Rahmen von TREVI (terrorism, radicalism, extremism,
violence international). Obwohl das Gremium auf die
EG-Staaten begrenzt war bzw. parallel zur Erweiterung
der EG wuchs, blieb TREVI bis zu seinem formalen Ende
im Jahre 1993 außerhalb der formellen Strukturen
der Gemeinschaft. Weder die EG-Kommission noch das
Europäische Parlament wurden beteiligt oder in
zureichendem Maße informiert.
Unter Ausschluß der Öffentlichkeit
Aufgrund der Uneinigkeit zwischen den damals 12 EG-Mitgliedstaaten
stammt der 'blueprint' für die polizeiliche Kooperation
im Binnenmarkt-Europa nicht von TREVI oder einer der
anderen Arbeitsgruppen, sondern aus dem Schengener
Kerneuropa (Benelux-Staaten, Frankreich und Bundesrepublik
Deutschland). Im ersten Schengener Abkommen von 1985
wurde seinerzeit ein 'Kontrollverfahren ohne Wartezeit'
eingeführt, das den Einstieg in einen generellen
Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen bilden
sollte. Das neue Kontrollverfahren stellte allerdings
nur die verbale Fassung eines bereits existierenden
Zustandes dar. Längst wurde an den EG-Binnengrenzen
nicht mehr scharf kontrolliert. Die durchgeführten
Kontrollen richteten sich neben üblicherweise
verdächtigten Personengruppen (z.B. Jugendliche)
in erster Linie gegen AusländerInnen.
Das 'Schengener Durchführungsabkommen' (SchDüK)
wurde im Juni 1990 unterschrieben und enthält
nur in Art. 2 der mehr als 140 Artikel eine Bestimmung
über den Abbau der Binnengrenzen. Der gesamte
'Rest' beinhaltet:
- Verschärfungen und Vereinheitlichungen beim Asyl-
und Ausländerrecht.
- Eine Verrechtlichung bestimmter Formen der polizeilichen
Zusammenarbeit: Vertraglich geregelt wurden die grenzüberschreitende
Observation und die Kontrollierte Lieferung illegaler
Drogen. Generell wurde eine Verpflichtung zur Amtshilfe
zwischen den Polizeibehörden verordnet.
- Die Einrichtung eines Datenverbundes, des 'Schengener
Informationssystems' (SIS), das sowohl Zwecken der
polizeilichen Fahndung im engeren Sinne, als auch der
Ausschreibung zur Zurückweisung an den Grenzen
oder zur Ausweisung dient.
Eine politische Diskussion über 'Schengen' fand
in der Bundesrepublik nicht statt. Nach Abschluß
des Vertrages wurden die Verhandlungsgruppen schleichend
in den im Abkommen vorgesehenen Exekutivausschuß
verwandelt, der diverse Handbücher und Ausführungsbestimmungen
festlegte, die lange vor dem Inkrafttreten fertig vorlagen.
Der eigentliche Prozeß der Ratifizierung spielte
nur noch eine untergeordnete Rolle.(1)
Dritte Säule
Trotz aller Uneinigkeiten waren die wesentlichen Elemente
der gemeinsamen europäischen Innen- und Rechtspolitik
ab 1990 weitgehend vorhanden.(2)
Die Verhandlungen der einzelnen Gruppen wurden nicht
unterbrochen, sondern liefen unter dem neuen Dach des
durch den Maastrichter Vertrag geschaffenen 'Rates
für Inneres und Justiz' einfach weiter. Betrachtet
man die bisherigen Ergebnisse, so fällt auf, daß
die Verhandlungen dort am erfolgreichsten waren, wo
sie wie vorher im TREVI-Kontext nicht auf verbindliche
Verträge hinausgelaufen waren.
Auch die parlamentarische Kontrolle hat bisher kaum
Schwierigkeiten bereitet. Das Europaparlament erhält
zwar mehr Papier aus den Arbeitsgruppen als dies vor
dem Vertrag der Fall war, mitbestimmen kann es aber
nach wie vor nicht. Seine Äußerungen haben
lediglich empfehlenden Charakter. Es entscheiden die
nationalen Regierungen und ihre Exekutiven. Die Einbeziehung
der nationalen Parlamente - wo sie stattfand - hat
vielfach nicht einmal dazu beigetragen, die Verhandlungen
über Verträge zu verzögern.
Auch in bezug auf den 'Europäischen Gerichtshof'
(EuGH) ging es bei den bisherigen Vertragsprojekten
nicht um eine Kontrolle im Sinne der Betroffenenrechte,
sondern eher um eine 'Schiedsrichterfunktion' bei Streitigkeiten
zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung
des Vertrages. Bürgerrechtliche Kriterien spielen
kaum eine Rolle.
Mit dem Vertrag von Amsterdam hat sich diese Situation
nicht wesentlich geändert. Die neuen Bestimmungen
führen vor allem zu einer kaum zu überbietenden
Unübersichtlichkeit. Viele der neuen Artikel werden
durch zusätzliche Protokolle ergänzt. Der
gesamte "Schengen-Besitzstand", also sowohl
die Verträge selbst, als auch sämtliche bisherigen
Beschlüsse des Exekutivausschusses, werden damit
EU-Recht, das allerdings für Großbritannien
und Irland nicht verbindlich ist. Von den bisherigen
Angelegenheiten der 'Dritten Säule' wird die Visa-
und Einwanderungspolitik sofort nach Inkrafttreten
des Amsterdamer Vertrages, die Asylpolitik fünf
Jahre danach an das gemeinschaftsrechtliche Verfahren
angeglichen. Die Zusammenarbeit in Sachen Zoll, Polizei
und Strafrecht bleibt in der 'Dritten Säule'.
Allerdings erhält hier der Rat die Möglichkeit,
aufgrund von bloßen 'Maßnahmen', d.h. außerhalb
von Verträgen, Beschlüsse über eine
verstärkte Zusammenarbeit zu treffen. Während
die Position des Europaparlaments nach wie vor darauf
beschränkt ist, angehört zu werden, werden
die Einflußmöglichkeiten der nationalen
Parlamente noch stärker reduziert.
Europol
Forderungen nach einer EG-Polizeizentrale gab es bereits
in den 70er Jahren. Für die praktische Ausgestaltung
von Europol wurden dann die gemeinsamen Intelligence-Projekte
ausschlaggebend, die seit Ende der 80er Jahre im Rahmen
von TREVI III (Internationale OK) betrieben wurden.
Der Begriff Intelligence stammt aus der Welt der Geheimdienste.
Im Polizeibereich - und hier vor allem in der Drogenbekämpfung
- spielt der Begriff seit den 70er Jahren eine Rolle.
Dahinter steht die Vorstellung, die Polizei solle nicht
nur auf einzelne Fälle und Anzeigen aus der Bevölkerung
reagieren, sondern durch eine gezielte Informationsbeschaffung
und -auswertung selbst die Initiative ergreifen. Führende
Polizeivertreter aus den Polizeien der Mitgliedstaaten,
insbesondere der heutige, vom Bundeskriminalamt abgestellte
Leiter von Europol Jürgen Storbeck, haben von
Anfang an deutlich gemacht, daß Europol eine
Datenzentrale werden solle und es ihnen dabei besonders
um die sog. weichen Daten gehe, d.h. Daten ohne unmittelbaren
Bezug zu einer Straftat, die jedoch geeignet sein können,
Persönlichkeitsprofile, Verbindungen u.ä.
zu erstellen.
Die EU-Innen- und -Justizminister vereinbarten im Juli
1993 im Vorgriff auf eine Konvention als erste Stufe
von Europol die Errichtung einer 'Europol-Drogen-Einheit'
(EDU). Ihre Zuständigkeit beschränkte sich
zunächst nur auf den internationalen Drogenhandel
und auf Geldwäscheermittlungen. Gemeinsame Maßnahmen
in den Jahren 1995 und 1996 erweiterten die Zuständigkeiten
dann um die Bekämpfung der Verschiebung von Kraftfahrzeugen
und LKW-Ladungen, des Schmuggels von radioaktiven Substanzen,
der 'Schleuserkriminalität' und des Menschenhandels.
Die Einheit trägt zwar immer noch den Namen 'Drogen-Einheit',
befaßt sich aber jetzt mit einer weit größeren
Palette von Aufgaben.
1994 hatte die EDU über die in Den Haag stationierten
Verbindungsbeamten insgesamt 595 Anfragen bearbeitet.
1995 erhöhte sich diese Zahl auf 1.476. Alleine
im ersten Halbjahr 1996 wurden bereits 1.054 Anfragen
verzeichnet. Die Zahl der Antworten liegt erheblich
höher. Europol schafft also bereits ohne eigene
Datensysteme einen Datenmehrwert. Die 1995 unterzeichnete
Konvention bildet die Voraussetzung für den Aufbau
dieser Systeme. Die Regelungen für das Europol-Informationssystem,
eine Hinweisdatei, und um so mehr für die Arbeitsdateien
zu Analysezwecken enthalten dabei kaum Einschränkungen.
Die Ausführungsbestimmungen lassen auch hochsensible
Daten über Gesundheit, rassische Herkunft und
Sexualität zur Verarbeitung zu. Europol-Mitarbeiter
erhalten ferner einen eigenen Status der 'Immunität'.
(siehe S. 68ff.)
Verdeckte Ermittlungsmethoden
Internationale Zusammenarbeit stand in den meisten westeuropäischen
Ländern auch am Anfang der nationalen Praxis der
verdeckten Ermittlungen. In der Bundesrepublik war
das polizeiliche Interesse am grenzüberschreitenden
Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern anfangs
vor allem auf Situationen bezogen, bei denen Drogenhändler
(Schein-)Kaufverhandlungen ins Ausland verlegten, um
den Scheinaufkäufer einer sog. 'Keuschheitsprobe'
zu unterziehen.
Zwar gibt es auch nicht ansatzweise Schätzungen,
wie oft grenzüberschreitend observiert, wie häufig
Verdeckte Ermittler eines Landes auf der anderen Seite
der Grenze ihre Infiltration fortsetzen etc., dennoch
kann es als gesichert gelten, daß diese Formen
des grenzüberschreitenden polizeilichen Agierens
den Kinderschuhen längst entwachsen sind. Doch
die rechtliche Decke für grenzüberschreitende
oder gar internationale verdeckte Einsätze ist
sehr dünn. Internationale Verträge geben
dazu kaum etwas her. Gerade verdeckte Methoden beziehen
sich häufig auf das Vorfeld von Straftaten. Eine
allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit im präventiven
Bereich allerdings gibt es bisher nur in Art. 39 des
Schengener Übereinkommens. Die beiden einzeln
erwähnten Methoden, Observation (Art. 40) und
'Kontrollierte Lieferung' (Art. 74), sind nicht für
das Vorfeld von Straftaten vorgesehen.
Die 'Kontrollierte Lieferung' benötigt in jedem
Einzelfall eine Vorabbewilligung durch die Behörden
der Staaten, durch deren Territorium eine solche Lieferung
geschleust werden soll. Zwar ist bei einem großen
Teil von kontrollierten Lieferungen der Einsatz von
V-Leuten und/oder Verdeckten Ermittlern notwendig,
um die 'Ware' nicht aus den Augen zu verlieren,(3) eine
weitere Verrechtlichung auf diesem Gebiet gibt es bisher
jedoch nicht.
Vor dem Hintergrund der rechtlichen und konzeptionellen
Unterschiede hinsichtlich der verschiedensten verdeckten
Methoden in den einzelnen Ländern bleibt als Grundregel
der Zusammenarbeit in erster Linie, daß solche
Einsätze jenseits der Grenze nur mit Zustimmung
der Behörden des jeweiligen Einsatzlandes möglich
sind. Die Bereitschaft zur Kooperation hängt dabei
zum großen Teil von der Gegenseitigkeit von Genehmigungen
ab. Neben informellen Netzwerken sind in den vergangenen
Jahren Verbindungsbeamte für die Vermittlung von
Ersuchen immer wichtiger geworden. Dies gilt nicht
nur für die Beamtenpools bei Interpol oder Europol.
Hinzu kommen Verbindungsbeamte der nationalen Polizeizentralen.
Das Bundeskriminalamt führt solche Beamte derzeit
in insgesamt 40 Staaten. Das geringe Gewicht rechtlicher
Regeln und die große Bedeutung des 'networking',
der direkten Kontakte und Regelungen auf Polizeiebene,
zeigen sich um so mehr, wo man einzelne Maßnahmen
einmal etwas genauer betrachtet: Bei grenzüberschreitenden
Observationen etwa ist längst nicht mehr der Schengener
Normalfall, also das vorherige Rechtshilfeersuchen,
sondern der Eilfall die Regel geworden.
Die klassische Trennung von Innenpolitik, die sich um
das Staatsinnere kümmert, und Außenpolitik,
welche die internationalen Beziehungen eines Staates
zum Gegenstand hat, existiert innerhalb der Europäischen
Union nicht mehr. Auch im Bereich der öffentlichen
Sicherheit hat seit längerem eine Globalisierung
eingesetzt. Insbesondere hier geht es längst nicht
mehr nur um eine punktuelle Zusammenarbeit der nationalen
Polizeien, die ansonsten die Grenzen unangetastet ließe.
Das Europaparlament
Sowohl die EU-Kommission als auch das Europaparlament
(EP) haben sich in den vergangenen Jahren für
eine weitere Vergemeinschaftung der 'Dritten Säule'
eingesetzt. Ging es der Kommission vor allem darum,
Punktgewinne im Kompetenzstreit mit den Mitgliedstaaten
zu erzielen, so darf zumindest bei einem Teil des Parlaments
unterstellt werden, daß es ihm um mehr parlamentarische
Kontrolle in sensiblen Bereichen geht. Allerdings ist
eine solche Vergemeinschaftung nicht unproblematisch.
Bereits in Visa-Angelegenheiten ist erkennbar, daß
die EU-Kommission ihr Initiativrecht keineswegs für
eine menschenrechtsorientierte offene Politik nutzt,
sondern - im Gegenteil - die gleichen Ergebnisse wie
die Mitgliedstaaten im Rat - nur unter anderer Kompetenz
- anstrebt. Indem dem EP das Mitentscheidungsrecht
in Asylfragen vorenthalten wird, gleichzeitig die nationalen
Parlamente aber wegen der Vergemeinschaftung ausgeschlossen
werden, wird die europäische Asylpolitik mehr
denn je von den Exekutiven formuliert werden.
Generell bot das bisherige Verfahren zwar wenig Kontrollrechte
für das EP, bremste andererseits aber die Geschwindigkeit
der Umsetzung zumindest im vertraglichen Bereich. Die
Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen im Rat
anstelle der bisher in der 'Dritten Säule' vorgeschriebenen
Einstimmigkeit hätte z.B. mit Sicherheit dazu
geführt, daß alle bisherigen Vertragsprojekte
längst verwirklicht worden wären. Darüber
hinaus ist Brüssel weit entfernt und wird auch
von der Öffentlichkeit nur in geringem Maße
wahrgenommen. So paradox es klingen mag: Das bisherige
demokratiefeindliche Verfahren bewirkte eine größere
Politisierungschance. Die fehlenden Kompetenzen des
EP gaben ihm zudem Anlaß, das Fehlen von Kontrollen
im polizeilichen Bereich zu kritisieren - so geschehen
in Sachen Europol.(4)
Allerdings kann nicht darauf vertraut
werden, daß dies immer so bleiben wird. Je mehr
Kompetenzen das EP erhält, umso wahrscheinlicher
wird es, daß die etablierten nationalen Mutterparteien
ihre Europa-Abgeordneten an die 'kurze Leine' nehmen
werden. Weiterhin muß man sich darüber im
klaren sein, daß auch eine Vergemeinschaftung
nicht automatisch mehr Kontrolle über die bereits
existierenden oder im Aufbau befindlichen eigenständigen
Institutionen wie Europol bringt.
Hingegen kann (und sollte) das Europaparlament bereits
jetzt Initiativen für eine unabhängige Kontrolle
von außen ergreifen. Zu denken wäre z.B.
an einen Polizeiausschuß, der (gemeinsam mit
unabhängigen ForscherInnen und JournalistInnen)
eine regelmäßige Beobachtung europäischer
Polizeipolitik gewährleistet. Daß eine solche
Kontrolle auch ohne die entsprechenden Kompetenzen
möglich ist, hat in den 80er Jahren das britische
'Greater London Council' auf lokaler Ebene demonstriert.
Obwohl der Londoner Gemeinderat keine Befugnisse einer
'Police Authority' hatte, wurden entsprechende Ausschüsse
eingesetzt, die regelmäßig Informationen
über die Metropolitan Police vermittelten und
lokalen Gruppen Hilfestellung bei Anliegen gegenüber
oder Konflikten mit der Polizei leisteten.
Da der 'Ausschuß für Grundfreiheiten und
innere Angelegenheiten' des EP nur in begrenztem Maße
eigene Kapazitäten hat, könnte eine unabhängige
Kommission die Kontrolle erheblich erleichtern.
Eines der Ziele parlamentarischer Arbeit muß daher
darin bestehen, mehr Informationen für die öffentliche
Diskussion zu liefern. Eine grundsätzliche Kritik
schließt dabei keineswegs aus, daß man
auch im Detail kritisiert oder sich positiv auf Detailkritik
von anderer Seite - etwa der Datenschutzbeauftragten
- beruft und diese unterstützt.
Nationale Parlamente
Nur ein begrenzter Teil der internationalen polizeilichen
Zusammenarbeit und der EU-Innen- und Justizpolitik
findet tatsächlich seinen Niederschlag in völkerrechtlichen
Verträgen, die durch die nationalen Parlamente
zu ratifizieren wären. Ein großer Teil besteht
aus reinen Verwaltungsabkommen, aus Durchführungsbestimmungen
bereits geschlossener Verträge, aus allgemeinen
Absprachen oder aus schlichtem Verwaltungshandeln.
Vor allem im letzten Bereich fehlt oft eine eigenständige
rechtliche Grundlage. Internationale polizeiliche Kooperation
findet zum großen Teil auf der Basis nationalen
Rechts oder schlichten Gewohnheitsprinzipien (Gegenseitigkeit)
statt.
Einer parlamentarischen Kontrolle sind am ehesten die
Bereiche internationaler oder europäischer Politik
Innerer Sicherheit zugänglich, die sich in Verträgen
niederschlagen.
Wie im Inland, wo neue Gesetzesvorlagen die Veränderungen
im polizeilichen Bereich offensichtlich werden lassen,
ist auch im internationalen Bereich die Chance der
politischen Auseinandersetzung da am größten,
wo diese vor das Parlament müssen, d.h. in der
Regel dort, wo Verträge zur Beurteilung anstehen.
Das Europaparlament hat an dieser Stelle zwar nicht
die Chance, einen Vertrag bei der Ratifizierung durchfallen
zu lassen. Seine Stellungnahmen gegen das Schengener
Abkommen und der ablehnende Beschluß zur Europol-Konvention
durchbrachen jedoch die Lobhudelei aus den nationalen
Parlamenten und der etablierten Parteien und konnten
schon (oder nur?) deshalb eine gewisse öffentliche
Aufmerksamkeit erreichen.
Die nationalen Parlamente hingegen haben Ratifizierungskompetenzen.
Allerdings sind die Einflußmöglichkeiten
auf Verträge, die als fertige Entwürfe vorliegen,
meist nur noch gering. Während bei Gesetzen im
nationalen Rahmen im Laufe der parlamentarischen Debatten
noch gewisse (Detail-)Veränderungen stattfinden
können, ist ein Nachverhandeln bei Verträgen
unüblich und so gut wie ausgeschlossen. Die Übereinstimmung
von Parlamentsmehrheit und Regierung, das bis vor kurzem
bestehende Gleichgewicht zwischen konservativen und
sozialdemokratischen Regierungen in der EU und das
grundsätzliche Einverständnis auch der in
der Opposition stehenden Sozialdemokraten verhindern,
daß Verträge von den nationalen Parlamenten
abgelehnt werden. Die Parlamentsdebatten bieten den
kleineren Oppositionsparteien allenfalls eine Chance,
in größerem Maße die Öffentlichkeit
zu mobilisieren. Reale Einflußmöglichkeiten
werden um so geringer, wenn zum Zeitpunkt der Ratifizierungsdebatten
bereits die wesentlichen technischen und institutionellen
Voraussetzungen geschaffen worden sind: Als das Schengener
Übereinkommen ratifiziert wurde, fehlte zum Funktionieren
des 'Schengener Informationssystem' (SIS) nur noch
wenig und bei Unterzeichnung der Europol-Konvention
arbeitete die EDU bereits seit eineinhalb Jahren.
Die parlamentarische Befassung mit Verträgen muß
daher erheblich früher beginnen. Dies beinhaltet
nicht nur eine frühe Information in den Fachausschüssen;
Ausschußberatungen finden, selbst wenn es gelingt,
die Öffentlichkeit zu informieren, nur einen geringen
öffentlichen Nachhall. Ziel muß sein, das
Plenum des Bundestages möglichst schon vor der
Unterzeichnung eines Vertrages in die Diskussion einzuschalten.
Dies kann (neben Anfragen) durch Anträge geschehen,
die der Exekutive Verhandlungspositionen vorgeben.
Ein wesentliches Mittel kann auch die Haushaltskontrolle
sein, bei der vorfristige Investitionen wenn schon
nicht verhindert, so doch öffentlich an den Pranger
gestellt werden können.
Im Bundestag sollten die Oppositionsparteien auf einen
offenen Umgang mit Informationen hinarbeiten. Während
in der Bundesrepublik nach wie vor der Verschlußsachenstempel
verhindert, daß Entwürfe und Dokumente über
die Ausschüsse hinaus bekannt werden, hat die
interessierte Öffentlichkeit etwa in den Niederlanden
eine weit größere Chance der Teilhabe.
Landtage
In gewisser Weise kann auch auf Länderebene Einfluß
auf die Beratungen genommen werden. Wie das Schengener
Abkommen greift auch die Europol-Konvention an bestimmten
Punkten in die Polizeihoheit der Länder ein. Dies
betrifft u.a. die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes
als nationale Zentrale zur Datenweitergabe an Europol.
Hierbei werden auch Daten übermittelt, deren formeller
'Besitzer' die Länderpolizeien sind. Die Innenministerien
der Länder sind laut dem neuen Art. 23 GG an den
Beratungen über EU-Konventionen beteiligt. Es
muß daher darum gehen, auch auf der Länderebene
möglichst frühzeitig Informationen abzufragen
und diese öffentlich zugänglich zu machen.
Anfragen und Anträge können also auch hier
gestellt werden.
Auch jenseits des EU- und Schengen-Kontexts sollte versucht
werden, die in bezug auf die EU- und Schengen-Gremien
praktizierte regelmäßige Berichtspflicht
der Bundesregierung zu verankern. Dies betrifft u.a.
folgende Gremien bzw. Institutionen:
- Interpol
- Berner und Wiener Club
- UN Drogenkontrollprogramm
- Dublin-Gruppe
- Pompidou-Gruppe
- Financial Action Task Force (FATF)
- Internationale Zollgremien
- Ständige Arbeitsgruppe Rauschgift (StAR)
- bilaterale Kontakte aufgrund der Verträge, die
in den vergangenen Jahren mit den osteuropäischen
Ländern geschlossen wurden etc.
Sowohl wenn es um den Inhalt von Datenverarbeitungssystemen
wie auch wenn es um grenzüberschreitende operative
Methoden geht, stoßen Kontrollversuche auf das
absurde Argument, eine Bekanntgabe auch nur statistischer
Daten gefährde die Tätigkeit der Polizei.
Entsprechende Daten fehlen vielfach auch für die
Polizeitätigkeit im Landesinnern, dennoch muß
eine parlamentarische Kontrolle zumindest einen Überblick
über die quantitative Dimension der polizeilichen
Kooperation anstreben. Dazu gehören u.a. folgende
Aspekte:
- Die Zahl der beim Interpol-Generalsekretariat gespeicherten
Daten aus deutschem Datenbesitz und der Anteil, den
diese Datensätze am gesamten Datenbestand dieser
Systeme haben.
- Die Zahl der in den PIOS-Dateien beim Bundeskriminalamt
(BKA) aufgrund von ausländischen Informationen
gespeicherten Daten.
- Eine SIS-Statistik.
- Eine Statistik der Anfragen und Antworten, die über
die EDU an deutsche Polizei- und Zollstellen versandt
wurden.
- Sowie für die Zukunft: Informationen über
Art und Charakter der in neuen Datensystemen gespeicherten
Informationen aus deutschem Datenbesitz.
Ebenfalls statistisch zu erfassen wären die diversen
operativen Methoden im grenzüberschreitenden Verkehr:
Grenzüberschreitende Observationen, kontrollierte
Lieferungen, Austausch von V-Personen und Verdeckten
Ermittlern, Telefonüberwachungen aufgrund ausländischer
Ersuchen etc. (Dazu gehören auch die entstandenen
Kosten und die erzielten Ergebnisse.)
Auch auf Länderebene ergeben sich hinsichtlich
der Berichtspflichten Aufgaben: Hier sollten z.B. die
Ergebnisse von Tagungen, der in Länderzuständigkeit
betriebenen regionalen Arbeitsgruppen der StAR sowie
ähnlicher Gremien, die aufgrund von bilateralen
Abkommen institutionalisiert wurden, ermittelt und
in politische Initiativen umgesetzt werden.
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