CILIP Bürgerrechte & Polizei/CILIP 57 (2/97)

Chronologie - Mai 1997

zusammengestellt von Martina Kant


 
01.05.: • Im Anschluß an die 'Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration' in Berlin kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und DemonstrantInnen, in deren Verlauf 347 Personen festgenommen werden. Am 15.5. wird ein Mitschnitt des Polizeifunks vom 1. Mai bekannt, woraus hervorgeht, daß ca. 50 vermummte Zivilbeamte der Polizei Eskalationen bewußt herbeigeführt haben sollen. Die Polizei weist dies zurück. Am 21.5. räumt sie die Vermummung ein, nachdem Videoaufnahmen auftauchen.
• Im niedersächsischen Hannoversch Münden versammeln sich ca. 300 Anhänger der rechtsextremen NPD zu einer Kundgebung und liefern sich mit 50 linken GegendemonstrantInnen gewalttätige Auseinandersetzungen. Die Polizei nimmt 120 RechtsextremistInnen fest; ein Polizist wird schwer verletzt.

02.05.: • Drei rechtsradikale Brandstifter werden vom Düsseldorfer Landgericht zu jeweils viereinhalbjährigen Jugendstrafen verurteilt. Sie hatten im Juli 1996 einen Brandanschlag auf ein Aussiedlerheim verübt.
Deutschlands modernstes und teuerstes Untersuchungshaftgefängnis Weiterstadt wird eröffnet. Es war 1993 durch einen Sprengstoffanschlag der RAF kurz vor seiner Eröffnung zerstört worden.

04.05.: • Ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erklärt das Verbot der Partydroge Ecstasy per Verordnung für rechtens. (Az.: 2 BvR 509/96 und 511/96 - Beschl. v. 4.5.97)

05.05.: • Ein Sondereinsatzkommando der sächsischen Polizei beendet in Dresden unblutig eine mehrstündige Geiselnahme und überwältigt den Geiselnehmer.

07.05.: • Der Berliner Drogenbericht 1996 verzeichnet 175 Drogentote; die Berliner Polizei nahm 2.230 Schmuggler fest und stellte 130 Kilogramm Drogen sicher.

12.05.: • Bei der Räumung eines besetzten Hauses in Potsdam werden 17 Personen festgenommen.

13.05.: • Per Senatsbeschluß werden die Berliner Sozialbehörden zur Übermittlung von Aufenthaltsort und Vorsprachetermin von illegal in Berlin lebenden MigrantInnen an die Ausländerbehörde verpflichtet.
• Nach Mitteilung von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) wird der Antrag der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf Haschisch-Verkauf in Apotheken abgelehnt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bestätigt am 23.5. die Ablehnung des Modellprojekts wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Armin Jäger (CDU) wird neuer Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Er löst Rudi Geil ab.

14.05.: • Laut einem Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden im ersten Quartal 1997 insgesamt 198 antisemitisch motivierte Straftaten verübt. Das sind 29 mehr als im Vergleichszeitsraum 1996.

15.05.: • Die Staatsanwaltschaft in Lübeck erhebt Anklage wegen Polizistenmordes und vierfachen Mordversuchs gegen den Rechtsextremisten Kay Diesner. Diesner hatte im Februar dieses Jahres bei einer Fahrzeugkontrolle einen Polizisten erschossen und zuvor in Berlin einen PDS-nahen Buchhändler durch Schüsse schwer verletzt.
• Mit dem Verweis auf "überwiegende öffentliche Interessen" verzichtet Generalbundesanwalt Kai Nehm auf weitere Ermittlungen gegen die iranische Staatsführung wegen des Mykonos-Attentats. Lediglich der Haftbefehl gegen Geheimdienstminister Fallahian bestehe fort.

20.05.: • Im Düsseldorfer Prozeß gegen den früheren DDR-Spionagechef Markus Wolf fordert die Verteidigung Freispruch wegen Verjährung der Straftaten. Das Oberlandesgericht verurteilt Wolf am 27.5. wegen Freiheitsberaubung von DDR-BürgerInnen in vier Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem muß er 50.000 DM an ein SOS-Kinderdorf spenden.

21.05.: • In Berlin kommt es zur Räumung eines teilbesetzten Hauses durch zwei Hundertschaften der Polizei. 24 Personen werden überprüft und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. In den darauffolgenden Tagen führt die Polizei ständig Ausweiskontrollen in der Umgebung des Hauses bei Personen mit "szenetypischem Aussehen" durch.

22.05.: • Vier Bürgerrechtsorganisationen legen erstmals ihren 'Alternativen Verfassungsschutzbericht' vor. Der Grundrechte-Report will staatliche Verstöße gegen Bürger- und Menschenrechte in Deutschland anprangern und soll künftig jährlich erscheinen.

24.05.: • Der Bundesnachrichtendienst (BND) hört nach Angaben seines Präsidenten Hansjörg Geiger "weit unter einem Prozent" aller Auslandstelefonate ab. Der BND habe nicht die Möglichkeit, die rund 200 Anrufe pro Minute computergesteuert nach bestimmten Schlüsselwörtern mitzuhören. Nach Auskunft des bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen wird am 29.7. bekannt, daß der BND täglich rund 600 "Vorgänge des internationalen Fernmeldeverkehrs" mit Hilfe von Suchbegriffen überprüft. Von diesen werden täglich 45 als möglicherweiseerheblich selektiert.

25.05.: • In Lübeck beginnt eine Serie von Brandanschlägen auf Kirchen in Norddeutschland. An die Mauer einer völlig ausgebrannten Kirche schmieren die Täter Hakenkreuze und den Namen eines Pfarrers, der in der Nachbargemeinde einer algerischen Familie Kirchenasyl gewährt. Am 13.6. wird Haftbefehl gegen einen 19jährigen wegen schwerer Brandstiftung erlassen; zwei weitere Jugendliche gestehen die Hakenkreuzschmierereien. Am 4.6. werfen Rechtsradikale Brandsätze in eine evangelische Kirche in Hamburg und beschmieren die Wände mit Hakenkreuzen und SS-Runen. Das Feuer erlischt von selbst. Am 15.6. legen Unbekannte in einer Husumer Kirche Feuer. Die Polizei vermutet Täter aus der rechtsradikalen Szene. Am 17.6. wird ein psychisch gestörter 44jähriger Verdächtiger vorläufig festgenommen. Am 29.6. brennt ein evangelisches Gemeindehaus in Lübeck. Die Wände waren wiederum mit Hakenkreuzen und Drohungen gegen einen Pfarrer beschmiert.

27.05.: • Vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht wird der vierjährige Rechtsstreit zwischen der Gauck-Behörde und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) beendet, indem dieser den Streit überraschend für erledigt erklärt.
• 20 Jahre nach der Oetker-Entführung wird in London der Kidnapper Dieter Zlof mit mehr als der Hälfte des Lösegeldes von insgesamt 21 Mio. DM gefaßt. Einige Tage später stellt sich ein Komplize den deutschen Ermittlungsbehörden. Beiden droht in Großbritannien eine Anklage wegen Hehlerei und Geldwäsche.

28.05.: • Es wird bekannt, daß 18 Verfahren gegen PolizeibeamtInnen im Zusammenhang mit dem Castor-Transport wegen Sachbeschädigung, Nötigung und Körperverletzung von der Lüneburger Staatsanwaltschaft eingestellt wurden.
• Die Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit stellt den ersten Lagebericht zur Organisierten Kriminalität (OK) der Justizbehörde vor. Erfaßt werden darin 257 OK-Ermittlungsverfahren für das Jahr 1996; 63% der Tatverdächtigen und 60% der Verurteilten waren danach ausländische Staatsangehörige. Eine Mafia oder mafiose Strukturen gebe es laut Peschel-Gutzeit derzeit in Berlin nicht.
• Mit einem Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt endet der Prozeß gegen einen Berliner Zivilbeamten. Er soll im November 1994 den Kläger brutal abgeführt und ihm auf die Frage nach seiner Dienstnummer einen Faustschlag ins Gesicht versetzt haben.
• Zwei Funktionäre der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK)werden vom Oberlandesgericht Celle u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen von dreieinhalb bzw. zweieinhalb Jahren verurteilt. Bei Razzien in vier bayerischen Flüchtlingsheimen werden am 17.6. insgesamt 17 mutmaßliche PKK-Aktivisten festgenommen und zahlreiches Propagandamaterial sichergestellt.

29.05.: • Vor dem Landgericht Hannover wird das Verfahren gegen einen SEK-Beamten wegen fahrlässiger Tötung des Kurden Halim Dener neu aufgerollt. Der Sechzehnjährige war im Juli 1994 beim Plakatieren ertappt worden und durch einen Schuß aus der Dienstwaffe des Angeklagten tödlich verletzt worden. Am 20.6. plädieren Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Freispruch. Das Gericht folgt den Plädoyers und spricht den Polizisten am 27.6. frei.

Juni 1997 | Juli 1997
 
 
Martina Kant ist Politikwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der 'Arbeitsgruppe Bürgerrechte' an der FU Berlin.

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