Bürgerrechte & Polizei/CILIP 58 (3/97) | |
Europol und 'operative Ermittlungsmethoden'
- Zur Europäisierung eines untauglichen Konzeptes |
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von Hartmut Aden | |
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Während des Ratifizierungsverfahrens für das
Übereinkommen über das europäische Kriminalpolizeiamt
Europol wurde Kritik vor allem aus einer bürgerrechtlich-rechtsstaatlichen
Perspektive formuliert: Die geplante Immunität
der Europolbediensteten gegenüber der Strafverfolgung,
die starke Stellung des Direktors, der Datenschutz
und die unzulängliche parlamentarische Kontrolle
standen dabei im Mittelpunkt der öffentlichen
Diskussion. Die grundsätzliche Notwendigkeit einer
zentralen Polizeibürokratie in Europa und ihre
inhaltliche Konzeption wurden hingegen kaum thematisiert.
Dabei überträgt der Aufbau von Europol eine
Konzeption zentralisierter Polizeiarbeit auf die europäische
Ebene, die sich bereits in den Nationalstaaten nur
bedingt bewährt hat: Von der zentralen Erfassung
und Analyse 'weicher' Verdachtsdaten erhofft man sich
Rückschlüsse auf internationale Verbrechensstrukturen.
Dieser Ansatz erinnert an die Datenverarbeitungseuphorie
bundesdeutscher Kriminalämter in den 70er Jahren.
Die 'Erfolgsbilanz' dieser Strategie ist bescheiden.
Die traditionelle Fahndung ist zwar durch die Möglichkeit,
große Datenmengen in kurzer Zeit zu bewältigen,
einfacher geworden. Entscheidende Fortschritte bei
der Aufklärung oder gar bei der Verhinderung von
Straftaten mit überregionalen Bezügen sind
hingegen mit Hilfe der Datenbanksysteme nicht erzielt
worden.
Daher sind auf nationalstaatlicher Ebene seit den 80er
Jahren andere Formen 'modernisierter Verbrechensbekämpfung'
in den Mittelpunkt kriminalpolizeilicher Strategien
gerückt: Die Nutzung nachrichtendienstlicher,
im Polizeijargon 'operativer' Ermittlungsmethoden (Telefonüberwachung,
Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern, Lauschangriff
etc.).(1) Bisherige Praxis: Koordination 'operativer' Aktionen
Es ist kein Geheimnis, daß Europol schon in der
Aufbauphase als EUROPOL-Drogenstelle (EDU) 'operative'
Aktionen koordiniert hat.(2)
Bereits im ersten Jahr
ihres Bestehens hat die Drogenstelle sogenannte "kontrollierte
Lieferungen" unterstützt. 'Kontrollierte
Lieferungen' sind Transporte illegaler Betäubungsmittel,
bei denen die Strafverfolgungsbehörden nicht sogleich
eingreifen, wenn sie von diesen erfahren, sondern sie
zunächst beobachten - in der Hoffnung, Informationen
über die Handelsstrukturen und weitere Tatbeteiligte
zu erlangen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf das
Legalitätsprinzip problematisch, sondern auch
weil die 'Kontrolle' des jeweiligen Drogengeschäfts
in Kombination mit dem Einsatz von V-Leuten aus der
kriminellen Szene so weit gehen kann, daß die
Lieferung überhaupt erst durch Polizeibehörden
in Gang gesetzt wird.
In der Folgezeit veranstaltete Europol mehrere Fachkonferenzen
zu diesem Thema. Im Arbeitsprogramm für das erste
Halbjahr 1996 heißt es unter dem Stichwort "Drogen"
zu den geplanten Aktivitäten: "Nach Abstimmung
mit den Leitern der nationalen Europol-Stellen Analyse
und Umsetzung der Ergebnisse der Konferenzen über
kontrollierte Lieferungen und damit in Zusammenhang
stehende Überwachungstechniken mit dem Ziel, erforderlichenfalls
Methoden und Techniken zu
harmonisieren."(4) Der Amsterdamer Vertrag und das Geplante
Durch den Vertrag über die Europäische Union
vom 7.2.92 (Maastricht-Vertrag)(6)
wurden die Europol-Drogenstelle
und andere Gremien der Polizeikooperation, insbesondere
die TREVI-Gruppe, in die 'Dritte Säule' der Europäischen
Union integriert.(7) Die
Maastricht-Folgekonferenz
1996/97 stellte die Weichen für die Entwicklung
von Europol hin zu einer 'operativen' Polizeibehörde.
Im Amsterdamer Vertrag vom Juni 1997 wurde in Art.
K.2 des Vertrages u.a. folgendes festgelegt: "(2)
Der Rat fördert die Zusammenarbeit durch das Europäische
Polizeiamt (Europol) und geht innerhalb von fünf
Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages insbesondere
wie folgt vor: Dies heißt zumindest, daß Europol zukünftig eine aktivere Rolle bei Ermittlungsmaßnahmen übernehmen soll. 'Operativ' - ein flexibler (Rechts-) Begriff
Bei welcher Art von Ermittlungsmaßnahmen soll
Europol nach dem Amsterdamer Vertrag zukünftig
mitwirken? Was genau ist unter 'operativen Aktionen'
zu verstehen? Welche konkreten Auswirkungen die flexible Gestaltung des Amsterdamer Vertrages für die 'operative' Ermittlungstätigkeit von Europol haben wird, ist offen. Die sehr allgemeine Formulierung des Amsterdamer Vertrages dürfte kaum den Anforderungen der Volkszählungsentscheidung (9) an spezialgesetzliche Eingriffsermächtigungen für die staatliche Informationserhebung genügen. Folglich wäre eine weitere Konvention, zumindest aber die Anpassung der nationalstaatlichen Eingriffsermächtigungen an entsprechende Aktivitäten von Europol erforderlich. In der Praxis dürfte sich daher zumindest für eine Übergangszeit eine andere Strategie durchsetzen: Die Informationen werden weiterhin von nationalen Polizeibediensteten auf der Grundlage der (sehr unterschiedlichen) nationalen Rechtsgrundlagen erhoben. Europol übernimmt die Koordination und die zentrale Auswertung. Schlußbetrachtung und Bewertung
Für die meisten Protagonisten eines zentralen europäischen
Kriminalamtes waren das deutsche Bundeskriminalamt
(BKA) und das US-amerikanische Federal Bureau of Investigation
(FBI) von vornherein die konzeptionellen Vorbilder.
Die Informationserhebung mit heimlichen Methoden ist
bei beiden eine zentrale Strategie 'moderner Verbrechensbekämpfung'.
Darüber hinaus gehört die heimliche Informationsgewinnung
heute - in unterschiedlichen Ausmaßen - in allen
europäischen Staaten zum Standardrepertoire der
zentralen Kriminalämter. Daher ist es nicht verwunderlich,
daß diese Methoden auch im Rahmen von Europol
etabliert werden sollen. | |
Hartmut Aden ist Jurist und Sozialwissenschaftler und arbeitet an der Universität Hannover. |
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Anmerkungen |
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(1) | Siehe: Bürgerrechte & Polizei/CILIP Nr. 49 (3/94) |
(2) | Vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 53 (1/96), S. 21 ff. |
(3) | Bericht über die Tätigkeiten der EUROPOL-Drogenstelle vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1994. Erster jährlicher Sachstandsbericht, Europäisches Parlament, Sitzungsdokument C4-0094/95 - 5369/95, S. 5 |
(4) | Europäische Union, Ratsdokument 11640/95, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP Nr. 53 (1/96), S. 32 |
(5) | Tätigkeitsbericht der Europol-Drogenstelle. Fortschrittsbericht über das Halbjahr 1. Januar - 30. Juni 1996, S. 10 |
(6) | BGBl. II, 1992, S. 1253ff. |
(7) | Vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 53 (1/96), S. 6ff. |
(8) | Siehe hierzu: Bürgerrechte & Polizei/CILIP Nr. 49 (3/94), S. 6 |
(9) | BVerfGE 65, 1ff. |
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