CILIP Bürgerrechte & Polizei/CILIP 58 (3/97)

Chronologie - August 1997

 
zusammengestellt von Melanie Schmitz
 
01.08.: • Es wird bekannt, daß illegal eingereiste Flüchtlinge zwangsweise zu finanziellen Beteiligungen an ihrer Abschiebung herangezogen werden. Seit 1993 sind so über eine Million DM für 'Sicherheitsleistungen' an den Bundesgrenzschutz (BGS) gezahlt worden.
• In Nürnberg wird von einem Polizisten außerhalb seiner Dienstzeit ein Türke beleidigt und geschlagen.

03.08.: • In Hannover verhindert die Polizei die 'Chaos-Tage' durch ein umfassendes Versammlungsverbot.

05.08.: • In Berlin nimmt ein neues sechsköpfiges Kommissariat 'Kinderpornographie' seine Arbeit auf.
• Es wird bekannt, daß ein Rostocker Polizeibeamter während seines Urlaubs in Dänemark eine Bank überfallen hat.
• Der Bericht des 'Anti-Folter-Komitees' des Europarates rügt Übergriffe des Sondereinsatzkommandos in Berlin.
• In Potsdam wird die 26. Sicherheitspartnerschaft des Landes Brandenburg gegründet.

06.08.: • Die Polizei führt eine Razzia bei Anbietern rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Skinheadmusik in neun Bundesländern durch. Dabei wird zahlreiches Propagandamaterial beschlagnahmt.
• Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist ein sprunghafter Anstieg bei rechtsextremen Bands, ihren Konzerten und Tonträgern zu verzeichnen.
• Nach Angaben der Bundesregierung wurden als Folge des deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommens bis Anfang Juli 1997 insgesamt 2.623 Vietnamesen abgeschoben.
• Das Frankfurter Oberlandesgericht entscheidet, daß der Bund die Aufenthaltskosten von Asylsuchenden im Transitbereich tragen muß. Die Bundespressestelle teilt am 22.8. mit, daß 1996 insgesamt 4.358 Asylsuchende, darunter 290 Minderjährige ohne Begleitung, in das Transitverfahren der Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München aufgenommen worden sind. Eine Abschiebehaft ist in 42 Fällen angeordnet worden.

07.08.: • Der Bundesgerichtshof bestätigt die Verurteilung der vier Brandstifter von Solingen vom Mai 1993 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren bzw. zehnjährigen Jugendstrafen. (Az.: 3 StR 520/96 v. 4. und 23.7.97)
• In Frankfurt/Oder wird von sieben jungen Männern ein Asylsuchender überfallen und schwer mißhandelt.

08.08.: • Vor dem Lübecker Landgericht beginnt der Mordprozeß gegen Kay Diesner. Er hatte im Februar diesen Jahres auf einen linken Berliner Buchhändler geschossen und ihn dabei schwer verletzt sowie vier Tage später einen Polizeibeamten bei einer Fahrzeugkontrolle in Schleswig-Holstein erschossen.
• In mehreren Bundesländern werden Veranstaltungen und Versammlungen anläßlich des Todestages von Rudolf Heß verboten. Am 16.8. werden bei dennoch abgehaltenen Kundgebungen mehrere Hundert Rechtsextreme vorübergehend festgenommen. Straßenschlachten zwischen linken und rechten Demonstranten finden in mehreren Städten statt.
• In Hagenau am Bodensee überfällt eine Gruppe von Skinheads einen Campingplatz und verletzt dabei einen Deutschen und einen Türken schwer.

09.08.: • In Dresden wird von zwei Bundeswehrsoldaten ein Brandanschlag auf ein Wohnheim für MigrantInnen verübt. Es wird niemand verletzt. Beide Täter werden am 12.8. unter Aberkennung ihres Dienstgrades fristlos entlassen.
• In Potsdam kommt es nach einer Party zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Hausbesetzern. Nach weiteren schweren Auseinandersetzungen am 22.8. werden mehrere Personen verletzt und große Sachschäden verursacht. Am 23.8. wird ein besetztes Haus widerstandslos geräumt. Am 25.8. stürmen 80 Hausbesetzer ein Bürozimmer der Stadtverwaltung Potsdam, beschädigen die Einrichtung und werfen Akten aus dem Fenster. Es kommt zu 32 Festnahmen.

10.08.: • Bei einem Großeinsatz von Polizei und Spezialisten der Telekom werden in Berlin über 30 Migranten festgenommen, die mit Telefonkarten-Simulatoren ins Ausland telefonieren.

11.08.: • Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) fällt der Vorgarten eines Hauses unter den grundrechtlichen Wohnungsbegriff und ist somit gegen Abhörmaßnahmen der Ermittlungsbehörden geschützt. (Az.: I BGs 65/97) Am 28.8. einigen sich Koalition und SPD auf die Einführung des großen Lauschangriffs zur Bekämpfung der sogenannten Organisierten Kriminalität sowie auf die hierzu notwendigen Änderungen des Grundgesetz-Artikels 13. Am 9.10. stimmt der Bundestag in der ersten Lesung mit Mehrheit für die Einführung des Lauschangriffs und die Verschärfung der Strafvorschriften gegen Geldwäsche.
• In Berlin werden Razzien in Wohnungen und Geschäftsräumen von mutmaßlichen Waffenhändlern und deren Kontaktpersonen durchgeführt. Es werden zahlreiche Waffen sichergestellt und fünf Personen festgenommen.

12.08.: • Es wird bekannt, daß gegen einen pensionierten Polizisten und einen Kripobeamten aus Saarbrücken Anklagen wegen Korruption, Beihilfe zur Zuhälterei und Verstößen gegen das Ausländergesetz erhoben worden sind.
• Im ersten Halbjahr 1997 werden nach acht Razzien auf den Berliner Großbaustellen des Bundes Ermittlungen gegen 173 Bauarbeiter und 47 Unternehmen wegen Beschäftigung zu Dumpinglöhnen und illegaler Beschäftigung eingeleitet. Bis zum 19.9. werden in Berlin nach 452 Baustellen- und Betriebsprüfungen der 'Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit' (GES) von Polizei, Zoll und Landesarbeitsamt 9.503 Ermittlungen eingeleitet, davon 1.279 gegen Arbeitgeber. Von den 818 Festgenommenen werden 326 MigrantInnen ausgewiesen.

13.08.: • In Berlin wird ein vom Dienst suspendierter Polizist wegen Vergewaltigung und sexuellen Mißbrauch seiner beiden minderjährigen Töchter zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
• Nach dem Selbstmord einer Polizistin, die von Kollegen mehrfach schickaniert worden war, wird in Berlin eine 'Mobbing-Kommission' eingesetzt. Alle Polizeidienststellen werden aufgefordert, jeglichen Mobbingverdacht an die Kommission zu melden.

15.08.: • Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) verbietet die rechtsextreme Organisation 'Kameradschaft Oberhavel'.
• Bei einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt in Mönchengladbach erleidet der Mißhandler bei seiner Festnahme tödliche Verletzungen durch Rippenbrüche und eine Kehlkopfquetschung. Gegen sechs Beamte werden Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet.

17.08.: • Es wird bekannt, daß die Einrichtung einer polizeipsychologischen Stelle für Opferbetreuung im Berliner LKA nach zweijähriger Modellversuchsphase fest etabliert wird.

18.08.: • Vor dem Landgericht Frankfurt/Oder beginnt ein Mordprozeß gegen zwei Deutsche, die im Januar einen Vietnamesen so schwer mißhandelt haben, daß er an den Verletzungen starb.
• In den ersten Monaten dieses Jahres wurden insgesamt 9.487 Straftaten, darunter 256 Körperverletzungen in dem Bereich der Berliner S-Bahn begangen. Im Vergleichszeitraum 1996 betrug die Zahl 10.510 Straftaten und 306 Körperverletzungen.
• Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz müssen wegen Gewaltdelikten verurteilte MigrantInnen nach Verbüßung ihrer Strafe zur Abschreckung ausgewiesen werden. (Az.: Urteil vom 21.03.97 - 10 A 13428/96)

19.08.: • Vor dem Berliner Amtsgericht beginnt der Prozeß gegen 16 Polizeibeamte wegen Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt. Ihnen wird vorgeworfen, in der Zeit zwischen Oktober 1993 und Mai 1994 Festgenommene mit Fäusten ins Gesicht geschlagen und mit Schlagstöcken traktiert zu haben. Während eines Sylvestereinsatzes 1993/94 filmte ein Beamter die gewalttätigen Übergriffe. Am 2.9. spricht das Gericht sechs der Angeklagten in einem ersten Teilurteil aus Mangel an Beweisen frei, weitere Freisprüche folgen. Von den schließlich verbleibenden Beamten werden drei am 18.9. wegen versuchter und vollendeter Strafvereitelung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe bzw. 4.500 DM Geldstrafe verurteilt. Ein Beamter wird verwarnt. Am 10.9. beginnt gegen einen weiteren Polizisten ein Prozeß vor dem Berliner Landgericht. Beim Einsatz Sylvester 1993/94 wird ihm Körperverletzung gegenüber einem Skinhead vorgeworfen.
• Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) präsentiert ein 10-Punkte-Programm, in dem zu mehr Polizeipräsenz, schnelleren Strafverfahren, einem Verzicht auf überzogene Gewaltdarstellung in den Medien und kommunaler Kriminalitätsprävention aufgerufen wird.

21.08.: • Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden 1996 insgesamt 414 antisemitisch motivierte Delikte und 985 ausländerfeindlich motivierte Straftaten für das erste Halbjahr 1997 registriert.
• Innenminister Kanther verbietet die Durchreise des geplanten 'Friedenszug Musa Anter' ins kurdische Diyarbakir, der von mehreren Friedensnobelpreisträgern und internationalen Organisationen unterstützt wird. Der Zug wird vom Innenministerium als 'Werbeveranstaltung' für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eingestuft.

22.08.: • Wegen eines Aufrufs zur Demontage von Bahngleisen spricht das Berliner Amtsgericht Strafbefehle von 18.000 Mark gegen eine PDS- und eine Grünen-Bundestagsabgeordnete aus.

23.08.: • Bei einer Festnahme in Berlin wird bei einem Schußwechsel mit der Polizei ein Mann getötet. Gegen den Beamten werden Ermittlungen eingeleitet.
• In Rom wird der wegen des La-Belle-Anschlags von 1986 gesuchte Libyer Musbah Eter in seiner Wohnung festgenommen. Er gilt als Kronzeuge, hatte sich jedoch zu Beginn des Jahres abgesetzt. Durch bisher geheime Stasi-Unterlagen wird der Libanese Yassar Chraidi, ein Hintermann des Anschlags, am 3.9. auch des Bombenattentats im 'Maison de France'-Prozeß verdächtigt. Am 9.10. liefern die italienischen Behörden Musbah Eter an die Bundesrepublik aus.

28.08.: • Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) dürfen sich Gerichte bei Absprachen im Strafprozeß nicht im voraus auf bestimmte Strafhöhen festlegen. Allerdings sei eine Einigung der Prozeßparteien auf eine unter der Höchststrafe liegende Obergrenze als Gegenleistung für ein Geständnis möglich. (Az.: 4 StR 240/97)

29.08.: • Erstmals in Deutschland wird vom Verwaltungsgericht in Braunschweig die sofortige Ausweisung für zwei Polinnen wegen Ladendiebstahls angeordnet. (Az.: Z 8 B8426/97)
• Wegen fahrlässiger Tötung wird in Berlin ein Polizeibeamter zu einer Bewährungsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Bei einem Unfalleinsatz im Mai 1996 hatte er eine junge Frau überfahren.
• Im thüringischen Eichsfeld werden 25 rechtsgerichtete Jugendliche in Unterbindungsgewahrsam genommen, weil bei der Durchsuchung ihrer Fahrzeuge Messer und Propagandamaterial der rechten Szene sichergestellt wurden.

30.08.: • Wegen Aufforderung zu einer Straftat werden der Berliner Theaterregisseur C. Schlingensief und der Schauspieler B. Schütz in Kassel vorübergehend festgenommen. Sie hatten ein Plakat mit dem Slogan 'Tötet Helmut Kohl' aufgestellt.

 
 

Melanie Schmitz studiert Politische Wissenschaft an der FU Berlin.

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