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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 58 (3/97) |
| Parteien zur Umweltkriminalität
- vom Dornröschenschlaf zur Instrumentalisierung eines brisanten Themas |
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| von Martina Kant | |
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Das Thema Umweltkriminalität führt in den Parteiprogrammen und Beschlüssen der Bonner Parteien bislang eher ein Schattendasein. Ausgereifte Konzepte und programmatische Leitsätze, wie es sie zu anderen Kriminalitätsbereichen wie z.B. zur Jugendkriminalität, zum Rechtsextremismus und zur sog. organisierten Kriminalität gibt, sucht man zum Thema Unweltkriminalität zumeist vergeblich. Nach der Verschärfung des Umweltstrafrechts von 1994 ist es bei den Parteien eher still geworden. Zwar sei das Thema Umweltkriminalität nach wie vor brisant, wird versichert, dennoch würde es in den rechts-, innen- und umweltpolitischen Arbeitskreisen nur am Rande behandelt. Wachgerüttelt werden die ParteipolitikerInnen hin und wieder durch spektakuläre Umweltskandale wie den Münchner Plutoniumschmuggel im Jahre 1994, die illegale Müllverschiebung in den Libanon im Sommer 1996 oder durch einen der wohl größten Fälle von Vermischung und Umdeklarierung von giftigem Sondermüll ebenfalls im vergangenen Jahr, an dem mehr als hundert Abfallunternehmen aus ganz Deutschland beteiligt waren. Konsequenzen daraus sind vereinzelte Stellungnahmen oder Initiativen wie bspw. die der CDU gegen illegale Abfalltransporte.(1)
Welche Positionen zur Umweltkriminalität vertreten
die Bonner Parteien nun? Wie ordnen sie Umweltstraftaten
ein, und welche Bekämpfungsansätze präferieren
sie? Die Beantwortung dieser Fragen erwies sich als
nicht ganz einfach, da weder CDU noch CSU, FDP oder
PDS sich des Themas in letzter Zeit angenommen haben.
Von der CDU war zu erfahren, sie habe in jüngster
Zeit keinen spezifischen Beschluß zur Umweltkriminalität
gefaßt.(2) Auch innerhalb der
PDS gibt es keine programmatische oder veröffentlichungsfähige
Meinung zum Umgang mit Umweltkriminalität.(3) Abgesehen von Bündnis 90/Die Grünen, hat lediglich
die SPD mittels einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung
(4)
und einer Interpellation an die bayerische Staatsregierung (5)
einige Forderungen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität
aufgestellt und gleichzeitig die jeweiligen RegierungsvertreterInnen
zu Stellungnahmen aufgefordert. Organisierte Kriminalität oder alltägliche Umweltverschmutzungen? Augenfällig ist der unterschiedliche Zugang zu Umweltkriminalität bei den einzelnen Parteien und der damit einhergehende grundverschiedene Bekämpfungsansatz. Während bei CDU und SPD Umweltkriminalität zunehmend als eine Spielart der sog. organisierten Kriminalität gesehen wird, betrachten PDS, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP Delikte gegen die Umwelt aus einer eher 'ganzheitlichen' Perspektive. Aus Sicht der SPD hat "inzwischen auch die organisierte Kriminalität den Bereich der illegalen Müllentsorgung als lukrativen Unternehmenszweig für ihre Aktivitäten entdeckt (...)"(6) Handel mit Giftmüll oder radioaktiven Stoffen gehörten nicht zu der mit dem irreführenden Begriff beschriebenen Massen- oder Alltagskriminalität, "sondern gehören für uns zum Bereich Organisierter Kriminalität", ist bei der AG 'Innere Sicherheit' des Frankfurter Kreises der SPD zu lesen.(7) Gleiches findet man bei der CDU, aus deren Sicht "zunehmend auch die Umweltkriminalität" (...) zu den "Betätigungsfelder(n) dieser Syndikate professioneller Straftäter" gehöre.(8) Der Blickwinkel verengt sich dabei auf "grenzüberschreitende Umweltdelikte, wie z.B. die illegale Entsorgung giftiger Stoffe oder (den) unerlaubten Handel mit Kernbrennelementen."(9) Dergestalt werden Umweltstraftaten von SPD und CDU lediglich auf einen kleinen Ausschnitt besonders schwerer Delikte reduziert. Mit ihrer Fixierung auf organisierte Kriminalität (OK) blenden sie den großen Bereich der alltäglicheren und vor allem der legalen, da behördlich genehmigten Umweltverschmutzungen aus. Für die SPD ergibt sich darüber hinaus der OK-Bezug vor allem über die "Mitwirkung oder Duldung durch Kontrollbehörden und einzelne Beamte" an den Umweltdelikten; ohne sie, so ist in der genannten Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zu lesen, seien illegale Sonderabfallexporte, der illegale Handel mit bedrohten Tierarten oder mit verbotenen Arzneimitteln usw. gar nicht durchführbar.(10) D.h. Umweltkriminalität wird von den Sozialdemokraten mit Korruption und Bestechung in der öffentlichen Verwaltung in Verbindung gebracht; als 'Weiße-Kragen-Kriminalität' trete sie zunehmend neben die organisierte Kriminalität der Unterwelt.(11)
Etwas anders sieht dies bei PDS, Bündnis 90/Die
Grünen und der FDP aus. Anleihen an die OK-Debatte
gibt es bei diesen Parteien kaum. Aus Sicht der PDS
Sachsen-Anhalt beschreibt der Begriff "organisierte
Kriminalität" nur unzureichend die kriminellen
Vorgänge u.a. beim Müllhandel.(12) Zwar spielen
'Mülltourismus' und Abfallskandale auch bei PDS,
Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Rolle,
sie stehen aber nicht im Mittelpunkt der ohnehin nur
am Rande geführten Diskussion um Umweltkriminalität.
Während es vor allem für die Bündnisgrünen
um die Ahndung jedweder Umweltverschmutzungen, insbesondere
der Betriebe und Unternehmen geht, wird Umwelt-'Kriminalität'
von der FDP überhaupt nicht thematisiert. Für
die Liberalen handelt es sich bei der Bekämpfung
und Verhinderung von Umweltverschmutzungen lediglich
um ein ordnungsrechtliches und marktwirtschaftliches
Problem.(13) Bekämpfungsansätze
In den politischen, rechtlichen und polizeilichen Bekämpfungsansätzen
der Parteien spiegelt sich gleichermaßen ihre
Einstufung von Umweltdelikten wider. In einem sind
sich immerhin alle Parteien einig: Umweltkriminalität
wird zunehmend als Problem erkannt und müsse entschieden
und vor allem wirkungsvoller als bisher bekämpft
werden. Darin erschöpfen sich allerdings schon
die Gemeinsamkeiten, denn die Vorstellungen darüber,
wie diese Bekämpfung aussehen soll, könnten
unterschiedlicher nicht sein. Alternativen zum Strafrecht?
Daß man auch unterhalb der abstrakten OK bei der
Bekämpfung von Umweltdelikten und Umweltverschmutzungen
ansetzen kann, beweisen Bündnis 90/Die Grünen,
FDP und noch unausgereift die PDS. Mehr als nur Wahlkampf?
In der derzeitigen, noch überwiegend von CDU/CSU
und SPD geführten kriminal- und rechtspolitischen
Diskussion tritt der Umweltschutz als solcher zunehmend
in den Hintergrund. Die Bekämpfung der Umweltkriminalität,
so scheint es, hat weniger etwas mit dem Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen als vielmehr mit
der Abwehr einer abstrakten Gefahr durch organisierte
Kriminalität zu tun.
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Martina Kant ist Politikwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der 'Arbeitsgruppe Bürgerrechte' an der FU Berlin. |
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| Anmerkungen |
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| (1) | CDU, Abfallpolitik - Den Müllinfarkt vermeiden - Müllexporte, Bonn 1996 |
| (2) | Schreiben v. 1.10.97 |
| (3) | Schreiben v. 31.10.97 |
| (4) | BT-Drucksache 13/6923 v. 4.2.97 |
| (5) | Bayerischer Landtag, Drucksache 13/5413 v. 10./15.7.96 |
| (6) | SPD-Bundestagsfraktion, AG Umwelt, Naturschutz & Reaktorsicherheit, Pressemitteilung v. 18.12.96 |
| (7) | in: Recht und Politik 2/93, S. 106ff. |
| (8) | CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Kriminalität entschlossen bekämpfen - Innere Sicherheit stärken. Beschluß des 4. Parteitags 1993, S. 10f. |
| (9) | Ebd. |
| (10) | BT-Drucksache 13/6923 v. 4.2.97 |
| (11) | Beschlüsse des SPD-Parteitags in Wiesbaden, 16.-19.11.93, S. 10 |
| (12) | PDS Sachsen-Anhalt: Mehr öffentliche Sicherheit ohne Einschränkung von Grundrechten, 19.10.96, S. 3 |
| (13) | Schreiben des Referenten für Umweltpolitik der FDP-Bundestagsfraktion v. 30.10.1997 |
| (14) | Bayerischer Landtag, Drucksache 13/5413, S. 6 |
| (15) | SPD-Bundestagsfraktion, AG Umwelt, Naturschutz & Reaktorsicherheit, Pressemitteilung v. 18.12.96 |
| (16) | BT-Drucksache 13/6923 v. 4.2.97 |
| (17) | Schreiben v. 1.10.97 |
| (18) | Bayerischer Landtag, Drucksache 13/5413, S. 9 |
| (19) | Beschlüsse des SPD-Parteitags in Wiesbaden, 16.-19.11.93, S. 10f. |
| (20) | PDS Sachsen-Anhalt, Mehr öffentliche Sicherheit ohne Einschränkung von Grundrechten, 19.10.96, S. 3 |
| (21) | BT-Drucksache 13/6923 v. 4.2.97 |
| (22) | Bayerischer Landtag, Drucksache 13/5413, S. 9 |
| (23) | SPD-Bundestagsfraktion, AG Umwelt, Naturschutz & Reaktorsicherheit, Pressemitteilung v. 18.12.96 |
| (24) | Schreiben des Referenten für Umweltpolitik der FDP-Bundestagsfraktion v. 30.10.97 |
| (25) | Bündnis 90/Die Grünen, 10 Eckpunkte für ein alternatives Sicherheitskonzept, Bonn 23.7.97 |
| (26) | Schreiben des Referenten für Umweltpolitik der FDP-Bundestagsfraktion v. 30.10.97 |
| (27) | Ebd. |
| (28) | FDP, Beschluß des 45. ord. Bundesparteitags in Rostock, 3./5.6.94, S. 37f. |
| (29) | Schreiben der CDU-Bundesgeschäftsstelle v. 1.10.97 |
| (30) | Bündnis 90/Die Grünen, 10 Eckpunkte für ein alternatives Sicherheitskonzept, Bonn 23.7.97 |
| (31) | Schreiben der PDS-Bundestagsgruppe v. 31.10.97 |
| (32) | Schreiben des Referenten für Umweltpolitik der FDP-Bundestagsfraktion v. 30.10.97 |
| (33) | Bündnis 90/Die Grünen, 10 Eckpunkte für ein alternatives Sicherheitskonzept, Bonn 23.7.97 |
| (34) | die tageszeitung v. 9.9.97 |
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