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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 58 (3/97) |
Literatur zum Schwerpunkt | |
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Das zentrale Interesse an der 'Umweltpolizei' läßt
sich auf eine einfache Frage reduzieren: Welchen Beitrag
leistet sie zur Lösung von Umweltproblemen? Will
man sich einer Antwort auf diese Frage nähern,
so muß neben der täglichen umweltpolizeilichen
Praxis zweierlei mitbetrachtet werden: Zum einen ist
nach den Möglichkeiten der Umweltpolizei zu fragen;
vordergründig - und kennzeichnend für die
deutsche Diskussuion - ist das eine Frage des Rechts,
genauer des Umweltstrafrechts. Denn erst die mit Strafe
bedrohten, verschiedene Umweltmedien schädigenden
Verhaltensweisen geben den Raum vor, in dem die Umweltpolizei
- jenseits der subsidiären Gefahrenabwehr bei
'Gefahr im Verzuge' - überhaupt tätig werden
darf. Der rechtliche Rahmen umweltpolizeilichen Handelns
bildet die eine Seite, die andere besteht in der Gesamtsumme
der Umweltschädigungen und deren Verhältnis
zu dem, was polizeilich als Umweltkriminalität
in Erscheinung tritt. Rechtliche Grundlagen, die Relation
von Umweltbelastungen und -kriminalität sowie
Organisations- und Handlungsformen der Umweltpolizei
werden in der Literatur häufig gemeinsam behandelt.
Zur ersten Orientierung über die Debatte bietet
sich eine Bibliographie an.
Liebl, Karlhans: Umweltkriminalität (Bibliographien
zur Rechts- und Sozialwissenschaft Bd. 3), Pfaffenweiler
1994
Hümbs-Krusche, Margret/Krusche, Matthias: Die strafrechtliche Erfassung von Umweltbelastungen - Strafrecht als ultima ratio der Umweltpolitik? Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1982 In der juristischen Dissertation wurden mehr als 1.700 Strafakten aus Umweltschutzverfahren ausgewertet. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß als "Umweltkriminalität" vor allem Bagatellverstöße erfaßt und sanktioniert werden. Zwar lag der Erhebungszeitraum (1976-79) vor der Übernahme der Umweltdelikte in das Strafgesetzbuch, da die Strafnormen selbst jedoch kaum verändert wurden, galt dieses Fazit auch für die Zeit nach 1980.
Rüther, Werner: Ursachen für den Anstieg polizeilich festgestellter Umweltschutzdelikte (Berichte des Umweltbundesamtes 2/86), Berlin 1986 Eine deutliche Bestätigung des Bagatellcharakters der Umweltkriminalität liefert diese im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie. Ebenfalls fußend auf Aktenauswertungen, der Analyse verschiedener Statistiken und Experteninterviews weist Rüther darüber hinaus nach, daß die enormen Steigerungsraten der registrierten Umweltdelikte Folge des gewandelten Kontrollverhaltens sind. Zwar habe sich auch das Umweltbewußtsein und damit das Anzeigeverhalten der Bevölkerung verbessert, aber die Polizei sei "die wesentliche, kriminalisierende Filter- und Selektionsinstanz". Registrierte Umweltkriminalität korreliere "eindeutig (...) mit polizeilichen Kontrollstrukturen und -stilen".
Schulze, Günter/Lotz, Heinrich (Hg.): Polizei und Umwelt (2 Bde.) (BKA-Schriftenreihe Bd. 54 und 55), Wiesbaden 1986 und 1987 Die beiden Bände stellen erste zusammenfassende Bemühungen von Polizeiseite dar, einen Überblick über den rechtlichen Rahmen, das Lagebild und die Bekämpfungsmöglichkeiten von Umweltkriminalität zu geben.
Mohr, Karl-Ludwig: Das Lagebild der Umweltkriminalität, in: Die Polizei 83. Jg., 1992, H. 4, S. 80-88 Anhand der Auswertung unterschiedlicher Statistiken lassen sich Ausmaß und Schwere erfaßter und sanktionierter Umweltkriminalität ablesen: Von 1973 bis 1989 lag die Aufklärungsquote bei Umweltdelikten bei drei Viertel; in nur 25% der Fälle kam es zu einer Anklage, und nur die Hälfte der Anklagen führte zu einer Verurteilung - in der Regel zu Geldstrafen. Die selten verhängten Freiheitsstrafen wurden regelmäßig zur Bewährung ausgesetzt.
Wittkämper, Gerhard W./Wulff-Nienhüser, Marianne: Umweltkriminalität - heute und morgen (BKA-Forschungsreihe Bd. 20), Wiesbaden 1987 Statt harter Fakten über die Strafverfolgungswirklichkeit bei Umweltdelikten liefert diese vom Bundeskriminalamt in Auftrag gegebene Studie 'Einschätzungen'. 100 Experten aus Industrie, Medien und Behörden sowie weitere 200 (Umweltschutz-)Mitarbeiter aus der Industrie wurden nach ihrer Meinung zur Umweltkriminalität befragt. Bereits wegen des methodischen Ansatzes hat die Untersuchung nur geringen Wert. In ihren rechtlichen Empfehlungen bleibt sie vage; sie favorisiert Bewußtseinsbildung durch Erziehung, auch eine Reform der Umweltdelikte müsse die "publizistische Zielsetzung" im Auge behalten. Für die Polizei wird die weitere Bildung von Facheinheiten für Umweltdelikte vorgeschlagen. Die Untersuchung diagnostiziert darüber hinaus "eine weitere Konzentration der vorsätzlichen Begehungsformen hin auf das nationale und transnationale organisierte Verbrechen".
Daß Polizei und Strafjustiz sich nur mit den 'kleinen Fischen' befassen, wird häufig auf die Besonderheiten des Umweltstrafrechts zurückgeführt. Die Stichworte Amtsträgerdelikte, Anzeigepflicht, betriebliche Verursacher und vor allem Verwaltungsakzessorietät bezeichnen die zentralen Kritikpunkte, die bei der schließlich 1994 erfolgten Novellierung des Umweltstrafrechts eine Rolle spielten. Exemplarisch für die Diskussion sei auf einige Positionen verwiesen:
Rüther, Werner: 'Immanente' oder 'radikale' Reform
des Umweltstrafrechts, in: Kritische Vierteljahresschrift
für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV)
76. Jg., 1993, H. 2, S. 227-246
Schmidt, Andreas/Schöne, Thomas: Das neue Umweltstrafrecht, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 47. Jg., 1994, H. 39, S. 2514-2519 Der Beitrag, der "den Willen des Gesetzgebers in den Vordergrund" stellt, gibt die herrschende juristische Lehre wieder. Demnach habe die Bundesrepublik durch die Novellierung "ein deutlich verschärftes Umweltstrafrecht, ohne ihren Wirtschaftsstandort zu gefährden". Es sei "ein gangbarer Kompromiß für alle Seiten" gefunden worden.
Rügemer, Werner: Novellierung des Umweltstrafrechts: ineffektiv - demagogisch - folgenlos, in: Deutsche Polizei 43. Jg., 1994, Nr. 9, S. 6-10 Der Titel des Beitrags sagt bereits alles. Kritisiert wird vor allem, daß Haftungsfragen ausgeklammert blieben, dem "Bußgeld-Ablaß" nicht entgegengewirkt werde und auf einen gesonderten Straftatbestand für die Mitarbeiter von Genehmingungs- und Aufsichtsbehörden verzichtet wurde.
Müller-Tuckfeld, Jens-Christian: Traktat für die Abschaffung des Umweltstrafrechts, in: Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. (Hg.): Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, Frankfurt/M. u.a. 1994, S. 461-481 Müller-Tuckfeld fordert mehr als die 'radikale' Reform des Umweltstrafrechts, er fordert - wie der 15. Strafverteidigertag 1991 - dessen Abschaffung. Nach Ansicht des Autors leistet die 'Reform' von 1994 nicht mehr als "more of the same": Erhöhte Strafandrohungen, neue Straftatbestände, Schließung von Strafbarkeitslücken. Die strukturellen Probleme des Umweltstrafrechts blieben unberührt. Insbesondere durch die Verwaltungsakzessorietät, dem Grundsatz, nach dem verwaltungsrechtlich erlaubtes Handeln keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, würden die größten Umweltbelastungen legalisiert. Überzeugend wird argumentiert, daß nicht das Fehlverhalten einzelner, sondern "systemische Probleme" industrieller Gesellschaften Umweltbelastungen produzieren. Das Umweltstrafrecht sei aber nicht nur unwirksam, sondern auch politisch gefährlich. Denn indem es der Öffentlichkeit vorspiele, die Umwelt zu schützen, verhindere es eine "konsequente Umweltpolitik, die radikal in Produktionsprozesse eingreifen müßte".
Die rechtlichen Rahmenbedingungen lassen keine Aussagen über das Ausmaß, die Eigenarten und die Schwierigkeiten umweltpolizeilicher Ermittlungen zu. Ein erster Einblick in Umweltermittlungen erlauben Aus- und Fortbildungsliteratur:
Matussek, Hans (Hg.): Bekämpfungsmöglichkeiten
in der Umweltkriminalität und die Aus- und Fortbildungskonzeptionen
der Polizeien des Bundes und der Länder (Publikationen
der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege
Berlin, Kriminalwissenschaften Bd. 53), Berlin 1985
Klumbies, Martin: Polizei und Umweltschutz, Hilden 1986 Kennzeichnend für die Situation Mitte der 80er Jahre, als 'Umweltschutz' als polizeilicher Tätigkeitsbereich erkannt wurde, ist diese Veröffentlichung. Sie ist an PolizistInnen adressiert, die sich mit Umweltdelikten befassen. Neben den allgemeinen Grundlagen des Umweltschutzes und den Fragen der Beweis- und Eigensicherung machen die Ausführungen über die Ermittlungen nur einen kleinen Teil des Textes aus. Dabei wird z.B. die Verdachtschöpfung auf einer halben Seite abgehandelt. Grundlegende Probleme werden ausgeklammert. Etwa wenn gleichzeitig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Polizei und Umweltbehörden und die Strafverfolgungspflicht der Polizei betont wird.
UNESCO-Verbindungsstelle für Umwelterziehung im Umweltbundesamt (Hg.): Fortbildung zum Thema Ökologie/Umweltschutz. Lehrgangsmaterialien für die Polizei (4 Bde.), Berlin 1990 Naturgemäß überwiegen in den Bänden die naturwissenschaftlich-ökologischen Aspekte des Themas. Die einzelnen "Bausteine" sind an den verschiedenen Umweltmedien orientiert: Gewässer, Luft, Abfall, Strahlung, Lärm, Landschaft. In einer sehr kurzen Einführung des ersten Bandes wird die Empirie der Umweltdelikte und die Aufgabe der Umweltpolizei skizziert. Im vierten Band werden die "kriminalistischen Möglichkeiten und Grenzen" der Verdachtschöpfung auf 50 Seiten dargestellt. Die Spannungen zwischen Umweltverwaltungen und Polizei sollen durch Kooperation abgebaut werden. Möglichkeiten der Verdachtsgewinnung für einzelne Deliktsformen werden vorgestellt. Sie reichen von der Medienauswertung über die Auswertung ökologischer Schadensbilder bis zur Einsicht in Unterlagen der Genehmigungsbehörden.
Kühne, Hans-Heiner/Görgen, Thomas: Die polizeiliche Bearbeitung von Umweltdelikten (BKA-Forschungsreihe Bd. 23), Wiesbaden 1991 Risch, Hedwig: Polizeiliche Praxis bei der Bearbeitung von Umweltkriminalität (Berichte des Kriminalistischen Instituts), Wiesbaden 1992 Die von Kühne/Görgen im Auftrag des Bundeskriminalamtes in den Jahren 1987-90 entstandene Arbeit liefert interessante Einblicke in die Realität und Probleme umweltpolizeilicher Ermittlungen. (Die Veröffentlichung von Risch faßt die wichtigsten Ergebnisse auf knapp 50 Seiten zusammen.) Mittels verschiedener Methoden (im Zentrum: Aktenanalyse und schriftliche Polizeibefragung in 10 Bundesländern - für Bayern fehlte die ministerielle Zustimmung) wird eine umfassende Bestandsaufnahme umweltpolizeilicher Praxis vorgelegt. Unter rechtlichen Gesichtspunkten kommen die Autoren zu dem Ergebnis, daß sich "die Umweltschutzbehörden, die Polizei und die Staatsanwälte (...) in wesentlichen Teilen ihrer Tätigkeit in der Illegalität" bewegen und "sich dabei darauf (berufen,) der Umwelt zu dienen": Die Umweltschutzbehörden entzögen sich der Kooperation mit der Polizei, die Polizei praktiziere nicht zulässige Initiativermittlungen, und die Staatsanwaltschaft drohe mit Anklageerhebung, um kurzfristige Verhaltensänderungen zu erreichen. Die Gründe für diese Entwicklung werden in der Doppelzüngigkeit des Gesetzgebers gesehen, der das Umweltstrafrecht unter ökologischen Motiven anpreise, aber in Wirklichkeit nur Verwaltungsungehorsam unter Strafe stelle. In den abschließenden vier Varianten, wie auf diese Situation reagiert werden sollte, plädieren die Autoren überraschenderweise dafür, die gegenwärtige Konstellation beizubehalten: Die Rechtsunsicherheit wirke für die Umweltverwaltungen als eine besondere "ökologische Zusatzmotivation". Erhöhe man die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei durch verbesserte Ausbildung und Ausrüstung, so die rechtlich bedenkliche und sachlich wenig überzeugende Argumentation, dann "wären mit großer Sicherheit weitergehende Erfolge festzustellen. Die Umweltverwaltung würde noch vorsichtiger agieren, und der Druck von Polizei und Staatsanwaltschaft auf gewerbliche und industrielle Verschmutzer würde sich verstärken."
Leffler, Norbert: Zur polizeilichen Praxis der Entdeckung und Definition von Umweltstrafsachen, Bonn 1993 Im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts an der Universität Bonn hat der Autor die Umweltpolizei in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1989-90 untersucht. Die Ergebnisse früherer Studien (geringe Anzeigebereitschaft der Umweltbehörden, Bagatellcharakter der bearbeiteten Delikte) werden bestätigt. Die deliktische 'Schieflage' (kleinere, aber sichtbare Delikte im privaten Bereich werden häufiger verfolgt) führt der Autor auch auf konzeptionelle und organisatorische Mängel bei der Polizei zurück. Er fordert deshalb die Einrichtung von polizeilichen Zentralstellen für Umweltermittlungen, den Einsatz operativer Methoden, um die opferlosen Umweltdelikte besser aufspüren zu können, ein umfassendes polizeiliches Verfolgungskonzept auf der Grundlage von Lagebildern sowie den möglichst direkten und dauerhaften Kontakt mit den Umweltbehörden. Derart mögen vielleicht die Probleme der Umweltpolizei, aber wohl kaum die der Umweltzerstörung verringert werden.
Böttcher, Ottmar: Bekämpfung der Umweltkriminalität in Hessen, in: Der Kriminalist 25. Jg., 1993, H. 9, S. 352-369 Wagner, Norbert: Die Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Umweltdelikten aus polizeipraktischer Sicht, in: Die Polizei 87. Jg., 1996, H. 9, S. 225-230 Die beiden Aufsätze, verfaßt von den Leitern der Umweltpolizeien in Frankfurt/M. und Köln, geben exemplarische Einblicke in die Tätigkeiten von großstädtischen Umweltpolizeien. Für die hessische Darstellung sind zwei Aspekte bemerkenswert: Zum einen der Umstand, daß aufgrund politischer Entscheidungen eine Ermittlungseinheit für Umweltdelikte geschaffen wurde, die zunächst ohne Fälle dastand. Und zum anderen, wie es dieser Einheit mit Hilfe von "Initiativermittlungen" gelang, sich selbst und andere mit Arbeit zu versorgen. In der Darstellung von Wagner werden die praktischen Implikationen der drei "Knackpunkte" umweltpolizeilichen Handelns ("Kooperationsprinzip, Verwaltungsrechtsakzessorietät sowie Legalitätsprinzip") besonders deutlich.
Hoch, Hans J.: Die Rechtswirklichkeit des Umweltstrafrechts aus der Sicht von Umweltverwaltung und Strafverfolgung (Kriminologische Forschungsberichte aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Bd. 68), Freiburg 1994 Lutterer, Wolfram/ Hoch, Hans J.: Rechtliche Steuerung im Umweltbereich ((Kriminologische Forschungsberichte aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Bd. 69), Freiburg 1997 Die beiden Veröffentlichungen resultieren aus umfassenden Erhebungen zur Implementation des strafrechtlichen Umweltschutzes, die bereits in der ersten Häfte der 80er Jahre begannen. In dem 1994 erschienenen Band wird das Vorhaben insgesamt dargestellt, und die Ergebnisse der schriftlichen Expertenbefragung werden präsentiert. 1983-84 wurden 1.921 Experten aus den Umweltverwaltungen, der Staatsanwaltschaften und der Polizei nach ihren Erfahrungen (und Bewertungen) schriftlich befragt. Aufgrund der Antworten wird festgestellt, daß das Umweltstrafrecht grundsätzlich von den Rechtsanwendern akzeptiert wird, sie ihm im Vergleich zu Umwelterziehung und -information jedoch nachgeordnete Bedeutung zumessen. Nach Ansicht der Befragten muß die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgung und Umweltbehörden verbessert werden; die Rechtskenntnis bei den Normadressaten müsse verbessert, das Personal der Umweltbehörden aufgestockt und die Rechtsfortbildung müsse auf europäischer Ebene ausgebaut werden. Die Studie präsentiert viele Fakten umweltpolizeilicher Realitäten, zu denen auch die Sichtweisen der kontrollierenden Akteure gehören. Schade ist, daß die Interpretation der gewonnenen Daten die Perspektive der Befragten kaum verläßt. Statt eindeutigeren Strafnormen oder deren strengerer Durchsetzung setzt Hoch auf "fortsetzende Assimilierungsprozesse sowohl im Normanwendungs- wie im Normadressatenbereich". Nicht der repressive, sondern der präventive Erfolg der Strafbestimmungen sei ausschlaggebend. Damit aber, so die Schlußfolgerung, sei vor allem der Normadressat, also der potentielle Umweltverschmutzer gefragt, denn er müsse die präventive Botschaft in Verhalten umsetzen. Daß für die industriellen Verschmutzer qua verwaltungsrechtlicher Erlaubnis überhaupt keine Botschaft besteht, wird hier leichten Herzens unterschlagen. Auch der Hinweis auf das Erziehungs- und Bildungssystem, das vor dem Strafrecht zum Zuge kommen müsse, beleuchtet den Bezugsrahmen der Untersuchung: Umweltgefahren resultieren aus den Handlungen einzelner und nicht aus den Strukturen industrieller Produktionsweisen.
Bei der gemeinsam mit Lutterer erstellten Untersuchung
handelt es sich um eine (Re-)Analyse von Akten aus
Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, die 1983-84
erhoben wurden. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt,
inwiefern sich beide unterscheiden (hinsichtlich Schwere,
Ausgang der Verfahren, Erledigungsformen) und ob sie
miteinander harmonieren. Die Autoren stellen eine unsystematische
Selektivität bei den Kontrollinstanzen fest und
plädieren für eine "systematische Strafverfolgung",
die sich auf die schwerwiegenden Fälle der Umweltkriminalität
beschränken müsse. Strafrechtlich könne
den Problemen betrieblich verursachter Umweltschäden
durch die Einführung eines Verbandsstrafrechts
beigekommen werden; so könnte die generalpräventive
Wirkung des Strafrechts erhöht werden. Der naheliegende
Einwand, daß mit dem Verbandsstrafrecht wohl
die Probleme der Schuldzuweisung gelöst werden
könnten, aber nicht die der legalisierten 'Umweltvernutzung',
wird von den Autoren leider nicht aufgegriffen. Statt
dessen wird die "Dysfunktionalität des Umweltstrafrechts"
damit relativiert, daß "im allgemeinen politischen
und gesellschaftlichen Vorfeld eine Dysfunktionalität
hinsichtlich des Umgangs mit den natürlichen Ressourcen
besteht".
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Norbert Pütter ist Redaktionsmitglied und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP |
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1997 HTML-Auszeichnung: Martina Kant - 31.12.1997 |