Bürgerrechte & Polizei/CILIP 61 (3/98) | |
Redaktionelle Vorbemerkung | |
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von Heiner Busch | |
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Eine Zeitschrift wie Bürgerrechte & Polizei hat selten die Chance, ihren
Leserinnen und Lesern frohe Botschaften zu verkünden. Unser Publikum hat
sich daran gewöhnt, Nachrichten über den fortschreitenden Ausbau
polizeilicher Apparate, die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und den Abbau
von Betroffenenrechten entgegenzunehmen. Wir, die AutorInnen und Mitglieder der
Redaktion, können nur darauf hoffen, daß die LeserInnen diese
Entwicklungen nicht akzeptieren, sondern die hier veröffentlichten
Informationen dazu benutzen, informiert und radikal für die Sache der
Demokratie und der Grundrechte Partei zu ergreifen.
Die
Themen dieses Heftes, des zweiten in Folge zum Thema
Überwachungstechnologien, sind nicht dazu angetan, Freude und
optimistische Zukunftserwartungen aufkommen zu lassen. Wie auch: Internationale
Überwachungsnetze so dokumentiert Steve Wright
funktionieren ohne jegliche Kontrolle. Das gilt nicht nur für das vom
US-amerikanischen Geheimdienst NSA dominierte ECHELON, sondern auch für
die gemeinsamen Überwachungspläne der EU und der USA, die sich
vorwiegend auf die polizeiliche Kontrolle der Telekommunikation beziehen.
Mindestens ebenso düster sind die Aussichten für den lokalen Bereich,
etwa was die Nutzung von Video-Überwachungsanlagen betrifft, deren
flächendeckender Einsatz in Stadtzentren Großbritanniens von Clive
Norris und Gary Armstrong beschrieben wird.
Der
Blick über den deutschen Tellerrand gibt zwar keinen Anlaß zu
Optimismus, vermittelt aber einiges an Klarheit über den Charakter der
hier verhandelten technischen Mittel und Methoden. Erstens: Vor dem
überwachenden Staat und seinen privaten Helfern sind keineswegs alle
gleich. Männlich, arm, schwarz, jung das ist das Raster, dem die
Operateure an den Videobildschirmen städtischer Behörden und
Polizeien in Großbritannien folgen. Neue Techniken der Überwachung
werden so David Banisar in den USA zunächst an Gruppen
getestet, die über keine politische Lobby, keine Beschwerdemacht,
verfügen.
Zweitens:
Auch 30 Jahre, nachdem Kommissar Computer seinen Dienst bei der Polizei antrat,
ist die Entwicklung polizeilicher Informations- und Kommunikationstechniken
noch keineswegs abgeschlossen. Der schnelle Aufstieg der DNA-Analytik vom
kostspieligen Einzelfall zur DNA-Datenbank siehe den Beitrag von Detlef
Nogala zeigt, daß die technische Entwicklung auch in der Polizei
und anderen Sicherheitsbereichen weiterhin sehr dynamisch
verläuft. Automation ist angesagt. Bilddatenbanken schienen wegen der
dafür erforderlichen Speicherkapazität noch vor zehn Jahren kaum
denkbar. Heute schaffen es Maschinen, Videobilder zu lesen und sie automatisch
mit den Informationen in einer solchen Datenbank abzugleichen. Das Ende des
Ost-West-Konfliktes ging mit einem Konversionsprozeß einher: Firmen, die
bisher für die militärische Rüstung produziert haben, beleben
nun den Markt, auf dem sich die Polizeien mit Elektronik für die innere
Rüstung versorgen.
Drittens:
Den gewachsenen Möglichkeiten der Überwachung haben die
Bürgerinnen und Bürger nur wenig entgegenzusetzen.
Datenschutzbestimmungen, wie sie in der BRD nunmehr in allen nur denkbaren
Sicherheitsgesetzen enthalten sind, fehlen in den USA und in
Großbritannien noch weitgehend. Daß unsere britischen und
amerikanischen Autoren solche Bestimmungen fordern, klingt in deutschen Ohren
etwas seltsam. Bestehen doch unsere Datenschutzbestimmungen zu einem
großen Teil aus dünner juristischer Luft. Das
Volkszählungsurteil, in dem das Bundesverfassungsgerichts vor genau 15
Jahren das Recht auf informationelle Selbstbestimmung proklamierte, ist heute
zu einem bloßen Besinnungsaufsatz degeneriert. Es hat eine breite Welle
der Verrechtlichung ausgelöst, mehr aber nicht. Auf europäischer
Ebene bietet sich ein ähnliches Bild. Die EU-Datenschutzrichtlinie gilt
nicht für den Sicherheitsbereich, die
Datenschutzbestimmungen in den diversen Konventionen in Sachen Polizei, Zoll,
Immigration und Asyl sind dagegen wortreiche Null-Lösungen.
Freudige
Nachrichten können wir leider auch außerhalb unseres Schwerpunktes
nicht melden. Zwar haben die WählerInnen am 27. September nach 16 Jahren
die konservative Regierung nach Hause geschickt. Sie mögen einen
Politikwechsel gewollt haben, auf dem Gebiet der Inneren
Sicherheit ist bisher aber nur ein Personenwechsel zu erkennen. Der
einzige Lichtblick ist die bevorstehende Reform des
Staatsbürgerschaftsrechts und auch hier sind die Reformpläne der
neuen Regierung zurückhaltend. Die Macht der Polizeien des Bundes, mit
denen wir uns im nächsten CILIP-Schwerpunkt beschäftigen, wird
dagegen genausowenig angetastet, wie die unter der vorherigen Koalition
eingeführten Befugnisse zur Überwachung privater Räume. Die
öffentlichen Äußerungen des neuen Innenministers machen ihn zu
einem prominenten Kandidaten für die Verleihung eines deutschen
Big-Brother-Awards. Vielleicht haben wir wenigstens dann etwas zu lachen.
Heiner
Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
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