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Eurodac per Verordnung
Die Pläne für die Fingerabdruckdatenbank Eurodac sind - kurzfristig
- auf Eis gelegt. Dies erklärte ein hoher Mitarbeiter des
Bundesinnenministeriums auf einer Tagung der
Grünen-Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht am 23. Januar
1999 in Hannover. Über die inhaltlichen Fragen des Informationssystems war
in den Gremien der 3. Säule bereits im März 1998 Einigung
erzielt worden. Auf Druck Deutschlands und Österreichs sollen in Eurodac
nicht nur die Fingerabdrücke von Asylsuchenden, sondern auch von
illegalen Einwanderern gespeichert werden. Ziel der Datenbank, für die
die rechtlichen und politischen Planungen schon seit Anfang des Jahrzehnts
laufen, war es zunächst nur, Doppel- und Nachfolgeanträge auf Asyl
(Asylmißbrauch) zu verhindern. Eurodac wäre das technische
Instrument für die Umsetzung des 1990 geschlossenen Dubliner
Erstasylabkommens geworden, dessen Ratifizierung sich über Jahre
hinzog.
Die Entscheidung, Eurodac vorerst zurückzustellen, ist keineswegs darauf
zurückzuführen, daß die zuständigen Ministerien der
EU-Staaten ihre Abschottungspolitik aufgegeben hätten. Abgewartet wird
nur, bis der Amsterdamer Vertrag in Kraft tritt, was voraussichtlich im Juni
oder Juli der Fall sein wird. Mit dem neuen Vertragswerk wandert die Asyl- und
Migrationspolitik von der dritten Säule der EU in die erste. Dies hat im
wesentlichen Auswirkungen auf die Rechtsform der zukünftigen
EU-Asylpolitik. In der 3. Säule mußten bisher vor allem
völkerrechtliche Verträge entstehen, die nach der Unterzeichnung
durch die nationalen Parlamente zu ratifizieren waren. Nur dort, wo man sich
auf dem Boden bereits bestehender Abkommen oder innerstaatlichen Rechts
bewegte, waren Gemeinsame Maßnahmen möglich, die die MinisterInnen
im Alleingang beschließen konnten. Mit der in Amsterdam vereinbarten
Vergemeinschaftung entstehen nun, wie im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaft, der 1. Säule, Verordnungen und Richtlinien. Allerdings
unterscheidet sich das Verfahren für die Asyl- und Einwanderungspolitik in
den ersten fünf Jahren ganz wesentlich von dem sonst in der
1. Säule üblichen. Das Europäische Parlament (EP) hat
weiterhin keine Mitentscheidungsrechte, sondern wird nach Art. 67 des
EG-Vertrags nur angehört. Während das EP keine Rechte hinzugewinnt,
verlieren die nationalen Parlamente ihre bisherigen Möglichkeiten.
EG-Verordnungen haben unmittelbare Gültigkeit in den Mitgliedstaaten. Der
langwierige Ratifizierungsprozeß für völkerrechtliche
Verträge entfällt. Die erwartete Beschleunigung ist der Grund
für die kurze Pause in Sachen Eurodac.
Schengen und Amsterdam
Gemäß dem zum Amsterdamer Vertrag gehörenden Schengen-Protokoll
soll die bisherige multilaterale Zusammenarbeit der Schengen-Gruppe in
die EU-Strukturen überführt werden. Dabei wird nicht nur das
bestehende Schengen-Sekretariat in das des Rates eingegliedert. Entsprechend
der im Amsterdamer Vertrag vorgesehenen Aufteilung der justiz- und innenpolitischen
Zusammenarbeit auf die erste Säule einerseits - Asyl, Migration,
Außengrenzen, Zusammenarbeit im Zivilrecht - und auf die dritte
andererseits - Polizei, quasi-polizeiliche Tätigkeiten der Zollbehörden,
Strafrecht - soll auch die Schengen-Kooperation gesplittet werden. Zugeordnet
werden nicht nur die Schengener Abkommen von 1985 und 1990, sondern auch
die seit 1993 getroffenen Beschlüsse des Schengener Exekutivausschusses.
Bei letzteren handelt es sich nur scheinbar um belanglose Ausführungsvorschriften.
Mit den diversen Handbüchern (zum Schengener Informationssystem (SIS),
zu den SIRENE-Einheiten, zu kontrollierten Drogenlieferungen, zur grenzüberschreitenden
polizeilichen Zusammenarbeit mit und ohne Ersuchen etc.) hat der Exekutivausschuß
in den vergangenen Jahren zentrale Festlegungen praktischer Art getroffen,
die nun ohne weitere Debatte in den Besitzstand, den Acquis, der EU
überführt werden.
Die entsprechenden Beschlüsse will die derzeitige deutsche Ratspräsidentschaft
bis Mai über die Bühne gebracht haben. Probleme gibt es u.a.
bei der Zuordnung des SIS. Dieses enthält nämlich nicht nur
Daten über gesuchte StraftäterInnen und polizeiliche Beobachtungen,
welche der 3. Säule zuzurechnen wären, sondern vor allem
Informationen über abzuschiebende DrittausländerInnen, die
in die 1. Säule gehören würden. Laut eines Papiers
des Ausschusses für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten des
EP[1] hat die EU-Kommission vorgeschlagen,
für das SIS eine eigene Agentur zu gründen, eine Variante,
der aber offensichtlich nicht alle Schengen-Staaten zustimmen wollen.
Die Zuordnungsbeschlüsse müssen von den 13 EU-Staaten, die bisher
schon der Schengen-Gruppe angehören, einstimmig getroffen werden.
Sofern dies nicht gelingt, gilt der Schengen-Acquis als Teil der 3. Säule.
Damit bestünde in der Asyl- und Einwanderungspolitik weiterhin eine
Doppelstruktur.
Mit dem Schengen-Protokoll haben auch die Nicht-Schengen-, aber EU-Mitglieder
Großbritannien und Irland die Chance, sich in die Schengen-Kooperation
insgesamt oder auch nur in Teile davon einzuklinken. Beide Staaten, so
hieß es auf der Ratstagung am 12.3.1999, wollen den ganzen Schengen-Acquis
übernehmen - mit einer Ausnahme: Der Abschaffung der Kontrollen an
den Binnengrenzen. Dem förmlichen Anlaß des Schengener Abkommens,
wollen Großbritannien und Irland weiterhin nicht zustimmen.
Europol: Geschäftsordnung der Kontrollinstanz
Die Europol-Konvention ist zwar im Oktober 1998 in Kraft getreten. Dennoch
konnte sie bisher nicht angewendet werden. Das Haager Amt arbeitet nach
wie vor als Europol-Drogen-Einheit, darf also die eigenen Computersysteme
noch nicht gebrauchen. Grund hierfür ist ein Streit zwischen den
Regierungen der BRD und Frankreichs über die Geschäftsordnung
der Gemeinsamen Kontrollinstanz, die vorab vom Rat einstimmig gebilligt
werden muß. Die nationalen Datenschutzbeauftragten, die jeweils
mit zwei Personen in der Kontrollinstanz vertreten sind, hatten sich im
November 1998 auf einen Entwurf geeinigt.[2]
Das darin vorgesehene Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß der Kontrollinstanz
- so befürchtet die französische Regierung - könnte die
Geheimhaltung von Europol-Daten aufweichen. Laut Entwurf sollten die mündlichen
Verhandlungen des Ausschusses grundsätzlich öffentlich sein,
die Betroffenen und ihre AnwältInnen Zugang zu den Akten des Beschwerdeverfahrens
erhalten und an Ortsterminen bei Europol teilnehmen können. Selbst
der Entwurf der Datenschutzbeauftragten sah bei diesen hehren Grundsätzen
weitreichende Ausnahmen vor. Europol oder ein Mitgliedstaat hätte
im jeweiligen Falle zwingende Gründe für eine Geheimhaltung
vorbringen können. Gegen ein solches Veto sollten dem Ausschuß
selbst nur geringe und den Betroffenen gar keine Möglichkeiten zustehen.
Die zwingenden Gründen ergeben sich aus jenen Kriterien, mit denen
nach Art. 19 der Europol-Konvention auch ein Auskunftsersuchen von
Betroffenen abgelehnt werden kann: die ordnungsgemäße Erfüllung
der Aufgaben von Europol sowie der Schutz der Sicherheit der Mitgliedstaaten,
(der) öffentlichen Ordnung oder (der) Bekämpfung von Straftaten.
Ein von Arbeitsgruppen ausgearbeiteter Kompromiß[3] sieht neben leichten Änderungen des Entwurfs vor, daß
der Rat und die Kontrollinstanz in Erklärungen, die der Geschäftsordnung
beigefügt werden, die Ausnahmen noch deutlicher hervorheben. Der
Rat hat am 12.3.1999 laut Presseerklärung Fortschritte erzielt.
Der Ausschuß der ständigen Vertreter soll bis zur nächsten
Ratstagung im Mai einen Beschluß vorbereiten.
Hochrangige Gruppe Asyl und Einwanderung
Dies ist der Name einer neuen Arbeitsgruppe, die der Rat am 8./9.12.1998
eingesetzt hat. Auf die Gruppe gehen diverse Aktionspläne zur Bekämpfung
von Fluchtursachen zurück, mit denen Druck auf die Herkunftsstaaten
von Flüchtlingen ausgeübt werden soll. Danach wird die EU in
folgenden Ländern bzw. Regionen aktiv: Marokko, Afghanistan/Pakistan,
Somalia, Albanien und Nachbarland (i.e. Kosovo), Sri Lanka. Der
bereits im Januar 1998 vom Rat angenommene Plan zu Irak und Nachbarregionen
soll fortgeführt werden. Er dient denn auch als Muster für die
fünf neuen Regionen: Von einer Bekämpfung von Fluchtursachen
im eigentlichen Sinne, also von dem Versuch, politischen Druck auf Staaten
auszuüben, die in gravierender Weise die Menschenrechte verletzen,
konnte dabei nicht die Rede sein. Vielmehr erhielt die Nachbarregion,
die Türkei, finanzielle Unterstützung, um durch die Errichtung
von Flüchtlingslagern einerseits und die Verstärkung von Grenzkontrollen
andererseits dafür zu sorgen, daß nicht weiterhin kurdische
Flüchtlinge aus dem Irak Sicherheit in den EU-Staaten suchten. Die
Fortführung dieses Plans nach der Entführung Öcalans und
dem Beginn einer neuerlichen Repressionswelle in der Türkei zeigt
die Absurdität der Begründung.
Die Hochrangige Gruppe soll dem Rat bis Oktober einen Schlußbericht
vorlegen, der Gegenstand des Sondergipfels der EU-Staats- und Regierungschefs
im finnischen Tampere am 15./16.10.1999 sein soll. Bisher wurden weder
das Europäische noch die nationalen Parlamente konsultiert.
(Heiner Busch)
[1]Mitteilung an die Mitglieder Nr. 20/98 v.
13.11.98 - PE 228.966
[2] Ratsdok. 12402/98 Europol 112
[3] Ratsdok. 12682/1/98 Rev. 1 Europol 116
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