Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63 (2/1999) |
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Frauen und polizeiliche JugendarbeitVon der Weiblichen Kriminalpolizei zur männlichen Jugendsachbearbeitung |
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von Dunja Rother |
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Die Weibliche Polizei und die Weibliche Kriminalpolizei bildeten die Anfänge der polizeilichen Jugendarbeit insgesamt. Heute ist der Frauenanteil in diesem polizeilichen Tätigkeitsbereich nur noch sehr gering. Das Geschlechterrollenstereotyp aber blieb. Anfang der 70er Jahre lag der Frauenanteil am Polizeipersonal der westeuropäischen Staaten zwischen 0,5 und 15%. Beförderungsmöglichkeiten bestanden für die Beamtinnen kaum. Führungspositionen waren fast ausschließlich von Männern besetzt. Die relativ wenigen Frauen in Führungspositionen waren meist Chefinnen anderer Frauen. Der Aufgabenkatalog von Polizei-/ Kriminalbeamtinnen war international relativ einheitlich. Sie befaßten sich schwerpunktmäßig mit gefährdeten und delinquierenden Kindern und Jugendlichen, mit Kindern und Frauen als Opfern von Straftaten sowie weiblichen hilflosen Personen.[1] Genau dies war auch der Tätigkeitsbereich der in den 20er Jahren entstandenen Weiblichen Kriminalpolizei (WKP), die bis in die 70er der einzige Bereich der Polizei war, zu dem Frauen in Deutschland Zugang hatten. Der Frauen bis heute unterstellte gute Umgang mit Kindern und Jugendlichen machte die Anfänge polizeilicher Jugendarbeit zur reinen Frauendomäne. WP und WKP von den 20er bis zu den 70er JahrenSeit dem ausgehenden 19. Jahrhundert war die Gefährdung und Verwahrlosung der Jugend zu einem politischen Thema avanciert. Kinder und Jugendliche fanden sich in den Gefängnissen neben Erwachsenen wieder und wurden zunächst auch von Strafjustiz und Polizei wie diese behandelt. Nach dem Vorbild der britischen Besatzungsmacht wurde in Köln erstmals am 1. Juli 1923 eine uniformierte Weibliche Polizei (WP) geschaffen.[2] Es handelte sich um eine Art Wohlfahrtspolizei, die sich in Streifengängen um gefährdet erscheinende Mädchen kümmern sollte. Ein Pendant für Jungen gab es nicht. Hintergrund für die Entstehung einer eigenen weiblichen Polizeieinheit, die sich ausschließlich um Mädchen kümmerte, waren die Versuche zur Reglementierung der Prostitution nach dem Ende des 1. Weltkrieges. Schon 1921 hatte die britische Besatzungsmacht eine Ordonnanz 83 zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten erlassen, aufgrund derer vermehrt Frauen und Mädchen des Herumtreibens verdächtigt wurden und wegen der niedrigen Verdachtsschwelle teilweise für längere Zeiten im Frauengewahrsam landeten. Die Bemühungen der WP wurden durch Polizeifürsorgerinnen (Sozialarbeiterinnen) unterstützt, die Verdächtige und Gefährdete betreuten. 1924 wurde zusätzlich ein Schutzheim für die in Schutzhaft genommenen Personen eingerichtet. Damit war eine dreigliedrige Organisation der Erfassung, Unterbringung und ersten Betreuung einschließlich ärztlicher Untersuchung entstanden, die sich als Frauenwohlfahrt einen Namen machte. Aus Kostengründen wurde die WP jedoch schon zwei Jahre später wieder abgeschafft. Die guten Erfahrungen mit diesem Modellprojekt führten dazu, daß die privaten und öffentlichen Fürsorgeeinrichtungen, die Frauenverbände und vor allem die weiblichen Landtagsabgeordneten aller Parteien geschlossen die Einrichtung einer weiblichen Polizei forderten. Mit Erlaß vom 20. Februar 1926 beauftragte das preußische Innenministerium die Polizeipräsidenten in Frankfurt/M., Berlin, Essen, Hannover, Köln und Magdeburg mit der Schaffung einer Weiblichen Kriminalpolizei (WKP). Die Länder Baden, Sachsen und Hamburg folgten mit ähnlichen Versuchen diesem Beispiel. Die WKP bearbeitete Anzeigen gegen Kinder und weibliche Minderjährige. Wie zuvor schon die WP-Beamtinnen gingen auch die der WKP Streife. Zu einem ihrer wesentlichen Aufgabenfelder wurde jedoch die Vernehmung kindlicher Zeugen, insbesondere bei Sittlichkeitsdelikten eine Tätigkeit, mit der die Polizei in die Kritik von Strafverteidigern und Öffentlichkeit geraten war. Versuche, diese Aufgabe auf die Richter abzuwälzen oder Fürsorgerinnen hinzuzuziehen, brachten keine wesentlichen Veränderungen. Die WKP, deren Beamtinnen sowohl fürsorgerisch als auch kriminalpolizeilich ausgebildet waren, schien hier eine Lösung zu bieten. WKP-Beamtinnen wurden in der Folge bei allen Strafverfahren eingeschaltet, in denen Kinder oder weibliche Jugendliche als Zeugen oder Verletzte vernommen werden mußten. Sie wirkten in Ermittlungsverfahren mit, bei der Erfassung Gefährdeter und der Einleitung erzieherischer und fürsorgerischer Maßnahmen. Wenn Betreuungsmaßnahmen notwendig wurden, fungierten sie zudem als Vermittlerinnen für die zuständigen Fürsorgeeinrichtungen. Der Zuständigkeitsbereich der WKP definierte sich durch ihre Klientel: nämlich Kinder beiderlei Geschlechts, aber nur weibliche Jugendliche und Minderjährige (im heutigen Sinne Heranwachsende von 18-21 Jahren). Jungen fielen nur bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres in ihre Zuständigkeit.[3] Die männlichen Jugendlichen wurden aus der Arbeit vollständig ausgeklammert. Zwar gab es Diskussionen über die Notwendigkeit, auch für sie eine entsprechende Stelle einzurichten, was aber durch den ausbrechenden Zweiten Weltkrieg vereitelt wurde. Zudem fehlten entsprechend ausgebildete Männer. Polizeiliche Jugendarbeit war damals also reine Kinder- und Mädchenarbeit. Noch in die Aufbauphase der WKP fiel die Machtübernahme der Nazis. Die nochbestehenden Polizeifürsorgestellen (Sozialarbeiterinnen) wurden 1934 aus Kostengründen aufgelöst. Die Fürsorgerinnen konnten sich bei der WKP bewerben. Mit der Zentralisierung der Polizei zwei Jahre später wurde die WKP ebenfalls neu organisiert. Jeder größeren Kripo-Dienststelle wurde reichseinheitlich eine WKP-Dienststelle zugeordnet. Gemäß Erlaß vom 24. November 1937 hatte die WKP nur kriminalpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Sie ist zwar ein Bindeglied zwischen der Polizei und den Einrichtungen der Fürsorge, leistet aber selbst keine Fürsorgearbeit.[4] WKP-Beamtinnen, mit sozialer Ausbildung als Grundlage, sollten im klassisch polizeilichem Sinne, also repressiv, eingesetzt werden. Erforschung der Ursachen der Gefährdung Jugendlicher und Aufzeigen von Bekämpfungsmöglichkeiten lautete das Ziel der 1939 im Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) aufgebauten Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität , die an das Referat WKP angegliedert wurde. Die rechtlichen Grundlagen der WKP-Tätigkeit waren die Vorbilder für entsprechende Regelungen nach dem Krieg. Die Jugendschutzverordnung von 1940 ist als Vorläuferin des Jugendschutzgesetzes von 1951 anzusehen.[5] Die PDV 382.1 über die Bearbeitung von Jugendsachen wies in ihrer alten bis 1988 gültigen Fassung eindeutige Parallelen zu den Richtlinien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen bei der Polizei auf, die als Kernstück der WKP-Arbeit galt. Nach dem Krieg mußte sich auch die WKP dem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Skepsis und Kritik erschwerten einen Neubeginn. Frauenverbände, die sich für die WKP einsetzten, hatten in den einzelnen Besatzungszonen unterschiedliche Erfolge. In Bayern, Württemberg, Baden und Rheinland-Pfalz blieb eine WKP bestehen. In der britischen Besatzungszone baute man wie 1921 in Köln wieder eine uniformierte WP auf. Eine WKP gab es in Nordrhein-Westfalen erst 1952 wieder. 1958 arbeiteten bundesweit 700 Beamtinnen in WKP-Dienststellen. Den wirtschaftlichen Aufschwung und den enormen Wandel der gesamten Gesellschaftsstruktur in den 60er Jahren überstand sie jedoch nicht. Aufgrund der schlechten Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten bot die WKP bald keinen Anreiz mehr. Die steigende Nachfrage nach Sozialarbeiterinnen kam nicht der WKP zugute. Die Ausbildung zur Sozialarbeiterin paßte sich den veränderten Erfordernissen an, und man honorierte sie entsprechend. Während Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen schon nach der Einstellung in die Besoldungsgruppe A 12 eingestuft wurden, unterlag die WKP dagegen den Laufbahnrichtlinien der Polizei, die nach einer Einstiegslaufbahn mit A 6 begann. Der fehlende finanzielle Anreiz ist einer der Gründe, weswegen der Nachwuchs für die WKP bald fast ganz ausblieb. Für die Krise der WKP sorgte allerdings nicht nur die Konkurrenz der Sozialarbeit. Reform oder Abschaffung?Seit ihrem Bestehen hatten es die WKP-Beamtinnen mit der Konkurrenzfurcht ihrer männlichen Kollegen zu tun, die häufig die Existenzberechtigung von Frauen in der Polizei generell anzweifelten. Die männlichen Vorurteile konnten sich u.a. aus der besoldungsmäßigen Bevorzugung der WKP-Beamtinnen aufgrund ihrer fürsorgerischen Vorausbildung speisen. Vor dem Hintergrund der Kriminalitätsdebatte und den damit in Zusammenhang stehenden Polizeireformdiskussionen der 60er Jahre erhielten die Forderungen nach einer Abschaffung der WKP neue Nahrung. Eine Debatte aus dem Jahre 1969 zeigt die Widersprüchlichkeit dieser Diskussion in einer Phase, die einen Umbruch für die Polizei insgesamt darstellt.[6] In einem Beitrag in Die Polizei argumentiert Günter Seidel, daß die Polizei sich aufgrund der steigenden Kriminalität zunehmend auf ihre eigentliche Aufgabe, die Repression, konzentrieren müsse. Diese Beschränkungen müßten auch bei der WKP zu einem Durchdenken ihres Auftrages führen. Aufgrund der Einstellungsvoraussetzungen (fürsorgerische Ausbildung) seien die Gedankengänge und auch die Arbeitsweise der WKP mehr fürsorgerisch als repressiv, obwohl sie nicht zu den Fürsorgeeinrichtungen hinzuzuzählen sei. Eine fürsorgerische Ausbildung sei in der Polizei verzichtbar. Da die Situation der Kriminalität nicht viel Spielraum lasse, habe auch die WKP ihre Kräfte auf die Verbrechensaufklärung zu konzentrieren. Seidels Konsequenz ist die Forderung nach einer Auflösung der WKP. Die WKP-Beamtinnen will er auf die sonstigen fachbezogenen Kriminalkommissariate verteilen, wo sie aber von vielen Arbeitsgebieten ausgeschlossen bleiben sollen. Die Anerkennung der männlichen Kollegen hänge von der Schnelligkeit ab, mit der die Beamtinnen WKP-Denkweisen ablegen, also sich den Männern anpassen. Kritisiert wird Seidel u.a. vom damaligen Herausgeber der Kriminalistik, Bernd Wehner, sowie vom Chef des niedersächsischen Landeskriminalamt Georg Schulz.[7] Seidel verschließe sich einem Stil der Polizeiarbeit, der sich der sozialen Veränderung und den neuen Bedürfnissen anpaßt. Wehner rügt insbesondere Seidels Einstellung psychologisch-pädagogischen Ansätzen gegenüber. In einer Zeit, in der Resozialisierung groß geschrieben werde, sei reine Fahndungstechnik überholt. Deutlich zeigt sich an dieser Diskussion, daß die Einschätzung der Effizienz der WKP in starkem Maße vom Frauenbild der Autoren und von ihrer Haltung zur Gleichberechtigung beeinflußt wurde. Die Frage einer Reform der WKP führte zu der grundsätzlichen Frage nach der Akzeptanz von Frauen im Polizeidienst. Durch die Neuorganisation der Kriminalpolizei in den 70er Jahren wurden die WKP-Dienststellen weitgehend aufgelöst. Die Beamtinnen wurden in die Fachkommissariate integriert. Die Sachbearbeitung orientierte sich ab dann nicht mehr am Täter, sondern allein am Delikt. Während Frauen bei der Kripo nach dieser Integration akzeptiert oder besser: geduldet wurden, entbrannte in den 70ern die Diskussion über Frauen als Schutzpolizistinnen. Dabei wurde argumentiert, daß Frauen wegen fehlender Körperkraft, zu geringer psychischer Belastbarkeit und familiärer Ausfallzeiten grundsätzlich für den Polizeidienst, insbesondere den schutzpolizeilichen, nicht geeignet seien. Die Widerstände und Vorurteile gegen Frauen im Polizeidienst konnten erst Jahre später überwunden werden, als man erkannte, daß man den Einsatz von Frauen bei der Schutzpolizei zur Verbesserung des Bildes der (männlichen) Polizei in der Öffentlichkeit nutzen konnte. Aufgrund eines geringeren Aggressionspotentials könne eine Beamtin bei Festnahmen deeskalierend wirken und so eine größere Akzeptanz gegenüber polizeilichem Handeln erreicht werden. Als erstes Bundesland setzte Berlin 1978 Frauen in der Schutzpolizei ein. Danach folgten 1979 Hamburg, 1981 Niedersachsen und Hessen, 1982 Nordrhein-Westfalen, 1986 das Saarland und Schleswig Holstein, 1987 Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz. Bayern zögerte bis Anfang 1990 mit der Einstellung von Schutzpolizeibeamtinnen.[8] Frauenanteil in der polizeilichen Jugendarbeit heuteDurch eine Umfrage vom September 1998 konnte ein Überblick über die zur Zeit praktizierte Bearbeitungsform von polizeilicher Jugendarbeit geschaffen werden. Angeschrieben wurden die Polizeipräsidien bzw. -direktionen aller deutschen Städte über 200.000 Einwohner sowie der Landeshauptstädte. Von den insgesamt 44 versandten Fragebögen wurden nur zwei nicht beantwortet. Gefragt wurde u.a. nach dem Frauenanteil in den mit Jugenddelinquenz beschäftigten Polizeidienststellen. Bedenkt man die historische Entwicklung, ergab die Umfrage einen erstaunlich geringen Frauenanteil in der polizeilichen Jugendarbeit. Der Bereich, der ursprünglich vollständig von Frauen besetzt war, ist heute fast ausschließlich zu einer Männerdomäne geworden. Eine weibliche Mehrheit gibt es nirgends mehr. Mit um 40% liegen Hannover, Mönchengladbach und Dresden einsam an der Spitze. Im Hinblick auf die Veränderung der Klientel überrascht das Ergebnis jedoch weniger. Zu Zeiten der WP und WKP war polizeiliche Jugendarbeit Mädchenarbeit, heute ist sie aber fast reine Jungenarbeit. Aufgabenbereich der WKP war die Erfassung sexuell und kriminell gefährdeter Kinder und weiblicher Jugendlicher. Die Arbeit der WKP bestand nicht ausschließlich in repressiver Ermittlungsarbeit, sondern auch im Opferschutz und im Umgang mit benachteiligten Problemgruppen. Männliche Jugendliche waren aus dem Zuständigkeitsbereich vollkommen herausgenommen und zwar gerade, weil es an entsprechend ausgebildeten Männern mangelte. Schon in den Jugendschutzdienststellen in Niedersachsen nach 1954, in denen es auch männliche Jugendsachbearbeiter gab, waren Männer für die männlichen Jugendlichen zuständig, während die WKP bei ihrer Klientel blieb. Der geringe Frauenanteil an der polizeilichen Jugendarbeit erscheint in einem anderen Licht, wenn man betrachtet, in welchem Bereich Frauen in der Polizei insgesamt vornehmlich eingesetzt werden für Tätigkeiten nämlich, die emotionale Betroffenheit und menschliches Gespür erfordern. Dazu gehören insbesondere die Übermittlung von Todesnachrichten, die Konfrontation mit Schwerverletzten, mit Suizidgefährdeten, das Einschreiten bei Gewalt in Familien und bei der Vernehmung von gewaltgeschädigten oder der Gewalt beschuldigten Menschen, insbesondere von älteren Menschen, Frauen, Kindern und Jugendlichen. In der Polizei, einer von Männern dominierten Subkultur, ist der Hauptaufgabenbereich von Frauen, sowohl bei der Schutz- als auch bei der Kriminalpolizei, der Bereich der phalluszentrierten Gewalt, also der von Männern verübten sexuellen Gewalt. Hier kommt der Polizei weniger die reine Ermittlungsarbeit, als emotionale Schlichtungsarbeit zu. Die polizeiliche Aufgabenverteilung bleibt also entsprechend der Geschlechtsrollenverteilung, wie auch schon in den Anfängen der Weiblichen Polizei. Da sich die Männer gerade gegen die weibliche Geschlechterrolle abgrenzen wollen, bedeutet richtige Polizeiarbeit für sie das repressive Einschreiten von Männern gegen Männer sie folgen damit dem traditionellen Stereotyp von Männlichkeit.[9] Es hat sich also weniger etwas an der Aufgabenverteilung für Beamtinnen geändert als an der polizeilichen Jugendarbeit an sich. Eine Jugendsachbearbeitung hinsichtlich delinquenter männlicher Jugendlicher gab es früher nicht, sie wurde von der Bearbeitung der erwachsenen Tatverdächtigen nicht getrennt. Heute sind die tatverdächtigen Jugendlichen in der Regel männlich, wie auch überwiegend die Polizeibeamten, die mit der Bearbeitung betraut sind. Neben der Veränderung des Klientels hat sich überwiegend auch die Organisationsstruktur in der polizeilichen Jugendarbeit verändert. Die WKP war ein zentral organisierter Bereich der jeweiligen Polizeidirektionen bzw. -präsidien. Lag ein Fall in ihrer Zuständigkeit, wurde er an diese zentrale Stelle abgegeben. Heute findet man zentrale Jugendkommissariate nur noch vereinzelt. Viel häufiger werden Fälle mit jugendlichen Tatverdächtigen dezentral von Jugendsachbearbeitern in den einzelnen Polizeidienststellen bearbeitet. Die Jugendlichen stehen dann nicht mehr ihrem Sachbearbeiter gegenüber, sondern dem jeweils regional zuständigen. Nach dem Umfrageergebnis scheint ein Zusammenhang zwischen einer zentralen Organisationsform und dem Anteil von weiblichen Beamtinnen zu bestehen. Wie die folgende Tabelle zeigt, liegt der Frauenanteil in einem zentral organisierten Jugendkommissariat in der Regel höher als bei einer dezentralen Bearbeitung von Jugenddelinquenz in den einzelnen Inspektionen und Polizeidienststellen. Es ist festzuhalten, daß dieser Punkt des Fragebogens gerade von den Präsidien beantwortet wurde, die über eine zentrale Bearbeitungsform verfügen. Die restlichen Städte haben fast alle eine dezentrale Bearbeitungsform gewählt. Es ist zu vermuten, daß in diesen Städten der Frauenanteil nicht höher ist als in den hier aufgeführten Städten mit dezentralem System. In den Städten der neuen Bundesländer ist der Anteil der Beamtinnen im Schnitt höher. Sie verfügen in der Regel auch über eine zentrale Bearbeitung von Jugendsachen. Frauenanteil in den Jugenddienststellen der Polizei
*Karlsruhe verfügt sowohl über ein zentrales Jugenddezernat, als auch über denzentrale JugendsachbearbeiterInnen in den Revieren. Die zentrale Organisationsform scheint sich also auf den Frauenanteil begünstigend auszuwirken. Bei einer nur geringen Anzahl an Bewerberinnen bei der Polizei insgesamt bietet sich der Einsatz von Frauen in einem Jugendkommissariat eher an als eine Verteilung über sämtliche Polizeidienststellen, in denen es zu einem Kontakt mit jugendlichen Tatverdächtigen kommen kann und JugendsachbearbeiterInnen tätig werden. Doch JugendsachbearbeiterIn zu sein bedeutet eben nicht unbedingt ein ausschließliches Arbeitsfeld im Jugendbereich. Sie werden in den Polizeidienststellen im Gesamtspektrum polizeilicher Tätigkeit eingesetzt, wenn Bedarf besteht. Eine Jugendsachbearbeiterin müßte also auch in traditionell männlichen Bereichen tätig werden. In Jugendkommissariaten werden die Beamtinnen jedoch wieder separat von den Männerdomänen eingesetzt. Wieviel hat sich also wirklich verändert? Dunja Rother ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen im Bereich der Kriminalwissenschaften.
[1] Matthes, I.; Kleinlein, W.: Frauen bei der Polizei - Reservat oder Integration?, in: Kriminalistik 1975, H. 7, S. 303-305 [2] zur Geschichte von WP und WKP vgl. Wehner-Davin, W.: Theorie und Praxis der Bearbeitung von Jugendsachen bei der Polizei, in: Kriminalistik 1977, H. 7, S. 302-309; dies.: Permanent problematisch, in: Kriminalistik 1985, H. 11, S. 565-569; Folberth, R.: Neue Aufgaben der Polizei im jugendstrafrechtlichen Vorverfahren, in: Deutsche Vereinigung für Jugengerichte und Jugendgerichtshilfe (DVJJ)-Journal, 1994, H. 3-4, S. 327-339; Nienhaus, U.: Staatliche Reglementierung von Frauen. Prostitution und weibliche Polizei vor 1933, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1993, S. 151-156 [3] Piencka, D.: Jugendsachbearbeitung der Polizei in Niedersachsen, in: DVJJ-Journal 1995, H. 2, S. 242f. [4] zit. n. Wehner-Davin, Permanent problematisch a.a.O. (Fn. 2), S. 567 [5] Folberth a.a.O. (Fn. 2), S. 329 [6] Seidel, G.: Auch die WKP in der Reform, in: Die Polizei 1969, H. 5, S. 157f. [7] Wehner, B.: Auch die WKP in der Reform?, in: Kriminalistik 1969, H. 9, S. 459f.; Schulz, G.: WKP in der Reform?, ebd., S. 463 [8] Tielemann, K.: Frauen in der Schutzpolizei, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 46 (3/1993), S. 18-22 [9] Franzke, B.; Wiese, B.: Emotionale Frauen - Coole Männer?, in: Kriminalistik 1997, H. 7, S. 507-513 (507) |
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Inhaltsverzeichnis | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 1999, 2000 HTML-Auszeichnung: Martina Kant Erstellt am 04.05.2000 letzte Änderung am 07.06.2000 |