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Literatur zum Schwerpunkt
Die internationale Literatur zu "Community
Policing" füllt vermutlich Bibliotheken.
Für die Beiträge des Schwerpunktes haben
wir auf die uns bekannten und zugänglichen Veröffentlichungen
zurückgegriffen, auf die in den Fußnoten
verwiesen wird. Einige interessante und informative
Bücher und Aufsätze verdienen jedoch einen
besonderen Hinweis.
Greene, Jack R.; Mastrofski, Stephen D. (eds.): Community
Policing. Rhetoric or Reality, New York 1988
Rosenbaum, Dennis P. (ed.): The Challenge of Community
Policing. Testing the Promises, Thousand Oaks, London,
New Delhi 1994
Die Sammelbände geben einen guten - wenn
auch nicht mehr ganz aktuellen - Überblick
über Community Policing in den USA, Kanada und
Großbritannien. Neben den konzeptionellen Merkmalen
von CP und seiner geschichtlichen Entwicklung werden
Voraussetzungen, Praxis und Folgen unterschiedlicher
lokaler CP-Modelle vorgestellt. Die Bände enthalten
Aufsätze der bekanntesten CP-Experten (Skogan,
Trojanowicz, Bayley, Manning, Moore, Greene) und geben
insofern auch einen Einblick in unterschiedliche Positionen.
Sherman, Lawrence W.; Gottfredson, Denis C.; MacKenzie,
Doris et al.: Preventing Crime: What Works, What Doesn't,
What's Promising, in: National Institute of Justice,
Research in Brief, July 1998 (http://www.ncjrs.org/pdffiles/171676.pdf)
Lyons, William: The Politics of Community Policing:
Rearranging the Power to Punish, Chicago 1999
Beide Veröffentlichungen stellen eine aktuelle
Bilanz von Community Policing (in den USA) dar. Bei
dem Bericht von Sherman u.a. handelt es sich um eine
Bestandsaufnahme, die im Auftrag des US-Kongresses
erstellt wurde. Der vollständige Bericht ist auch
im Internet verfügbar: http://www.ncjrs.org/works
Trojanowicz, Robert; Bucqueroux, Bonnie: Community Policing.
A Contemporary Perspective, Cincinnati 1990
Für diejenigen, die eine zusammenfassende Darstellung
aus der Feder überzeugter Befürworter von
Community Policing suchen, sei dieses Buch empfohlen.
Die CP-Philosophie wird hier in Reinform vertreten.
Am Beispiel von Flint (Michigan) wird die Entwicklung
einer vor allem auf räumliche Präsenz und
Ansprechbarkeit der Polizei setzenden Strategie vorgestellt.
Unter der Überschrift "Special People/Special
Problems" werden die CP-Antworten auf Sicherheitsprobleme,
die von Jugendlichen, Minderheiten, Drogenmißbrauch
etc. ausgehen (sollen) illustriert.
Goldstein, Herman: Problem-oriented Policing, New York,
St. Louis, San Francisco u.a. 1990
Aus der Kritik des reaktiven Polizeimodells entwickelt
Goldstein das Modell einer auf Problemlösung ausgerichteten
Polizeiarbeit. "Problem solving"
wird als ein mehrstufiger Prozeß dargestellt,
der darauf beruht, die lokalen Kontexte zu berücksichtigen
und die BürgerInnen unmittelbar an der Problemdefinition,
an der Entwicklung von Lösungsstrategien und an
deren Umsetzung zu beteiligen.
Grabosky, Peter N.: Law Enforcement and the Citizen:
Non-governmental Participants in Crime Prevention and
Control, in: Policing & Society Vol. 2, 1992, No.
4, pp. 249-271
Die unterschiedlichen Formen der BürgerInnenbeteiligung
an der präventiven und repressiven
"Sicherheitsarbeit"
werden in diesem Aufsatz vorgestellt.
Wer sich einen unmittelbaren Eindruck von Community
Policing machen will, der oder die sollte im Internet
auf die Suche gehen. Regelmäßig stößt
man auf Selbstdarstellungen vor allem US-amerikanischer
Polizeien. Häufig findet sich auch interessante
Sekundärliteratur. Nur drei Hinweise:
Dölling, Dieter; Feltes, Thomas (eds.): Community
Policing. Comparative Aspects of Community Oriented
Police Work (Empirische Polizeiforschung, Bd. 5), Holzkirchen/Obb.
1993
Der Band enthält u.a. Berichte über Community
Policing in zehn europäischen und nordamerikanischen
Ländern. Besonders interessant sind sowohl die
Beiträge von Ericson/Haggerty/Carriere über
CP als "Communications Policing"
und der die USA-Erfahrungen zusammenfassende Bericht
von Greene. Implizit vermitteln die beiden deutschen
Beiträge (Kube und Jäger), daß die
Gemeinde für die Polizei in Deutschland keine
Rolle spielt(e).
Crawford, Adam: Appeals to community and crime prevention,
in: Crime, Law and Social Change Vol. 22, 1995, pp.
97-126
Manning, Peter: Community Policing, in: Dunham, Roger
G.; Alpert, Geoffrey P. (eds.): Critical Issues in
Policing. Contemporary Readings, Prospect Heights,
Ill. 1989, pp. 395-405
Kreissl, Reinhard: Die Simulation sozialer Ordnung.
Gemeindenahe Kriminalitätsbekämpfung, in:
Kriminologisches Journal 19. Jg., 1987, H. 4, S. 269-284
Die Aufsätze legen besonderen Wert auf die ideologischen,
politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen
von Polizei- und Sicherheitsstrategien, die auf der
lokalen Ebene wirksam werden sollen.
Bässmann, Jörg; Vogt, Sabine: Community Policing.
Projektbericht des Bundeskriminalamtes zu den Erfahrungen
in den USA (BKA-Forschung), Wiesbaden 1997
Angestoßen durch die deutsche Diskussion über
die (angeblichen) Erfolge der New Yorker Polizei entstand
dieser BKA-Bericht. Neben den Programmen in fünf
amerikanischen Städten und den Hintergründen
des Konzepts werden auch die bundespolitischen Initiativen
zur Förderung von CP kurz vorgestellt.
Aus der Flut der Veröffentlichungen zum New Yorker
Polizeimodell verweisen wir stellvertretend auf diese
drei Sammelbände, die das Spektrum der Resonanz
in Deutschland gut wiedergeben:
Dreher, Gunther; Feltes, Thomas (Hg.): Das Modell New
York: Kriminalprävention durch "Zero
Tolerance"? Beiträge zur aktuellen kriminalpolitischen
Diskussion (Empirische Polizeiforschung, Bd. 12), Holzkirchen/Obb.
1997
Ortner, Helmut; Pilgram, Arno; Steinert, Heinz (Hg.):
Die Null-Lösung. New Yorker
"Zero-Tolerance"-Politik
- das Ende der urbanen Toleranz?, Baden-Baden
1998
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berliner Büro (Hg.):
New York! New York? Kriminalprävention in den
Metropolen, Berlin 1998
Bundeskriminalamt (Hg.): Community Policing. Ergebnisse
eines Workshops am 8./9. Juli 1997 im Bundeskriminalamt
(BKA-Forschung), Wiesbaden 1997
Posiege, Petra; Steinschulte-Leidig, Birgitta: Bürgernahe
Polizeiarbeit in Deutschland. Darstellung von Konzepten
und Modellen (BKA-Forschung), Wiesbaden 1999
Beide BKA-Veröffentlichungen stehen symptomatisch
für die CP-Rezeption in den deutschen Polizeien:
Was auch immer die Polizei gegenwärtig macht,
es wird als "Community Policing"
etikettiert.
Steffen, Wiebke: Veränderungen in der polizeilichen
Aufgabenwahrnehmung - Gemeinwesenorientierung
als moderne Zielperspektive?, in: Schriftenreihe der
Polizei-Führungsakademie 1995, H. 3/4, S. 107-122
Dölling, Dieter: Läßt sich der Community
Policing-Ansatz erfolgversprechend nach Deutschland
transferieren?, in: Bundeskriminalamt (Hg.): Neue Freiheiten,
neue Risiken, neue Chancen. Aktuelle Kriminalitätsformen
und Bekämpfungsansätze (BKA-Forschungsreihe,
Bd. 48), Wiesbaden 1998, S. 125-145
Steffen warnt vor zu einfachen Antworten, da sich hinter
einer schönen Rhetorik die Probleme einer demokratisch
agierenden Polizei versteckten. Die rückwärtsgewandte
"Gemeinschaftsduselei", die tendenziell
auf eine Tyrannei der Mehrheit hinauslaufe, lehnt sie
ebenso ab wie das Modell einer proaktiven Alltagspolizei.
Statt dessen setzt sie auf gesellschaftliche Prävention.
Obwohl Döllings Plädoyer für Community
Policing in Deutschland nicht überzeugt, ist sein
Aufsatz allein deshalb lesenswert, weil er die wesentlichen
Pro- und Contra-Argumente präsentiert.
(sämtlich: Norbert Pütter)
Northoff, Robert (Hg.): Handbuch der Kriminalprävention.
Fortsetzungswerk in Loseblattform, Baden-Baden 1997
(Nomos), zweite Lieferung 1999, Grundwerk 1 Ordner,
ca. 650 S., DM 69,
Zur Politik der Präventionsräte gibt es eine
Flut programmatischer Texte, in denen die Vorteile
lokaler Prävention beschworen werden. Beispielhaft
sind die gängigen Theoreme in diesem für
die Praxis konzipierten Handbuch vereint. Hier finden
sich nicht nur sämtliche Argumente des rhetorischen
Überbaus, sondern auch zahlreiche Handlungsempfehlungen.
Trotz beeindruckender Datenfülle (Übersicht
über Gremien, Strategien, Projekte) bleibt der
lexikalische Wert gering, da das Material unkritisch
aufbereitet und unübersichtlich dargestellt ist.
Rössner, Dietrich; Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminalität, Prävention und Kontrolle (Neue Kriminologische Schriftenreihe, Bd. 104), Heidelberg
1999 (Kriminalistik Verlag), 406 S., DM 138,
Ein insgesamt affirmatives Gesamtbild ergibt sich auch
aus diesem Sammelband, der Binsenweisheiten mit neueren
Erfahrungen zusammenbringt. Edwin Kube präsentiert
einen Jubiläumsaufguß seiner zwölf
Jahre alten Lehre von den "Dimensionen der
Kriminalprävention", Wolfgang Heinz verkündet
in acht Thesen die Notwendigkeiten kommunaler Kriminalprävention.
Auch das Umfeld lokaler Prävention -
von der Rolle des Strafrechts bis hin zu sozialpädagogischer
Krisenintervention - wird weitgehend konform
dargestellt. Lediglich Michael Walter wirft ein kritisches
Auge auf die von ihm so genannte
"Präventionsbewegung".
Er befürchtet ausgedehnte Kontrollnetze, einen
"Privatisierungsschub" sowie einen
"Kreislauf" aus Verbrechensfurcht
und Präventionsstrategien.
Hitzler, Ronald; Peters, Helge (Hg.): Inszenierung:
Innere Sicherheit. Daten und Diskurse, Opladen 1998
(Leske+Budrich), 216 S., DM 36,
Fundiertere Kritik und Analyse bieten zwei ältere
Texte in diesem Band: In dem Beitrag "Präventionsräte,
Stadtteilforen, Sicherheitspartner-schaften"
beschreibt Werner Lehne exemplarisch einige
"Präventionsstrategien"
in Schleswig-Holstein, benennt Folgen und Gefahren
und warnt vor der "Reorganisation des Politikfelds
,Innere Sicherheit'". Hingegen schätzt
Stefan Hornbostel - am Beispiel zweier Präventionsräte
in Thüringen - die Reichweite lokaler
Präventionsbemühungen als eher gering ein.
In dem Aufsatz "Die Konstruktion von Unsicherheitslagen
durch kommunale Präventionsräte"
stellt er zwar eine Erweiterung polizeilichen Handelns
fest, sieht aber im lokalen Kontext wenig Handlungschancen.
(sämtlich: Christine Hohmeyer)
Sonstige Neuerscheinungen
Busch, Heiner: Polizeiliche Drogenbekämpfung -
eine internationale Verstrickung, unter Mitarbeit von
Elke Schäfter, Britta Grell, Wolf-Dieter Narr,
Münster 1999 (Westfälisches Dampfboot), 338
S., DM 48,
Die Geschichte der internationalen Bekämpfung illegalisierter
Drogen ist für die Polizei eine Erfolgsgeschichte
- sowohl hinsichtlich der Durchsetzungsfähigkeit
ihrer Bekämpfungskonzepte gegenüber sozialen
und medizinischen Ansätzen als auch im Hinblick
auf den Ausbau der Polizeiapparate. Diese Form polizeilicher
Drogenbekämpfung hat zu gesellschaftlichen Lähmungserscheinungen
geführt, die ihren Ausgangspunkt in einer fatalen
prohibitiven Gesetzgebung hat. Die Studie von Heiner
Busch fragt danach, welche Auswirkungen die zunehmend
internationale polizeiliche Drogenbekämpfung auf
die beteiligten Institutionen selber hat und inwieweit
sich hierbei auch die Möglichkeiten einer politischen
Kontrolle der Polizei verändert haben.
In den 80er Jahre kam es hier zu einem grundlegenden
Wandel: "Drogen" lösten den
"Terrorismus" als sicherheitspolitisches
Leitthema ab. Gleichzeitig veränderte sich aber
auch die polizeiliche Wahrnehmung dieses Kriminalitätsbereichs:
Im Drogenkönig wurde nun auch ein "homo
oeconomicus" erkannt. Zudem wollte die Polizei
lieber Netzwerke von Hintermännern zerschlagen
als Straßendealer verfolgen. Das an sich rechtlich
unbeachtliche Vorfeld möglicher Drogendelikte
rückte damit immer mehr ins Zentrum des polizeilichen
Ausforschungsinteresses. An die Stelle der eigentlichen
Verdichtung eines Tatverdachts trat die anlaßunabhängige
Verdachtsschöpfung.
Den Prozeß der Verpolizeilichung der internationalen
Drogenpolitik zeichnet Busch für die UN- und europäische
Ebene u.a. anhand der Entwicklung des Zolls nach. Dieser
hat sich inzwischen mehr geheimpolizeiliche Verfolgungsmethoden
verrechtlichen lassen, als es dem großen polizeilichen
Bruder bis heute möglich war. Doch auch bei der
Polizei hatte die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels
die Funktion einer Einstiegsdroge: Der Öffentlichkeit
wurde der Aufbau von EUROPOL erst einmal mit der Installierung
der "European Drug Unit" schmackhaft
gemacht. Die Internationalisierung der polizeilichen
Drogenbekämpfung hat zu einer Elitenbildung und
Vergeheimdienstlichung der Polizei geführt. Busch
illustriert diese Entwicklung z.B. anhand der zunehmenden
Verwendung verdeckt gewonnener Informationen (der sog.
Intelligence-Arbeit) durch EUROPOL und die nationalen
Polizeibehörden. Die Unübersichtlichkeit
organisatorischer Zusammenhänge wurde zu einem
Charakteristikum der internationalen polizeilichen
Drogenbekämpfung: Man trifft sich in Dutzenden
von Gremien, von denen keines der Öffentlichkeit
gegenüber verantwortlich ist. Die Studie von Heiner
Busch u.a. schafft hier erstmals Übersicht. Die
Entwicklung der internationalen polizeilichen Drogenbekämpfung
spielt sich schließlich außerhalb der Gewaltenteilung
ab. Dies führte zu einer Entpolitisierung der
Drogenpolitik. Den Zusammenhang zum strukturell konservativen
Charakter der EU belegt Busch mit der undemokratischen
Verrechtlichungspraxis polizeilicher Drogenbekämpfungsmaßnahmen
in der EU.
Busch geht es weder um die Drogen noch um den Sinn oder
Unsinn von Entkriminalisierungsansätzen. Auch
wird nicht die Frage der Effizienz polizeilicher Drogenbekämpfung
untersucht. Die unter Mitarbeit von Britta Grell, Elke
Schäfter und Wolf-Dieter Narr entstandene Studie
ist ein Kompendium, eine Sammlung von Sachinformationen
und Dokumenten, an die in diesem so perfekt abgeschotteten
Bereich nur mit unglaublichen Mühen und Hartnäckigkeit
heranzukommen ist. Die anregendsten, ja zum Teil spannenden
Stellen des Buches beruhen entweder auf Interviews
mit polizeilich Verantwortlichen oder auf der Darstellung
eigener Recherchen über die beunruhigenden praktischen
Auswirkungen einer sich insgeheim verselbständigenden
Polizei.
(Mark Holzberger)
Franzke, Bettina: Polizisten und Polizistinnen ausländischer
Herkunft. Eine Studie zur ethnisch-kulturellen Identität
und beruflichen Sozialisation Erwachsener in einer
Einwanderungsgesellschaft, Bielefeld 1999 (Kleine Verlag),
420 S., DM 58,80
"Die Studie sollte keine Anhaltspunkte für
Mobbing gegen die Befragten bieten" (S. 146).
Mit diesem Satz erklärt die Autorin die Notwendigkeit,
ihre Untersuchung über die Anonymisierung der
Personen hinaus einer "geringfügigen
Zensierung" (ebd.) zu unterwerfen. Die Befragten,
das sind 17 PolizistInnen ausländischer Herkunft
(darunter zwei Frauen) im Alter zwischen 19 und 41
Jahren. Der Satz sagt über die Wirklichkeit des
Polizeialltags in der Bundesrepublik mehr aus als weite
Teile des Buches selbst. Mit Ausnahme von Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen hat sich die Polizei
vor rund sechs Jahren auf Initiative Baden-Württembergs
auch Nichtdeutschen geöffnet. Wie hoch ihr Anteil
heute ist, ist schwer feststellbar. Klar ist jedoch,
daß bisher eher wenige Ausländer und Ausländerinnen
eine Ausbildung bei der Polizei aufgenommen haben und
diese überproportional häufig wieder abbrechen.
Forschungen über PolizistInnen verschiedener Ethnien
gibt es in anderen Staaten bereits seit längerem.
In der Bundesrepublik hingegen sind derartige Arbeiten
Mangelware. Grund genug für die Diplom-Psychologin
Bettina Franzke, der Familiengeschichte ausländischer
Polizeibeamter/-beamtinnen, ihren Motiven für
die Berufswahl, den damit verbundenen Erwartungen und
dem Erleben des Polizeiberufes nachzugehen. Gelungen
ist dies nur teilweise. Zumindest aus der Darstellung
Franzkes erschließen sich - trotz einer
anderen kulturellen Prägung - über
weite Strecken keine gravierenden Unterschiede zu deutschstämmigen
PolizistInnen.
Neben der guten Zusammenfassung ausländischer Untersuchungen
im ersten Teil des Buches sind daher nur zwei Aspekte
der Studie wirklich aufschlußreich: Einstellung
und Verhalten deutscher PolizistInnen gegenüber
ihren ausländischen KollegInnen und die Meinung
der Befragten selbst zur Einstellung ausländischer
Staatsangehöriger in den Polizeidienst. Obwohl
PolizistInnen ausländischer Herkunft die in der
Polizei herrschenden Sozialisationsmuster zumeist umstandslos
übernehmen, sogar "sehr um Anpassung
und Unauffälligkeit" bemüht sind
(S. 383), so Franzkes Fazit, geben ihnen ihre deutschen
KollegInnen "kaum Chancen, die Gruppe 'Ausländer
- ausländischer Staatsangehöriger'
zu verlassen" (S. 388). Bei der Mehrzahl der
Betroffenen führte dies zu einer Art Überassimilation,
die so weit geht, daß sie sich von ausländischen
PolizistInnen "explizit" abgrenzen.
Statt sich mit AusländerInnen in der Polizei zu
identifizieren, "teilen sie oftmals die Skepsis
vieler Kollegen" (S. 383). Selbst "objektiv
fragwürdiges Verhalten gegenüber ausländischen
Bürgern wird (...) nicht als Fremden- oder
Ausländerfeindlichkeit
interpretiert" (S. 382). Von irrationalen
Schlüssen ist allerdings auch Franzke bei ihrer
Parteinahme für ethnische Minderheiten in der
Polizei nicht frei. Etwa wenn sie fordert, bei der
Einstellung auf die schriftliche Beherrschung einer
Zweitsprache zu verzichten, da es auch Sprachen gebe,
die "nicht schriftlich abbildbar sind"
(S. 112). Welche, außer der Sprache einzelner
"Naturvölker", sollte das sein?
Alles in allem hinterläßt die Studie einen
zwiespältigen Eindruck. Während einige Teile
durchaus neue und wichtige Informationen enthalten,
sind andere in ihrem Erkenntniswert ausgesprochen dürftig.
Einzelne Aussagen sind sogar nichtssagend ("Die
Befragten sind entweder für die Einstellung ausländischer
Staatsangehöriger, dagegen oder sie vertreten
keine Meinung" (S. 365)) oder schlicht unsinnig
("B unterstützt die Anwerbung von ausländischen
Staatsangehörigen für den Polizeidienst,
F engagiert sich im Sport" (S. 390)). Als
größtes Manko erweist sich allerdings der
Umstand, daß hier eine Dissertation ohne Veränderungen
in Aufbau und Stil als Buch veröffentlicht wurde.
Allein hierdurch dürfte der Leserkreis klein bleiben
- und das ist bei allen Mängeln dennoch
bedauerlich.
(Otto Diederichs)
Themenheft: Flüchtlinge, Migration und Integration,
Widerspruch 37, Juli 1999, 216 S., Sfr./DM 21,
Erfreulich unangepaßt an den Zeitgeist liefert
der in Zürich erscheinende "Widerspruch"
in einem gelungenen Mix von aktuellen und theoretischen
Aufsätzen nach wie vor "Beiträge
zur sozialistischen Politik" - und
das keineswegs nur für die Schweiz. Dietrich demonstriert
am Beispiel der Kosovo-Flüchtlinge, wie deren
Flucht in reichere und sichere Gefilde Europas verhindert
wurde: durch die Internierung in unzugänglichen,
von der NATO kontrollierten Lagern in Mazedonien und
Albanien, durch die polizeiliche Zerschlagung der Fluchtwege
vom Balkan nach Westeuropa. Er beleuchtet dabei auch
die Rolle zwischenstaatlicher Organisationen, die in
der Debatte um die Europäisierung der Flüchtlingsabwehr
kaum Beachtung finden. Roth/Holzberger zeigen, wie
der Flüchtlingsschutz in EU-Europa sich vom subjektiven
Recht auf Asyl weg bewegt zu einem Gnadenbrot, das
die Administrationen je nach politischer und ökonomischer
Opportunität gewähren oder verwehren. Parnreiter
und Lüthje/Scherrer werfen einen Blick auf die
US-Migrationspolitik. Auch die Berichte, die sich im
engeren Sinne der schweizerischen Migrations- und Asylpolitik
zuwenden, zeigen, daß der Horizont der Widersprechenden
ganz im Gegensatz zum Großteil der Schweizer
PolitikerInnen nicht an den Grenzen des Alpenstaates
endet.
Mathiesen, Thomas: On Globalisation of Control: Towards
an Integrated Surveillance System in Europe, London
1999 (Statewatch), 36 S. (A4), Pound 6,
Der norwegische Rechtssoziologe Mathiesen hat mit dieser
Statewatch-Publikation ein "Pamphlet"
im besten aufklärerischen Sinne des Wortes vorgelegt.
Er präsentiert einen wohldokumentierten und gut
verständlichen Überblick über die EU-weiten
elektronischen Daten- und Überwachungssysteme,
die in den vergangenen Jahren entstanden oder derzeit
in der Planung sind: vom Schengener Informationssystem
(SIS) und dem Netzwerk der mit dem SIS verbundenen
SIRENEn über die EUROPOL-Datensysteme und EURODAC
bis zu den Konzepten für die Überwachung
des drahtlosen Telefon- und des Email-Verkehrs, die
die EU-Polizeiarbeitsgruppe (ENFOPOL) gemeinsam mit
dem FBI ausgeheckt hat. Gegen den versteckten, teilweise
geheimen Charakter der neuen technischen Methoden will
Mathiesen eine neue alternative Öffentlichkeit
mobilisieren. (Zu bestellen bei Statewatch, PO Box
1516, London N 16 OEW, Fax: 0044-181-880 1727, E-mail:
office@statewatch.org)
Leuthardt, Beat: An den Rändern Europas -
Berichte von den Grenzen, Zürich 1999 (Rotpunktverlag),
310 S., DM 38,
Die spanischen und italienischen Küsten, Österreichs
Grenzen zur Slowakei, zu Ungarn und Slowenien, die
mittel- und osteuropäischen Pufferstaaten Ukraine,
Polen, Litauen, Belarus - Beat Leuthardt hat
die Außengrenzen Europas aufgesucht und läßt
in seinen Reportagen lebendige Bilder der Grenzregionen
entstehen. Er zeigt, wie diese Grenzen - im
Westen der früheren Sowjetunion - überhaupt
erst entstanden und im Laufe des Jahrzehnts polizeilich
"gesichert" wurden. Die Abschottung
des reichen Europas gegen Flüchtlinge und MigrantInnen
aus dem Süden und Osten erscheint in diesem Buch
nicht nur als Papiertiger. Sie erschöpft sich
nicht in sterilen Berichten und Plänen aus EU-Polizeizirkeln,
sondern erhält durch die Erzählungen und
Meinungen der Befragten eine konkrete Gestalt. Der
Basler Journalist interviewte nicht nur "ExpertInnen"
- RepräsentantInnen der Grenzpolizeien
einerseits, von Menschenrechtsorganisationen andererseits.
Er läßt vielmehr auch die "normalen"
Leute zu Wort kommen: die litauische Bäuerin,
die indischen Flüchtlingen ein Zimmer vermietet
hat, den Taxifahrer, der trotz Verbots immer noch
"Illegale"
fährt, die ausgeklinkte Popsängerin, die
vom Blick auf die nahe Küste Afrikas schwärmt,
und natürlich auch diejenigen, die es nur mit
Mühe und Not geschafft haben, die Festungsgräben
zu überqueren.
(sämtlich: Heiner Busch)
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