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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 64 (3/1999)

abstand

Zusammenfassungen



Redaktionelle Vorbemerkung
Norbert Pütter
Mit dem Schwerpunkt "Community Policing" widmet sich das Heft der jüngsten Etappe deutscher Kriminalitäts- und Unsicherheitsszenarien: den alltäglichen Gefährdungen, Bedrohungen und Verunsicherungen - und den Versuchen, im lokalen Kontext mehr objektive Sicherheit herzustellen und die Furcht vor Kriminalität zu verringern. "Community Policing" oder "bürgerorientierte Polizeiarbeit" erscheint dabei als eine Alternative zur technokratischen Umrüstung der Polizeien, die die letzten Jahrzehnte bestimmte. Die Beiträge zeigen, daß "Community Policing" seine bürgerInnenfreundliche Rhetorik praktisch nicht einlöst.

Community Policing: Eine Alternative?
Norbert Pütter
"Community Policing" (CP) bedeutet, daß Polizei und Gemeinde auf lokaler Ebene zusammenwirken und gemeinsam Sicherheits- und Kriminalitätsprobleme lösen sollen. Vor dem Hintergrund angloamerikanischer Erfahrungen stellt der Autor die zentralen Elemente von CP vor und diskutiert die Voraussetzungen und Konsequenzen gemeindeorientierter Polizeiarbeit. CP erscheint auf den ersten Blick als ein demokratischer und erfolgversprechender Ausweg aus den Krisen des gegenwärtigen Polizeisystems. Werden einzelne Aspekte von CP jedoch genauer betrachtet, so zeigen sich erhebliche Probleme. Weder wird der Begriff "Community" hinreichend geklärt, noch wird deutlich, was die CP-Philosophie für die Polizei insgesamt bedeutet. Während die demokratischen Versprechungen auf der Strecke bleiben, so das Fazit, wird mit CP eine neue repressive Kontrollstrategie etabliert, die auf die Gefahren der "Risikogesellschaft" reagiert.

Community Policing in den USA
Albrecht Funk
In den USA ist aus der Community-Policing-Philosophie einiger Polizeitheoretiker und -praktiker mittlerweile eine breite Reformbewegung geworden, deren rhetorischer Kern sich mit den Prinzipien Dezentralisierung der Polizeiarbeit, Problemorientierung, Bürgerorientierung und aktive Teilhabe der BürgerInnen zusammenfassen läßt. In der Praxis werden verschiedene Typen von Community Policing (CP) sichtbar, die diese Prinzipien in unterschiedlicher Weise kombinieren: CP als symbolische Politik wie in Pittsburgh, als Null-Toleranz-Politik á la New York, als "Township and Suburbia Style" und als "Community-oriented Policing" wie in San Diego oder Chicago. Die Erfolge von CP sind begrenzt, vor allem die gesellschaftspolitische Bilanz bleibt ernüchternd. Denn Verarmung und den Verlust traditioneller Formen kommunaler Beteiligung kann CP nicht kompensieren.

Bürgerorientierte Polizeiarbeit in Deutschland
Norbert Pütter 
Der Beitrag gibt einen Überblick über gegenwärtige Tendenzen "bürgerorientierter Polizeiarbeit" in Deutschland. Dargestellt werden fünf unterschiedliche Konzepte, in denen Polizeistrategen und -praktiker von einer an den Interessen des Gemeinwesens ausgerichteten Polizeiarbeit berichten bzw. eine solche fordern: 1. "Bürgerorientierung" kennzeichne polizeiliches Handeln schon immer. Man müsse es den BürgerInnen nur besser vermitteln. 2. "Bürgerorientierung" wird als eines unter vielen Zielen gegenwärtiger Polizeireformen aufgeführt. 3. BürgerInnen werden von der Polizei aktiviert, um den sozialen Nahbereich zu kontrollieren und die Informationen an die Polizei weiterzugeben. 4. Verschärfte Repression und konsequentes polizeiliches Einschreiten werden als "Bürgerorientierung" etikettiert. 5. Eine präventive und an alltäglichen Sicherheitsproblemen ausgerichtete Polizeiarbeit wird gefordert. In allen Varianten erfüllt "bürgerorientierte Polizeiarbeit" nicht die mit dem Begriff geweckten Hoffnungen: Sofern sie nicht bloß rhetorisch bleibt, vergrößert sie polizeiliche Repression, und/oder sie will den polizeilichen Zuständigkeitsbereich ausdehnen.

Polizeiliche BürgerInnenbefragungen im Trend
Anja Lederer 
Unter dem Druck knapper öffentlicher Gelder werden Einrichtungen und Projekte der Jugendarbeit zunehmend danach bewertet, ob sie zur Kriminalprävention beitragen. Die neue Legitimationsformel führt nicht nur zu einem fundamentalen Wandel im Selbstverständnis kultureller und sozialer Arbeit, sie verstärkt zugleich den Einfluß der Polizei auf Bereiche, die ihr in der Vergangenheit nicht zugänglich waren.

Präventionsrat Schöneberger Norden
Christine Hohmeyer 
Im Januar 1998 wurde in Berlin ein "Präventionsrat Schöneberger Norden" gegründet. Die vielfältigen Aktivitäten des neuen Gremiums zielen nicht allein auf Sicherheit. Durch die Kooperation von BürgerInnen und Ämtern scheint eine andere Form der Kommunalpolitik zu entstehen, in der liegengebliebene Aufgaben unter dem Etikett der Kriminalprävention neu bearbeitet werden.

Kommunale Kriminalpolitik in Deutschland
Christine Hohmeyer 
1.380 kriminalpräventive Gremien sind im "Infopool Prävention" des BKA bundesweit dokumentiert. Die Analyse dieser Datenquelle zeigt, daß die versprochene Partizipation der BürgerInnen an der lokalen Sicherheitspolitik nur ungenügend umgesetzt wird. Dagegen ist die Polizei in nahezu allen Gremien beteiligt. Zudem werden die beschränkten Handlungsmöglichkeiten und Strategien dieser Gremien deutlich.

Münchner Polizeiskandale
Siegfried Krempl 
München war im letzten Jahr ein unrühmliches Beispiel für Polizeigewalt und Polizeiskandale: zahlreiche Anzeigen gegen die "Wiesnwache" wegen Körperverletzung, Mobbingfälle, die zum Teil mit Selbsttötungen endeten, Todesschüsse und weiteres mehr. Die Antwort des bayerischen Innenministeriums auf die Skandale war ein "9-Punkte-Programm" für die Münchner Polizei, das u.a. eine Meinungsbefragung bei den BeamtInnen zur Folge hatte. Nach den Ergebnissen dieser Umfrage wurde fast jede zehnte Beamtin mehrfach Opfer sexueller Belästigung; ein Viertel der Männer und ein Drittel der Frauen gaben an, schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein. Da die dienstinternen Kontrollmechanismen nur mangelhaft funktionieren, schlägt der Autor eine Verbesserung der externen Kontrolle der Polizei vor.

Göttinger Spudok-Skandal: BürgerInnen unter Dauerverdacht
Rolf Gössner
Nach einem Brandanschlag auf das Göttinger Arbeitsamt 1997 ermittelte die niedersächsische Polizei gegen 105 Männer und Frauen. Die Liste der 105 Tatverdächtigen basiert offenkundig auf alten Kriminalakten und Daten aus sog. Spurendokumentationsdateien (Spudok), die Anfang der 80er Jahre bei Terrorismus-Ermittlungen angelegt worden waren. Bereits 1983 hatte der damalige Innenminister versichert, daß die Daten gelöscht worden seien und gegen die Registrierten nie ein Straftatverdacht bestanden habe. Daß die Daten offensichtlich nicht vernichtet wurden, zeigt der aktuelle Spudok-Skandal. Nun soll der niedersächsische Datenschutzbeauftragte klären, wie es zu diesem elektronischen Langzeitverdacht kommen konnte.

Meldungen aus Europa
  • Das Schengen-Protokoll des Amsterdamer Vertrages
  • Europol und EUROJUST
  • Tampere-Gipfel: Aktionspläne "Migration und Flucht"
  • EURODAC

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Erstellt am 22.01.2000 - letzte Änderung am 01.10.2002