Bürgerrechte & Polizei/CILIP 66 (2/2000) |
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Chronologie | |
zusammengestellt von Andrea Böhm |
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März 200003.03.: Rekordsicherstellung von Haschisch: In einem
türkischen Lastzug findet der Zoll am deutsch-polnischen
Grenzübergang Frankfurt (Oder) 4,5 Tonnen Haschisch. Bezogen auf den
Schmuggel auf dem Landwege ist dies die bisher größte Beschlagnahme
dieser Droge. 06.03.: Benzindieb von Polizei erschossen: Nach einer Verfolgungsjagd auf der Autobahn A3 wird ein Mann, der zuvor für 40,- DM getankt hatte und ohne zu bezahlen davongefahren war, von der Polizei nahe Würzburg gestellt. Als der Benzindieb, ein entflohener Freigänger aus einer Justizvollzugsanstalt, die beiden Polizisten mit einer Spielzeugpistole bedroht, eröffnen diese das Feuer und treffen den Mann tödlich. 07.03.: Personenkontrollen in Berliner Bezirken: 1999 kontrollierte die Polizei bei "Schwerpunkteinsätzen" an "Kriminalitätsbrennpunkten" in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln 31.557 Personen. 7.491 Platzverweise wurden ausgesprochen, 2.569 Personen festgenommen. Die Einsätze richteten sich vor allem gegen die offene Drogenszene. 09.03.: Bericht der Drogenbeauftragten des Bundes veröffentlicht: Gegenüber 1998 hat sich die Zahl der nach dem Konsum illegaler Drogen verstorbenen Personen um 8,2% auf 1.812 erhöht. Die geschätzte Zahl der Ecstasy-Erstkonsumenten stieg um 12% auf 3.170 an. Über 1,5 Mio. Ecstasy-Tabletten wurden beschlagnahmt, dreimal mehr als 1998. 11.03.: NPD-Demonstration in Berlin: Unter dem Schutz eines
Aufgebotes von 1.400 PolizeibeamtInnen ziehen rund 650 AnhängerInnen der
NPD zum Brandenburger Tor. Das Verwaltungsgericht hatte zuvor das
Demonstrationsverbot der Polizei aufgehoben, untersagte jedoch den geplanten
Marsch durch das Tor. Zur gleichen Zeit findet auf dem Pariser Platz eine
Gegendemonstration mit 3.000 Menschen statt. 13.03.: Überwachung der Republikaner bestätigt: Das
rheinland-pfälzische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) darf die
Republikaner weiter beobachten. Das Bundesverwaltungsgericht verwirft die
Beschwerde der Partei gegen ein entsprechendes Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Az.: 1 B 13.00). Am 26.5.
bestätigt das Verwaltungsgericht Stuttgart dieselbe Praxis des
baden-württembergischen Landesamtes. 16.03.: Ausländer überfallen: Zwei Türken werden von zwölf Jugendliche in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft und mit Schreckschusswaffen beschossen. Eines der Opfer wird am Auge verletzt. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung. 17.03.: Bekanntmachung von Stasi-Liste rechtens: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war die Publikation einer Liste mutmaßlicher Stasi-Spitzel durch das Neue Forum im Jahre 1992 durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. (Az.: 1 BvR 1582/94) 20.03.: Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht vorgestellt: Die Zahl der militanten Rechtsextremen in Niedersachsen sei 1999 um 10% auf 1.100 Personen angestiegen. Innenminister Heiner Bartling würdigt ausdrücklich die inzwischen "gewaltfreie Linie" der kurdischen PKK. 23.03.: Prozess gegen junge Kurden eingestellt: Das Verfahren gegen die acht wegen der versuchten Besetzung des israelischen Generalkonsulats in Berlin Angeklagten wird nach sechsmonatiger Dauer eingestellt. Die Prozesslänge reiche aus, um erzieherisch auf sie einzuwirken. 24.03.: Härteres Vorgehen gegen Neonazis angeordnet: In einem Erlass "zur Bekämpfung der rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Gewalt" weist der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm die Polizei des Landes zu einem härteren Vorgehen gegen Rechtsextreme an. Seit dem Erlass, so Schönbohm am 7. Juni, seien 1.778 Personen- und 1.370 Fahrzeugkontrollen, 21 Festnahmen, 64 Gewahrsamnahmen, 132 Platzverweise und 38 Einziehungen (darunter ein PKW) erfolgt. 341 "Gefährder" seien persönlich angesprochen worden. 26.03.: Skinhead-Anführer festgenommen: Der polizeiliche Staatsschutz und die Spezialeinheit PMS (Politisch motivierte Straßengewalt) verhaften in Berlin den Chef der mehrere hundert Mitglieder zählenden "Deutschland-Division" des internationalen Nazi-Skinhead-Netzwerks "Blood and Honour" und beschlagnahmen 1.500 CDs mit rechtsextremer Musik. 29.03.: Berliner LfV wird "aufgelöst": Nachdem das Amt durch einen Ex-Stasi-Offizier, der als V-Mann die PDS bespitzeln sollte, einmal mehr Schlagzeilen produziert hat, wird es als Abteilung in die Senatsverwaltung für Inneres eingegliedert. Anfang März war der Haushalt des Amtes für das Jahr 2000 um 500.000 DM auf 21,3 Mio. DM erhöht worden. 30.03.: Deutschland-Koordinator der PKK verhaftet: Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe teilt mit, dass der hochrangige Funktionär der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bei seiner Einreise von den Niederlanden in die Bundesrepublik festgenommen wurde. Ihm wird Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. April 200004.04.: Messerstecher von Polizeibeamten erschossen: Nach einer
Messerstecherei, bei der ein Mann und eine Frau schwer verletzt werden,
schießt der Tatverdächtige mit einer Schreckschusspistole auf die
Beamten. Diese eröffnen daraufhin das Feuer und töten den Mann. 05.04.: Neuer Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Bundesinnenminister Otto Schily ernennt den ehemaligen Chef des hessischen LfV, Heinz Fromm, zum Präsidenten des Bundesamtes. Fromm löst Peter Frisch ab, der mit dem erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand geht. 11.04.: Ausländerfeindliche Schläger verurteilt: Das
Oberlandesgericht Rostock verhängt gegen fünf Skinheads Haftstrafen
zwischen vier und sechs Jahren. Im August 1999 hatten sie in Eggesin
(Mecklenburg-Vorpommern) zwei Vietnamesen überfallen und schwer
misshandelt. 13.04.: Tschetschenien-Reise gebilligt: Das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste billigt nachträglich die Reise des BND-Chefs August Hanning. Der Besuch im März habe den "guten Kontakten" zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB genutzt. 14.04.: Ankauf von Stasi-Akten aufgedeckt: Zeitungsmeldungen zufolge soll sich das bayerische LfV im Frühjahr 1990 rund 500 Abhörprotokolle und Dossiers der Stasi über westdeutsche Politiker und hohe Beamte beschafft haben. Abtrünnige Stasi-Offiziere seien durch Bargeld und Job-Offerten zum Diebstahl kompromittierender Akten aus dem Stasi-Archiv veranlasst worden. Das bayerische Innenministerium erklärt, das Material sei ohne Abschrift vernichtet worden. 18.04: Ex-Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) verhaftet: In Berlin wird ein 51-jähriger Mann verhaftet, dem die Bundesanwaltschaft vorwirft, von 1985-1994 Mitglied der "terroristischen Vereinigung" RZ gewesen zu sein. Gegen ein weiteres RZ-Mitglied, das am 18.5. in Kanada verhaftet wird, beantragt die Bundesanwaltschaft die Auslieferung. Beide Männer sollen u.a. 1991 am fehlgeschlagenen Anschlag auf die Berliner Siegessäule beteiligt gewesen sein. 20.04.: Anschlag auf Erfurter Synagoge: Auf die Synagoge in der
thüringischen Landeshauptstadt wird ein Brandanschlag verübt, der
geringen Sachschaden verursacht. Am 13.7. verhängt das Thüringer
Oberlandesgericht gegen die beiden 17- und 18-jährigen Haupttäter
Haftstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und drei Monaten. Ein dritter
Angeklagter wird wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. 25.04.: Fixerstuben in Hamburg abgesichert: Der Hamburger Senat verabschiedet eine Verordnung, die den Betrieb von Drogenkonsumräumen ("Fixerstuben") regelt. Damit nutzt der Stadtstaat als erstes Bundesland die neuen Möglichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes. 27.04.: Polizeiliche Abhörfalle erlaubt: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die seit 1996 geltende Rechtsprechung. Bei Straftaten von erheblicher Bedeutung darf die Polizei die Zweithörerfalle anwenden. Sie bringt dabei einen Bekannten des Verdächtigen dazu, letzteren anzurufen, und hört das Gespräch mit. So erlangte Beweise dürfen weiterhin im Prozess verwertet werden. (Az.: 2 BvR 1990/96 und 75/94) 29.04.: Handgranatenanschlag in Hamburg: Durch die Explosion einer Splittergranate werden zehn Menschen in einer Diskothek teils lebensgefährlich verletzt. Am 6.5. nimmt die Polizei einen 28-jährigen Türken als Tatverdächtigen fest. Mai 200001.05.: Straßenschlachten bei Berliner Maidemonstrationen: Nach dem Ende der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" in Kreuzberg kommt es zu Straßenschlachten, bei denen nach offiziellen Angaben 279 PolizistInnen und rund 200 DemonstrantInnen verletzt und 401 Personen festgenommen werden. Weil sie auf Unbeteiligte eingeprügelt haben, erstatten in Zivil eingesetzte Beamte des Landeskriminalamtes Anzeige gegen eine Gruppe von sieben ebenfalls in Zivil eingesetzten Kollegen; die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf. Auch mehrere Journalisten erstatten Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt. In Berlin-Hellersdorf kann auch die NPD mit rund 1.200 AnhängerInnen demonstrieren. 02.05.: Startschuss für elektronische Fußfessel: Hessen
startet einen auf zwei Jahre angelegten und 780.000 DM teuren Modellversuch.
Der elektronisch überwachte Hausarrest soll als Bewährungsauflage
oder als Ersatz für die Untersuchungshaft verhängt werden
können. 05.05.: Gründung der "Projektgruppe EURO" beschlossen: Die Innenministerkonferenz vereinbart die Einsetzung einer "Projektgruppe EURO", die einen operativen Maßnahmenkatalog erarbeiten soll, um den "besonderen Kriminalitätsrisiken" bei der Einführung des Euro-Bargeldes zu begegnen. 06.05.: Selbstmord einer Asylsuchenden: Eine abgelehnte algerische
Asylsuchende erhängt sich nach siebenmonatigem Aufenthalt im
Transitbereich des Frankfurter Flughafens. Bundesinnenminister Otto Schily
erklärt, die Frau habe durch falsche Angaben und die Vernichtung ihres
Passes ihre "Verweildauer" am Flughafen selbst verlängert. 11.05.: Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt: Gegenüber
dem Vorjahr sind 1999 die polizeilich erfassten Straftaten um 2,4% auf
6.302.316 zurückgegangen. Die Aufklärungsquote hat mit 52,8% den
höchsten Stand seit 1966 erreicht und liegt um 0,5% höher als 1998.
Ein Anstieg wird dagegen bei den erfassten Wirtschaftsdelikten festgestellt,
die um ein Viertel zunahmen. 14.05.: Stasi-Akten beschlagnahmt: Beim früheren Leiter des Bonner Büros der "Quick" werden Stasi-Akten mit 20.000 Seiten Abhörprotokollen von West-Politikern beschlagnahmt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen "versuchter Offenbarung von Staatsgeheimnissen". 15.05.: Polit-Dezernate wieder eingeführt: Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) führt die 1990 von der damals rot-grünen Landesregierung abgeschafften politischen Abteilungen der Staatsanwaltschaft förmlich wieder ein. Die Polit-Staatsanwälte hatten in der Abteilung 81 - zuständig u.a. für Amtsdelikte - überwintert. 16.05.: Haftstrafe im Kolbermoor-Prozess verhängt: Das
Landgericht Traunstein verurteilt einen aus dem bayerischen Kolbermoor
stammenden Mann, der im August 1999 einen Afrikaner erschlagen hatte, wegen
Körperverletzung mit Todesfolge sowie Körperverletzung in zwei
weiteren Fällen zu zehn Jahren Freiheitsentzug. 18.05.: Lauschangriff eingeschränkt: Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern erklärt das "Sicherheits- und Ordnungsgesetz" in Teilen für verfassungswidrig. Der Lauschangriff gegen Wohnungen und Büros ist damit nur noch bei Mord, Geiselnahmen und terroristischen Akten zulässig. 22.05: Erich Mielke tot: Mielke war von 1957-1989 Chef des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Er starb im Alter von 92 Jahren. 24.05.: Neues DNA-Analyseverfahren präsentiert: Das BKA stellt eine neue Technik der DNA-Analyse vor, die den sogenannten genetischen Fingerabdruck auch anhand von ausgefallenen Haaren ermöglicht. 26.05.: Verweigerte Hilfe gegen rechte Gewalt bestraft: Das Potsdamer Landgericht verurteilt vier Taxifahrer wegen unterlassener Hilfeleistung bei einer fremdenfeindlich motivierten Schlägerei zu Freiheitsstrafen von je acht Monaten auf Bewährung und zu Geldstrafen. Die vier Angeklagten sollen es abgelehnt haben, einem von Rechtsextremisten bedrängten Kameruner zu helfen. 30.05.: Staatshaftung bei Übergriffen: Im Falle eines Mannes, der im August 1996 von einem Polizeibeamten durch Faustschläge misshandelt worden war, urteilt das Landgericht Frankfurt, der Beamte habe sich zwar strafbar gemacht. Da er aber in Ausübung seines Dienstes gehandelt habe, müsse der Staat als Dienstherr für die Folgen haften. Juni 200012.06.: Afrikaner bei Angriff tödlich verletzt: Drei junge Männer schlagen in Dessau (Sachsen-Anhalt) einen 39-jährigen Mosambikaner brutal zusammen. Am 14.6. erliegt der Mann seinen Verletzungen. Zwei Tage später übernimmt Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen gegen die Tatverdächtigen aus der rechtsextremen Szene. 14.06.: Drei PolizistInnen von Amokläufer erschossen: Bei
einer Verkehrskontrolle in Dortmund eröffnet ein Autofahrer unvermittelt
das Feuer und tötet mit gezielten Kopfschüssen einen Beamten und
verletzt eine Beamtin schwer. Wenig später erschießt er im
benachbarten Waltrop eine Polizeibeamtin und ihren Kollegen und begeht
Selbstmord. 16.06.: Neue Ermittlungen zu Lübecker Brandanschlag: Viereinhalb Jahre nach dem Anschlag auf eine Asylunterkunft ermittelt die Staatsanwaltschaft aufgrund einer neuen Zeugenaussage wieder gegen vier Skinheads aus Mecklenburg-Vorpommern. Bei dem Anschlag am 18.1.1996 waren zehn Menschen getötet und 36 teils schwer verletzt worden. 19.06.: BGS-Jahresbericht 1999 publiziert: 1999 verzeichnete der BGS an den Grenzen der BRD 37.789 unerlaubte Einreisen, 6% weniger als 1998. Die meisten Aufgriffe (12.846) erfolgten an der deutsch-tschechischen Grenze. Die 10.980 Aufgriffe heimlich Eingereister an der Grenze zu Österreich belegen, dass auch rund um die Schengen-Binnengrenzen weiterhin stark kontrolliert wird. 22.06.: Todesschüsse auf Polizisten: Bei einer
Personenkontrolle in Niederwalluf (Hessen) entreißt ein 25-jähriger
Mann einem Polizisten die Dienstwaffe und schießt damit zwei Beamte aus
nächster Nähe nieder. Trotz seiner Verletzungen erwidert ein
Polizeibeamter das Feuer und verletzt den Täter am Kopf. Am nächsten
Tag erliegt einer der beiden Polizisten im Krankenhaus seinen Verletzungen. 27.06.: Anklageerhebung gegen früheres RAF-Mitglied: Die Bundesanwaltschaft erhebt beim Oberlandesgericht Stuttgart Anklage gegen die im September 1999 in Wien festgenommene Andrea Klump wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchtem Mord. 28.06.: Einführung neuer Polizeimunition: Die Landespolizeien Baden-Württembergs und Bayerns werden als erste eine neue Deformationsmunition mit "erhöhter Mannstopwirkung" auf ihre Eignung für die vorhandenen Waffen prüfen. Gegebenenfalls könnte die Polizei in Bayern schon im Sommer, in Baden-Württemberg im Oktober mit der neuen Munition ausgerüstet werden. Andrea Böhm studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin und ist Redaktionsmitglied von Bürgerrechte & Polizei/CILIP. |
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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2000-2002 HTML-Auszeichnung: Felix Bübl, Martina Kant Erstellt am 3. September 2000 - letzte Änderung am 26.09.2002 |