Bürgerrechte & Polizei/CILIP 66 (2/2000) |
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Rechtshilfeübereinkommen unterzeichnetNach über vier Jahren Verhandlungsdauer ist die EU-Konvention über Rechtshilfe in Strafsachen am 29. Mai unterzeichnet worden.[1] Nationale Vorbehalte zu einzelnen Regelungen, die die Verabschiedung noch auf der Ratstagung vom 27. März verhindert hatten, wurden zurückgezogen. Größere inhaltliche Veränderungen gab es dabei nicht mehr. Die Unterzeichnung der Konvention verdeutlicht, wie sich der Rat die im Amsterdamer Vertrag vorgesehene Konsultation des Europäischen Parlaments (EP) vorstellt. Von den 64 Veränderungswünschen, die das EP im Februar vorgetragen hatte,[2] wurden neun - allesamt unbedeutende Formulierungsänderungen - aufgenommen. Die grundsätzlichen Forderungen, u.a. eine stärkere Berücksichtigung der Verteidigungsrechte, bügelte die Ratsarbeitsgruppe ab. Das EP hatte im August 1999 - während der Parlamentsferien - einen Entwurf zur Konsultation erhalten, war im Dezember über weitere Änderungen informiert und immer wieder zur Eile gedrängt worden. Zu den inzwischen vorgenommenen Veränderungen am Vertragstext wird es nicht mehr konsultiert. Europol nach TampereKann die vom Europäischen Rat (ER) in Tampere für die "nahe Zukunft" geforderte Ausdehnung der Tätigkeit von Europol ohne Veränderung des bestehenden Rechts erfolgen? Das war die zentrale Frage in den "ersten Überlegungen" der finnischen Ratspräsidentschaft im November und den entsprechenden Stellungnahmen der Mitgliedstaaten, der Kommission und von Europol selbst im Februar.[3] Am deutlichsten wird diese Frage von den Niederlanden verneint. Angesichts der Tatsache, dass Europols Aufgaben in der Konvention niedergelegt seien, bedürfe es für deren Ausdehnung definitiv eines vergleichbaren rechtlichen Instruments, d.h. eines zu ratifizierenden Protokolls. Die Niederlande widersetzen sich einer Ausstattung Europols und seiner MitarbeiterInnen mit exekutiven Befugnissen. Europol sei eine "unterstützende" Organisation, Eingriffsbefugnisse sollten bei den nationalen Polizeien bleiben. Auch eine Beteiligung von Europol-Personal an gemeinsamen Ermittlungsgruppen sei nur auf der Grundlage eines die Europol-Konvention ergänzenden Protokolls denkbar. Die deutsche Delegation hält eine solche Beteiligung auf der Grundlage von Art. 13 des zum Zeitpunkt der Stellungnahme noch nicht einmal unterzeichneten Rechtshilfeübereinkommens für möglich, der in der Tat die Beteiligung von EU-Institutionen an solchen Gruppen vorsieht. Auch in diesem Falle könne die Rolle Europols nur in der Initiierung einer solchen Ermittlungsgruppe bestehen, die führende Rolle müsse eine nationale Behörde eines Mitgliedstaates übernehmen. Ob Europol-Bedienstete unterstützend an einem Team teilnehmen könnten, hänge davon ab, ob das zu untersuchende Delikt unter das Europol-Mandat nach Art. 2 der Europol-Konvention falle. Gemäß der deutschen Position ist eine Beteiligung von Europol an gemeinsamen Ermittlungsgruppen also erst möglich, wenn das Rechtshilfeübereinkommen in Kraft tritt. Dies passiert, wenn acht Staaten den Vertrag ratifiziert haben, und das dauert erfahrungsgemäß ein bis zwei Jahre. Im Unterschied dazu plädiert die Europol-Delegation für eine "flexible Herangehensweise" und eine genaue Prüfung, was denn bereits unter dem geltenden Recht möglich sei. In seinem ersten Papier vom 8. Februar hält das Amt fest, "joint teams" von PolizeibeamtInnen verschiedener Staaten kämen bereits jetzt regelmäßig zusammen, mit und ohne Beteiligung von Europol. In seinem umfangreicheren Papier vom 11. Februar werden drei verschiedene Szenarios entworfen. Im ersten Falle sei keine rechtliche Veränderung erforderlich: Die Ermittlungsgruppe würde von einem Mitgliedstaat oder - mit dessen Zustimmung - von Europol geführt. Dem Europol-Personal kämen dabei nur koordinierende und unterstützende Funktionen zu. Die BeamtInnen des "gastgebenden Staates", in dem die Ermittlungsgruppe angesiedelt würde, hätten vor Ort exekutive Befugnisse, die der anderen "entsendenden" Staaten nur zu Hause. Für die Verwendung der Ermittlungsergebnisse wären sie auf die Instrumente der Rechtshilfe angewiesen. Für das zweite Szenario, bei dem auch die entsendenden Staaten und die beteiligten Europol-Bediensteten begrenzte exekutive Befugnisse hätten, bedürfe es auf der EU-Ebene eines Rahmenbeschlusses und entsprechender Veränderungen des jeweiligen nationalen Strafprozessrechts. Gegebenenfalls müsste auch das Europol-Immunitätenprotokoll geändert werden, da es unter der Voraussetzung geschlossen wurde, dass Europol nicht operativ tätig würde. Erst die dritte Stufe, auf der die BeamtInnen der entsendenden Staaten und Europols volle exekutive Befugnisse im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe bekämen, bedürfte einer grundsätzlichen Novellierung der Europol-Konvention. Der Einstieg in die operationelle Tätigkeit des Amtes ist nach seiner eigenen Darstellung bereits vollzogen. Auch für die vom ER geforderte operative Task Force der nationalen Polizeichefs hat das Amt schon einen Platz gefunden. Da die Aufgaben sowohl des Europol-Verwaltungsrates als auch der regelmäßigen Zusammenkünfte der Chefs der nationalen Europol-Einheiten in der Konvention festgelegt seien, sei dafür eine neue "hochrangige" Arbeitsgruppe des Rates zu schaffen. Deren Sekretariat könne bei Europol angesiedelt werden, es empfehle sich eine enge Zusammenarbeit: Anhand der jährlichen Bedrohungsanalysen von Europol könne die Task Force über die Einsetzung spezifischer Ermittlungsgruppen entscheiden. Eurojust - europäischer justizieller Wurmfortsatz?"Die Einrichtung von Eurojust durch einen Beschluss im Sinne von Art. 34 Abs. 2 Buchst. c EUV stellt den schnellsten Weg zur Durchführung der Empfehlung 46 des Europäischen Rats (Tampere) und zur Herstellung einer raschen Einsatzbereitschaft von Eurojust dar", so heißt es in einem gemeinsamen Vermerk Portugals, Frankreichs, Schwedens und Belgiens an den Artikel 36-Ausschuss des Rates.[4] Dies schließe nicht aus, dass parallel über eine Konvention verhandelt würde. Eile ist wieder einmal angesagt. Der Europäische Rat (ER) hatte in Tampere den Aufbau der "Einheit Eurojust" beschlossen, in dem StaatsanwältInnen, RichterInnen und PolizeibeamtInnen vertreten sein sollen. Bis Ende 2001 soll das nicht näher benannte "Rechtsinstrument" für das Funktionieren dieser Einheit fertig sein. Vertragsverhandlungen sind in dieser kurzen Frist nicht möglich, bleibt also nur ein bloßer ministerieller Beschluss, ein Ukas, der die Sache ohne viel Federlesen ins Laufen bringt. Für eine justizielle Institution, gar für die Vorläuferin einer EU-Staatsanwaltschaft, ist ein solcher ausschließlich auf die Exekutive abgestützter Entstehungsprozess fatal. Bisher liegen neben "ersten Überlegungen" der Präsidentschaft, der oben zitierte Vermerk der vier Staaten sowie ein Papier des deutschen Bundesjustizministeriums (BMJ) vor.[5] Gemäß dem gemeinsamen Vermerk sollen die Mitgliedstaaten (MS) mindestens eine VertreterIn zu Eurojust entsenden. Jeder Staat soll durch ein "nationales Mitglied" im "Kollegium" vertreten sein. Eurojusts Zuständigkeitsbereich würde die Delikte, für die Europol zuständig ist, umfassen sowie zusätzlich die Computerkriminalität, den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, Geldwäsche und Bestechung. Wenn die Zuständigkeiten von Europol ausgedehnt werden, sollen auch die von Eurojust "automatisch" erweitert werden. Der Vermerk unterscheidet zwischen den gemeinsamen Aufgaben von Eurojust und denen der nationalen Mitglieder. Zu den gemeinsamen Aufgaben zählt u.a. die Rolle als Clearing house, d.h. die Unterrichtung der nationalen Behörden über zusammenhängende Ermittlungen, sowie das Stellen von Ersuchen an einen MS, sich an einem gemeinsamen Ermittlungsteam zu beteiligen, Ermittlungen in einem bestimmten Fall aufzunehmen bzw. das jeweilige Verfahren einem anderen Staat zu übertragen. Solche Ersuchen sollen keinen rechtlich bindenden Charakter haben. Die MS können nach diesem Vorschlag die Aufgaben ihrer "nationalen Mitglieder" anhand einer Stufenleiter selbst bestimmen. Die erste Stufe wäre die Unterstützung der Ermittlungsbehörden des eigenen Staates durch eine vermittelnde Rolle. Die zweite Stufe sieht die Beteiligung an einem gemeinsamen Ermittlungsteam nach Art. 13 des neuen EU-Rechtshilfeübereinkommens oder dessen Leitung vor. Die dritte Stufe wäre eine "impulsgebende Rolle" - sei es durch die Anregung von Zusammenkünften der an einem Fall interessierten nationalen Behörden, sei es dadurch, dass das "nationale Mitglied" von seinen nationalen Behörden die Aufnahme von Ermittlungen verlangen kann oder schließlich dass der jeweilige MS ihm die Rolle einer Gerichtsbehörde zuordnet. In diesem Fall könnte das Eurojust-Mitglied selbst Rechtshilfeersuchen stellen und beantworten, wäre also eine zentrale Schnittstelle u.a. für die Anordnung grenzüberschreitender verdeckter Polizeiaktionen (bzw. zumindest darauf gerichtete Anträge). Praktisch würde Eurojust entweder von den nationalen Behörden oder von Europol mit Arbeit versorgt. "Immer dann", wenn Europol aufgrund seiner Analysen und Informationen den Moment für die Einleitung förmlicher Ermittlungsverfahren gekommen hält, soll das Haager Amt an Eurojust herantreten und eine entsprechende Koordination verlangen können. Europols Tätigkeit würde nicht von Eurojust kontrolliert, sondern umgekehrt, das Europäische Polizeiamt könnte selbst bestimmen, wann "ihm die vorliegenden Elemente ausreichend zu sein scheinen", um Eurojust damit zu befassen. Auch auf EU-Ebene bliebe damit die Polizei "Herrin des Verfahrens". Im Unterschied zu den vier Staaten hat das BMJ einen bereits ausgearbeiteten Entwurf für einen Ratsbeschluss vorgelegt. Dieser geht zwar in die gleiche Richtung, ist aber inhaltlich erheblich informeller. Nicht ein förmliches Kollegium will das BMJ, sondern einen "Stab Eurojust", der sich aus Verbindungsbeamten der MS zusammensetzen soll. Jeder Hinweis auf das erst nach der Ratifizierung durch acht MS in Kraft tretende Rechtshilfeübereinkommen fehlt. Eurojust soll "auf Anforderung" die Analysetätigkeit von Europol "rechtsberatend" unterstützen, den nationalen Behörden, Europol und der EU-Kommission Auskünfte über den Stand von Ermittlungsverfahren und über Verurteilungen erteilen und Kontakte herstellen sowie "Unterstützung zur Koordinierung und zur Durchführung gemeinsamer Ermittlungen ... leisten." Konkret wird es nur in Art. 6, der die Vernetzung der nationalen Straf- und Verfahrensregister vorsieht. Die offene Formulierung der Aufgaben gewährleistet, dass der neue "Stab" rasch installiert werden kann. Der Aufbau von Europol begann 1993 mit einer ministeriellen Vereinbarung, die für über fünf Jahre die Tätigkeit eines rechtlichen Provisoriums, der Europol-Drogeneinheit, ermöglichte. In ähnlicher Weise will man offenbar auch im Falle von Eurojust ein fait accompli schaffen. (Heiner Busch) [1] in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 197 v. 12.7.2000, S. 1-23 [2] Bericht Di Pietro: A5-19/2000 v. 31.1.2000, angenommen am 17.2.2000 [3] Dok. 13370/99 Europol 48 v. 25.11.1999, Dok. 5845/00 Europol 1 v. 8.2.2000, erweiterte Europol-Stellungnahme als Dok. 5845/00 Add 1 v. 11.2.2000 [4] Überlegungsansätze zu Eurojust, Dok. 7384/00 Eurojust 1 CATS 21 v. 28.3.2000 [5] Exploratory Thoughts concerning Eurojust, Dok. 5700/99 CATS 7 v. 4.2.2000; Initiative der Bundesrepublik Deutschland für einen Beschluss zur Errichtung eines Stabes Eurojust, Dok. 8700/00 Eurojust 2 CATS 40 v. 22.5.2000 |
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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2000-2002 HTML-Auszeichnung: Felix Bübl, Martina Kant Erstellt am 3. September 2000 - letzte Änderung am 26.09.2002 |