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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 66 (2/2000)

abstand

Reserve hat niemals Ruh

Die unendliche Geschichte der Freiwilligen Polizei-Reserve Berlin


von Wolfgang Wieland


Dass die Freiwillige Polizei-Reserve den Kalten Krieg und etliche Skandale überstand, ist ein Wunder. Nach jedem Läuten des Totenglöckleins kam ein Wiedererstarken und ein Kompetenzzuwachs. Heute hat die in Freiwilliger Polizeidienst (FPD) umbenannte Reserve die Rolle eines allgegenwärtigen Hilfssheriffs. Nach einem zweiwöchigen Grundlehrgang stellt der Staat Uniform und Schusswaffe. Attraktiv ist die Reserve deshalb auch für die Halbwelt, für Law-and-order-Typen, für die rechtsradikale Szene.

Die Freiwillige Polizei-Reserve Berlin (FPR) ist ein Kind des Kalten Krieges. Erste Pläne für ihren Aufbau schmiedete schon der legendäre Nachkriegsbürgermeister Ernst Reuter, der von den Pfingsttreffen der FDJ und den bis zum Schusswaffengebrauch gehenden Auseinandersetzungen beim Eisenbahnerstreik der vom Osten betriebenen Reichsbahn beunruhigt war. Mit der Einrichtung wurde 1960, also noch vor dem Bau der Mauer, unter dem SPD-Innensenator Joachim Lipschitz begonnen. Zwei Drittel der Rekrutierten, so stellte die Presse damals fest, hatten schon in der großdeutschen Wehrmacht Waffenerfahrungen an Karabinern und Maschinenpistolen gesammelt. Die Polizeireservisten kamen von Beginn an großenteils aus dem öffentlichen Dienst der Frontstadt, auf dessen Angehörige man "sanften Druck" ausübte. Allgemein galt die FPR als notwendiges Gegengewicht zu den Betriebskampfgruppen im Ostteil der Stadt. Man erwartete buchstäblich, dass die "Insurgenten aus dem Osten" durch die U- und S-Bahnschächte eindringen würden.

Nach dem Mauerbau und der Verriegelung vieler Tunnelausgänge war diese Gefahr nicht mehr real. Dennoch erklärte der seinerzeitige Innensenator Heinrich Albertz, die Gegnerschaft zum Ulbricht-Regime lasse sich auf zweierlei Art zeigen: durch den Boykott der unter Ostberliner Regie geführten S-Bahn oder eben durch den Eintritt in die Polizeireserve. Die Politik ging mit ungutem Beispiel voran. CDU-Größen wie Eberhard Diepgen, Jürgen Wohlrabe und Heinrich Lummer sind stolze Träger der goldenen Ehrennadel der FPR. Wer auf Soldatenspiele nicht verzichten wollte, fand hier einen Ersatz für die Bundeswehr, von der die Westberliner wegen des alliierten Status verschont blieben.

Allein, die Insurgenten kamen nicht. Statt in den Westen zogen die Betriebskampfgruppen mit der Gulaschkanone und dem späteren ersten und letzten frei gewählten Oberbürgermeister Ost-Berlins, Tino Schwierzina, in die Müggelberge. Und auch bei der Polizeireserve stellten Manöverbeobachter fest, dass der Übungshöhepunkt jedes Mal das Kommando "Essen fassen" war. So übte Eisbeinesser-West im Grunewald mit Nato-Sturmgewehr G3 den Kampf gegen Eisbeinesser-Ost, der in den Müggelbergen mit der Kalaschnikow das Gleiche tat. Gehässige Menschen sprachen von einer "Geisterarmee" und vom "Dauerüben". Die Reserve geriet darüber in eine Sinnkrise.

Heinrich Lummer (CDU), Berlins Polit-Skandalnudel Nr. 1, erlöste als nunmehriger Innensenator die Reserve aus ihrer Krise. Unter seiner Ägide machte die FPR 1982 den Schritt weg von der Reserve des Kalten Krieges hin zum Einsatz im täglichen Dienst. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Begriff Reserve eigentlich überholt, denn es erfolgte ein Einsatz im sogenannten "mobilen Objektschutz", der Bewachung von Gebäuden und Einrichtungen mit Hilfe von Fahrzeugen. Ausgangspunkt für Lummers Revitalisierung der Bürgerkriegsarmee war die Auseinandersetzung mit der Hausbesetzer-Bewegung Anfang der 80er Jahre. Wie 20 Jahre zuvor appellierte der für sein direktes und ungeschminktes Reden bekannte Innensenator an den Selbstbehauptungswillen der Berliner. Auch wenn die Gefahr jetzt von Innen käme, so sei sie doch aus dem gleichen Holz gewachsen. Der Feind drohe nicht mehr durch den U-Bahnschacht zu kommen, er stehe bereits in der eigenen Wohnstube.

Der lange Bremsweg der SPD

Aus den Reihen der SPD, den politischen Eltern der FPR, wuchsen schon Anfang der 70er Jahre die ersten Zweifel, ob das Kind denn recht geraten sei. "Eher links angesiedelte SPD-Genossen aus dem Donnerstagskreis" - so schrieb der Spiegel 1971 - "kam zum Reservistenjubiläum freilich anderes in den Sinn. Sie beschlossen, sich nunmehr intensiv mit dem Problem Freiwillige Polizei-Reserve zu befassen. Und der frühere Berliner Juso-Chef, Jürgen Egert, Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, weiß auch schon, wie das enden wird: Mit einem Antrag auf Abschaffung der Freiwilligen Polizeireserve."[1]

Der lange Bremsweg des sozialdemokratischen Tankers sorgte dafür, dass dieser Antrag erst 20 Jahre später, dafür aber gleich zweimal gestellt wurde: zunächst 1990 vom damaligen rot-grünen Senat. Zu einer Beschlussfassung im Plenum des Abgeordnetenhauses reichte es nicht mehr, weil die Koalition an der Räumung besetzter Häuser in der Mainzer Straße zerbrach. Immerhin sah der Haushalt für 1991 keine Mittel mehr für die Reserve vor. Sie sollte endgültig Ruh haben. Bereits im Februar 1991, also im zweiten Monat ihrer geplanten Totenruhe, sah die SPD einen wortgleichen Auflösungsantrag, diesmal alleine von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, in anderem Licht, dem des Juniorpartners der nun für die Innere Sicherheit zuständigen CDU. Die Reserve überdauerte, erhielt im Laufe der Jahre weitere Kompetenzen und wurde Schritt für Schritt zur allgegenwärtigen Hilfspolizei.

Der erste Schritt wurde im Frühjahr 1992 getan. Der CDU/SPD-Senat brachte eine Gesetzesänderung im Abgeordnetenhaus ein, mit der die Zuständigkeiten der FPR über den bisherigen Aufgabenzuschnitt hinaus erstreckt werden sollten: auf die Unterstützung bei der Überwachung des Straßenverkehrs, die Unterstützung des polizeilichen Streifendienstes und den Streifendienst in Grün- und Erholungsanlagen, Wäldern und auf Friedhöfen, die Unterstützung bei öffentlichen Veranstaltungen sowie die Unterstützung bei Kurier- und Transportdiensten.

Zur Begründung führte der Senat aus: "Die im Jahre 1961 gegründete Freiwillige Polizei-Reserve (FPR) hat in einer Zeit der äußeren Bedrohung des freien Teils Berlins einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geleistet und sich dabei große Verdienste erworben. Ihre Aufgabe war es, im Falle einer äußeren Bedrohung die Polizei beim Schutz der für die Stadt lebenswichtigen Einrichtungen zu entlasten, da auf die Unterstützung durch die Polizeien anderer Bundesländer nicht zurückgegriffen werden konnte ... Mit der Herstellung der Deutschen Einheit und der Vereinigung der beiden Stadthälften in Frieden und Freiheit hat die FPR ihren aus der Entstehung abgeleiteten gesetzlichen Auftrag erfüllt. Dementsprechend sind die Bereiche neu zu definieren, in denen die Freiwillige Polizei-Reserve die Polizei von Aufgaben entlasten kann."[2]

Affären pflastern ihren Weg

Für die Umgestaltung der FPR von einer Wachpolizei hin zu einer allgemeinen Hilfspolizei sah es jedoch zunächst nicht gut aus, denn die SPD erinnerte sich zwischenzeitlich wieder an ihre alte Auflösungsforderung. Fraktionschef Dietmar Staffelt erklärte, "wir konnten uns in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen."[3]

Während der fraktionsinternen Erörterung der Umgestaltungspläne Mitte 1992 packte ein Waffenhändler der rechtsradikalen Szene bei der Berliner Kripo aus. Durch ihn stieß die "Soko Grunewald" auf zwölf Männer, die aus Frankreich und der Schweiz Pistolen, Gewehre, Waffenteile und Munition nach Berlin geschafft und in Erdlagern und Wäldern versteckt hatten. Fünf der Zwölf waren Mitglieder der FPR, der Sechste war schon wieder ausgeschieden, die Nummern Sieben und Acht waren nicht angenommen worden. Die Kripo schlug intern Alarm, da alle von denselben zwei Hauptkommissaren eingestellt worden waren. Man hatte den Verdacht der gezielten Einschleusung und der Benutzung der "Legalstruktur" der FPR durch die rechtsextreme Szene.

Der Vorfall löste einen regelrechten Schneeballeffekt aus, dessen Ausmaß jedoch erst im Februar 1993 öffentlich wurde. Zu 89 der 207 von den beiden Beamten eingestellten FPR-Angehörigen fand man Eintragungen im Berliner kriminalpolizeilichen Informationssystem ISVB. Da in diesem System auch AnzeigeerstatterInnen, also Opfer von Straftaten gespeichert werden, ist die Tatsache der Speicherung an sich nicht aussagekräftig. Dennoch war man ob der hohen Zahl der Notierungen reichlich alarmiert und ordnete polizeiintern eine Überprüfung sämtlicher Reservisten an. Diese Maßnahme wurde bereits von der Öffentlichkeit begleitet. Die Medienberichte und die vom Polizeipräsidenten verlautbarten vorläufigen "Treffer"-Quoten überschlugen sich. Bei einer Ist-Stärke der FPR von 2.360 Reservisten endete man schließlich bei einem Höchststand von 807 ISVB-Notierungen. Jeder Dritte sei vorbelastet - so titelte unisono die Hauptstadtpresse. Für die nach CDU-Diktion "größte Bürgerinitiative der Stadt" sah es so schlecht aus wie noch nie.
Der gerade abgewählte Polizeipräsident Schertz sprach von einem Auslaufmodell. "Ich hatte immer die Sorge, dass sich Leute zur FPR beworben haben, die einen persönlichen Geltungsdrang haben und vielleicht gerne eine Uniform tragen." Und auch der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, berichtete, "in der Polizei sei offen über rechtsradikale Tendenzen in der FPR gesprochen worden. Einige Reservisten hätten sogar während der 14-tägigen Grundausbildung Wehrsportübungen abgehalten. Die Beschuldigungen, die gegen die 89 FPR-Angehörigen erhoben werden, 'lesen sich wie eine Reise durch das Strafgesetzbuch - man findet bis auf Tötungsdelikte alles', sagte der Sprecher der Innenverwaltung: Vergewaltigung, Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens und Raub, am häufigsten jedoch ist der Vorwurf des einfachen Diebstahls."[4]

Der rechte Geist in der Reserve hätte den Verantwortlichen allerdings schon ohne Lektüre der Strafregisterauszüge auffallen können und müssen. So bedankte sich der FPR-Kurier, die offizielle Zeitschrift der Reserve, bei ihren Unterstützern durch Anzeigen. Einen stolzen zehnten Rang nahmen dabei die "Republikaner" ein, gleichauf mit der SPD, aber hinter der CDU, die auf Rang acht landete. Ansonsten glänzte man mit hausgestrickter Lyrik: "Mein Vorschlag für eine Berliner Hymne: Oh tun mir die Augen weh,/ wenn ich mein schönes Berlin so seh,/ das tut mir im Herzen weh!!!/ denn, wussten Sie eigentlich:/ dass Asylbewerber in einem Hotel am Kurfürstendamm untergebracht werden, das z.B. für Umsiedler als zu teuer angesehen wird?/ Dass der Berliner Wirtschaft, und nicht nur dieser, Schäden in Millionen Höhe durch den Betrug vieler Polen an Automaten mit Zlotymünzen entstanden sind?"[5]

Die Mühlen der parlamentarischen Untersuchung

Der im Juni 1993 eingesetzte Parlamentarische Untersuchungsausschuss fand bei 2.210 mit ihrem Einverständnis überprüften FPR-Angehörigen 517 Einträge im ISVB. Bei 109 Reservisten waren zudem Vorstrafen registriert. Der Leiter des zuständigen Referates, Polizeidirektor Klaus Karau, erklärte vor dem Untersuchungsausschuss: "Dabei haben wir festgestellt, dass in einzelnen Jahren - und zwar angefangen von 1963 bis 1993 - nicht akzeptable Einstellungen zu verzeichnen sind und insbesondere eine Häufung in den Jahren 1988 und 1989. Die Erklärung für die Häufung in den Jahren 1988 und 1989 ist zweifellos darauf zurückzuführen, dass die damaligen Einstellungssachbearbeiter offensichtlich die Richtlinien, die beim Referat existiert haben, nicht in dem Maße angewendet haben, wie es notwendig gewesen wäre."[6]

Spektakuläre Kriminalfälle hatten die FPR bereits vorher erschüttert, so der Fall der "Hammer-Bande" von Bank- und Juwelenräubern, an der 1978 zwei FPR-Angehörige beteiligt waren, und 1985 der Fall Abbas Yacoub, des "Waffenmeisters der rechtsextremen Szene", ebenfalls ein Reservist. Beide Vorgänge waren unter der Decke gehalten worden. Auch der Untersuchungsausschuss konnte keine restlose Klarheit darüber bringen, wie die Polizei auf diese Fälle reagiert hatte. Sicher ist jedoch, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt die Reservisten überprüft worden waren - allerdings ohne vorherige Information.

Vor dem Untersuchungsausschuss sagte der Leitende Polizeidirektor Waldow dazu aus, man habe das genaue Ergebnis nicht feststellen können. "Wir fanden nur einen Zettel, praktisch eine Notiz, einen Waschzettel, wo Zahlen enthalten waren ... wahrscheinlich in der Größenordnung von 810 Belastungen oder Erkenntnissen, wie wir es genannt haben. Was daraus geworden ist, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass der heutige stellvertretende Referatsleiter ... sehr eindringlich davor gewarnt hatte, dass hier etwas geschehen müsse. Er nannte dann eine Zahl von etwa 300 straffällig Gewordenen, die aber nicht anzuschreiben wären, die nicht aus der FPR zu entfernen seien, sondern wo man durch Gespräche die Leute zu überzeugen hätte, dass sie vielleicht freiwillig kündigten. Warum man dies getan hat, wissen wir nicht. Man kann es nur vermuten. Es gibt immer wieder Andeutungen von damals handelnden Personen, dass man nicht ganz sicher war, ob man nach datenschutzrechtlichen Dingen richtig gehandelt hatte oder nicht. Aber, wie gesagt, wir konnten dies nicht nachvollziehen, weil ein Abschlussbericht zu diesen ganzen Vorgängen von 1985 nicht auffindbar war."[7]

Innensenator Lummer erinnerte sich vor dem Ausschuss an gar nichts mehr. Anders der für die Überprüfungen zuständige Erste Polizeihauptkommissar Michael Thürnagel: "Ich remonstrierte sofort gegen diese Überprüfung hinter dem Rücken der PRes (Polizeireservisten, d. Verf.), denn ich hielt sie für rechtswidrig. Daraufhin wurde mir von der Referatsleitung eröffnet, dass auch die Polizeibehörde Bedenken und rechtliche Zweifel hätte, aber die Entscheidung sei gefallen, und die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme läge bei der Polizeibehörde. Weiterhin sei ich angewiesen, über die Angelegenheit strengstes Stillschweigen zu wahren. Nach der Überprüfung durch die Fachdienststelle sollte ich alle rücklaufenden Ausdrucke auf 'Rechte' bzw. 'Waffen' (Handel, Besitz, Benutzung) checken, bei Erkenntnissen die PRes telefonisch unter einem Vorwand ins Referat bestellen und zur Kündigung 'bewegen'. In keinem Fall sollte etwas Schriftliches gefertigt werden, das Hinweise auf diese 'illegale' Aktion geben würde ... Da es unter der vorgegebenen Weisung (absolute Geheimhaltung) nicht möglich war, mindestens 300 PRes (Schätzung) vorzuladen und zur Kündigung zu bewegen, blieb es bei der fatalen Situation, dass mindestens 10% aller PRes mit mehreren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren belastet waren. Auch nach Abschluss der Überprüfungsaktion lehnte es die Referatsleitung ab, etwas zu unternehmen, um eine 'Reinigung der FPR' von den belasteten PRes herbeizuführen. Ich nehme an, man wollte den Personalstand der FPR gegenüber der Polizeibehörde und den Alliierten halten. Meine Hinweise auf die tickende Zeitbombe und die Verantwortung gegenüber der FPR, die ja insgesamt aus ehrenwerten, streitbaren Demokraten bestand, wurden belächelt."[8]

Als die Zeitbombe dann tatsächlich explodierte, lächelte niemand mehr. Aber man bestand darauf, diesmal alles öffentlich, ohne Spurenverwischung und Aktenvernichtung, durchgecheckt zu haben. "Nun ist die Reserve clean", dies behauptete die große Koalition, und die SPD war darüber so begeistert, dass sie im Jahre 1995 zum Abschluss des Untersuchungsausschusses die Forderung nach der Auflösung bereits wieder vergessen hatte. Einzig die Grünen beharrten darauf, die Reserve sei weder clean, noch sei ein erneuter Eintritt von Rechtsextremen auszuschließen. Da die Bewerber nicht verbeamtet sind und es auch nicht werden, kann nur der auffallen, der von sich aus bei einem gegen ihn laufenden Strafverfahren seine Mitgliedschaft in der FPR angibt. Verschweigt er es, gibt es keine Mitteilung an das für die Reserve zuständige Referat. Ein Rechtsextremist ohne Strafverfahren kann nicht auffallen, da das Landesamt für Verfassungsschutz nicht beteiligt ist. Hier rächt sich eben die Konstruktion, dass Teile des staatlichen Gewaltmonopols in höchst fahrlässiger Weise an Privatleute delegiert werden.

Alles wie gehabt

Die Ängste der grünen Fraktion bewahrheiteten sich schon bald. Im Januar 1996 wurde aufgedeckt, dass ein direkter Grundstücksnachbar des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen nicht nur Kollege in der FPR war, sondern auch Direktkandidat der Republikaner bei der Abgeordnetenhauswahl und Teilnehmer einer Reichsgründungsfeier der rechtsextremen "Kulturgemeinschaft Preußen e.V.". Einzige Folge dieses Vorgangs war ein Ermittlungsverfahren wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses gegen unbekannte Polizeibeamte.

Die Reserve hatte publizistische Ruh, bis sie im Jahre 1999 - pikanterweise zeitgleich mit der Einführung der Schleierfahndung in Berlin - zum Freiwilligen Polizeidienst (FPD) aufgewertet wurde. Während 1992 noch von bloßer Unterstützung die Rede war, heißt es nunmehr in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Freiwilligen Polizeidienst: "Der freiwillige Polizeidienst kann eingesetzt werden zur Überwachung des Straßenverkehrs, zum polizeilichen Streifendienst, bei öffentlichen Veranstaltungen." Was sie bis dato nur unterstützend zur Schutzpolizei unternehmen durfte, kann die erneuerte FPR nun auch alleine.

So schön hatten es Hilfs-Sheriffs nicht einmal in Dodge City. Dem Berliner GdP-Vorstand langte es denn auch. Er trat pünktlich zum 1. Mai 1999 aus der SPD aus. Er hatte ja auch lange Geduld mit seiner Partei.

Wolfgang Wieland ist Rechtsanwalt und Fraktionsvorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin.


[1] Der Spiegel 1971, Nr. 35
[2] Berlin, Abgeordnetenhaus Drs. 12/1287
[3] BZ v. 16.2.1993
[4] Der Tagesspiegel v. 16.2.1993
[5] FPR-Kurier 4. Jg., H. 9
[6] Bericht des Untersuchungsausschusses, Drs. 12/5187, S. 8
[7] ebd., S. 14f.
[8] ebd., S. 16

Bibliographische Angaben: Wieland, Wolfgang: Reserve hat niemals Ruh. Die unendliche Geschichte der Freiwilligen Polizei-Reserve Berlin, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 66 (2/2000), S. 31-38

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Erstellt am 3. September 2000 - letzte Änderung am 26.09.2002