Bürgerrechte & Polizei/CILIP 67 (3/2000) |
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Chronologie | |
zusammengestellt von Peter Bienwald |
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Juli 200004.07.: Strafverfahren gegen bayerische PolizistInnen: Auf eine Anfrage der Grünen im Landtag erklärt das Innenministerium, von 1997-1999 seien ca. 2.400 Ermittlungsverfahren gegen PolizeibeamtInnen eingeleitet worden; rund 2.000 endeten mit Freispruch. 680 dienstliche Ermittlungen wurden geführt und 545 Disziplinarverfahren eröffnet. 07.07.: Aufruf zur Fahnenflucht nicht strafbar: Gemäß einem Urteil des Landgerichts (LG) Berlin war ein Aufruf, der während des Kosovo-Krieges Bundeswehrsoldaten zur Desertion aufforderte, durch Artikel 5 Grundgesetz (GG) gedeckt. Die Staatsanwaltschaft kündigt Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) an. 09.07.: Neonazi als V-Mann: Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm rechtfertigt den Einsatz des V-Mannes "Piato" in der rechtsextremen Szene mit dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Der Spitzel war 1995 wegen Mordversuchs an einem nigerianischen Asylsuchenden zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Innenstaatssekretär Eike Lancelle erklärt am 20.9., der nigerianische Flüchtling erhalte jetzt 50.000 DM Schmerzensgeld vom Land Brandenburg. 10.07.: Staatsbesuch von Chatami: Zum Schutz des iranischen Präsidenten bei seinem Besuch in Berlin sind fast 4.000 PolizeibeamtInnen im Einsatz. 8.000 Menschen demonstrieren gegen die Politik des Iran. 12.07.: "Schleuserorganisation" zerschlagen: In einer grenzüberschreitenden Aktion verhaften Polizeibehörden aus Deutschland, Italien und Österreich 30 Personen, die rund 1.000 KurdInnen illegal nach Bayern gebracht haben sollen. 18.07.: Wies'n Polizist verurteilt: Das Münchener Amtsgericht verurteilt einen Polizeiobermeister wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Beim Oktoberfest 1998 hatte er sechs Personen ohne Grund festnehmen lassen. Seine mitangeklagten KollegInnen erhalten Bewährungsstrafen von neun bis vierzehn Monaten. 19.07.: Verbot des Kurdistan-Komitees bestätigt: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkennt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) an, in welchem dem Verein die Unterstützung der verbotenen PKK und Gefährdung der inneren Sicherheit vorgeworfen wird. 20.07.: Gelöbnis blockiert: Etwa 40-50 DemonstrantInnen werden in Berlin-Reinickendorf festgenommen. Sie hatten sich kurzfristig auf eine Straße gesetzt, auf der die Busse mit den Gästen eintreffen sollten. 24.07.: Hausdurchsuchung nach Anti-Haider-Demo: Das Göttinger Amtsgericht verfügt eine Hausdurchsuchung bei zwei des Landfriedensbruchs Beschuldigten. Sie sollen bei einer Demonstration am Absperrgitter gerüttelt haben. Beschlagnahmt werden zwei Mützen und ein Computer; die Verdächtigen werden erkennungsdienstlich behandelt. 27.07.: Verurteilung von Polizisten bestätigt: Der BGH bestätigt ein Urteil des LG Frankfurt/Oder, das im Mai 1999 vier Bernauer Polizisten wegen massiver Übergriffe auf festgenommene Vietnamesen zu zwei Jahren auf Bewährung und Geldstrafe verurteilt hatte. August 200004.08.: Chaos-Tage in Hannover: Die Polizei geht nach eigenen Angaben "massiv" gegen Punks vor. In zwei aufeinander folgenden Nächten werden jeweils 150 Personen festgenommen. 05.08.: Stimmenvergleich ohne Ergebnis: Eine Stimmenanalyse des Landeskriminalamts (LKA) kann nicht zweifelsfrei klären, ob ein Berliner Polizist telefonisch mit einem rechten Terroranschlag gedroht hat. 07.08.: Suspendierung eines Berliner Polizisten: Das Verwaltungsgericht bestätigt die schon am 1. Juli erfolgte Suspendierung eines Polizisten, der durch fremdenfeindliche und antisemitische Sprüche aufgefallen war. Bei ihm waren zudem Sprengstoff und Waffen gefunden worden. 09.08.: Entwurf für Polizeigesetznovelle in Brandenburg: Das Kabinett billigt Innenminister Schönbohms Entwurf, der u.a. Befugnisse zur Videoüberwachung und den "finalen Rettungsschuss" enthält. 10.08.: Nivel-Urteil rechtskräftig: Der BGH bestätigt das Urteil des LG Essen gegen vier Hooligans, die während der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Lens den französischen Polizisten Daniel Nivel schwer verletzt hatten. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren verurteilt. 11.08.: "Hamburger Sturm" verboten: Der Hamburger Senat verbietet die rechtsextremistische Gruppe wegen der Verbreitung rassistischer, den Nationalsozialismus verherrlichender Texte. 14.08.: Lebenslang für Polizistenmord: Das LG Wuppertal verurteilt einen Dealer, der im April 1999 einen Polizisten erschossen und seinen Kollegen schwer verletzt hatte, als diese seine Wohnung erstürmten. 15.08.: NRW-Aktionsprogramm gegen Fremdenfeindlichkeit: Das Programm der Landesregierung beinhaltet polizeiliche "Hausbesuche" bei bekannten Rechtsextremisten, die Einrichtung von besonderen Ermittlungsgruppen sowie von Büros, die Opfern bei Klagen helfen sollen. Gefordert wird zudem eine bundesweite Datei "Rechte Gewalttäter". 16.08.: Hetzaufruf untersagt: Der im Internet veröffentlichte Aufruf (mit Bild) gegen einen Gewerkschafter ist - so das OLG Thüringen - nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, weil er den Betroffenen der Verfolgung preisgebe. (Az.: 3W 486/00) 20.08.: Rechte Demonstration und Gegendemonstration: Weil sie mit Gegenständen geworfen hätten, kesselt die Polizei in Hamburg rund 30 linke DemonstrantInnen ein. Deren Protest richtete sich wie zuvor eine Demonstration von 1.000 Personen in der Innenstadt gegen eine rechte Versammlung vor dem Hauptsitz des Springer-Verlags. 22.08.: Skinhead-Überfall verschwiegen: Wegen der "politischen Brisanz" eines Skinhead-Überfalls auf einen schwarzen Deutschen in Barmstedt (Schleswig-Holstein) informiert die Staatsanwaltschaft Itzehoe erst drei Tage nach dem Ereignis die Öffentlichkeit. 25.08.: Festnahme des Opfers: In Rathenow (Brandenburg) greift ein 21-jähriger einen aus Hongkong stammenden britischen Journalisten und drei Asylsuchende an. Die herbeigerufenen Polizistinnen bringen den Journalisten mit Gewalt zur Wache, lassen den Angreifer aber laufen. Letzterer wird am 30.8. zu fünf Monaten auf Bewährung verurteilt, gegen die Beamtinnen läuft ein Disziplinarverfahren. 28.08.: Rechtsextreme Straftaten selten angeklagt: Laut Frankfurter Rundschau hat die Berliner Staatsanwaltschaft 1999 von 1.366 einschlägigen Ermittlungsverfahren nur 150 zur Anklage gebracht. 823 wurden eingestellt, 318 dauern noch an. In Brandenburg wurde 1999 in 1.247 Fällen ermittelt. 29.08.: Kurdenfreispruch revidiert: Der BGH hebt einen Freispruch des LG Berlin vom November 1999 auf. Die drei Kurden waren am 17.2.1999 vor der israelischen Botschaft bei Protesten gegen die Entführung Öcalans von Sicherheitsleuten angeschossen worden. Das LG habe seiner Bewertung einen zu kurzen Zeitraum zugrundegelegt. 30.08.: Haftstrafen für Neonazis: Wegen Mordes an dem 39-jährigen Mosambikaner Alberto Adriano verurteilt das OLG Naumburg drei Männer zu lebenslanger bzw. neunjähriger Haft. September 200001.09.: Bundesgrenzschutz (BGS) schaltet Hotline: Über die Telefonnummer 01805-234566 können Beobachtungen über rechtsextreme Bedrohungen und Gewalttaten gemeldet werden. 02.09.: Demonstrationen gegen rechten Aufmarsch: Wegen Blockaden und einzelnen Steinwürfen von GegendemonstrantInnen wird die Demonstration für den Erhalt des rechtsextremen Club 88 in Neumünster umgeleitet. Am 16.9. werden 101 der rund 800 Personen festgenommen, die gegen einen neuerlichen rechten Aufmarsch demonstrieren. 05.09.: Strafmilderung wegen Lockspitzeleinsatz: Nachdem der BGH im November 1999 ein erstes Urteil aufgehoben hatte, gewährt das LG München I einem 29-jährigen Italiener, der auf Drängen eines V-Manns des Polizeipräsidiums Oberbayern ein Kilogramm Kokain besorgt hatte, eine erhebliche Strafmilderung (2.400 DM Geldstrafe). 08.09.: Tödlicher Fluchtversuch aus der Abschiebehaft: Der Berliner Innensenator Werthebach bestätigt, dass ein 28-jähriger mongolischer Asylsuchender bei dem Versuch, sich aus dem sechsten Stock des Abschiebegefängnisses abzuseilen, zu Tode stürzte. Laut der Berliner "Antirassistischen Initiative" ereignete sich der Vorfall bereits am 30.8. 11.09.: Sexuelle Übergriffe: Ein Münchner Amtsgericht verhandelt gegen einen Ex-BGS-Beamten, der bei Kontrollen auf dem Hauptbahnhof Drogenabhängige und Prostituierte sexuell belästigt haben soll. 12.09.: Sachsens Justizminister tritt zurück: Steffen Heitmann zieht die Konsequenz aus der anhaltenden Kritik vor allem des Landesdatenschutzbeauftragten Giesen an Eingriffen in die Unabhängigkeit der Justiz. Ein Verfahren gegen Heitmann wegen Dienstgeheimnisverletzung wird Mitte Oktober eingestellt. Gegen Giesen ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter wegen unzulässiger Weitergabe von Daten an die Presse. 14.09.: Tote durch rechte Gewalt: Laut einer Dokumentation von "Tagesspiegel" und "Frankfurter Rundschau" forderte rechtsgerichtete Gewalt seit der Wiedervereinigung 93 Todesopfer. Die Bundesregierung ging bisher von 26 Toten aus. Eine Projektgruppe des Innenministeriums soll die Zahlen überprüfen. 16.09.: Razzia bei "Vandalen": 400 PolizistInnen, teilweise aus Sondereinsatzkommandos, sind bei der Durchsuchung des Clubhauses der rechtsextremen Gruppe in Berlin-Weißensee im Einsatz. 13 Personen werden vorläufig festgenommen, 237 kontrolliert. 19.09.: Generalstaatsanwalt Selter entlassen: Nachdem das Landgericht Kleve die von Selter angeordnete Durchsuchung beim Landtagsabgeordneten Ronald Pofalla (CDU) wegen Steuerermittlungen als rechtswidrig eingestuft hatte, beantragt der Justizminister Nordrhein-Westfalens bei der Landesregierung die Entlassung. 20.09.: Jugendstrafen für rechte Schläger: Das Amtsgericht Eisenach verurteilt vier Jugendliche aus der rechten Szene wegen eines Überfalls auf zwei afrikanische Asylsuchende zu Strafen von sieben bis achtzehn Monaten (davon zwei auf Bewährung). In drei Fällen erkennt der Richter wegen Alkohol auf verminderte Schuldfähigkeit. 27.09.: Mehr Telefonüberwachung: Nach Angaben des Bundesjustizministeriums haben die Strafverfolgungsbehörden 1999 in 3.034 Verfahren Telefone und Faxgeräte von 6.443 Personen, davon rund 40% unverdächtige Dritte, abhören lassen. Von den 1999 neu ergangenen Anordnungen waren 12.651 Anschlüsse betroffen, von Verlängerungen 3.259. 29.09.: Ermittlungen wegen Razzia in Wolfenbüttel: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen drei Polizisten, die Anfang September eine Unterkunft für Asylsuchende in Wolfenbüttel durchsuchten. Sie waren außer Dienst, angetrunken und ohne richterlichen Beschluss in das Heim eingedrungen und hatten Ausweise kontrolliert. Oktober 200011.10.: Rechte Straftaten fast verdoppelt: Laut Bundesinnenministerium wurden allein im August 1.112 rechtsextreme Straftaten verzeichnet. In den ersten sieben Monaten des Jahres lag der Durchschnitt bei 668. 12.10.: Gericht lässt Demo gegen Sicherheitswahn zu: Das Leipziger VG erlaubt eine Demonstration gegen Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen und widerspricht damit dem Verbot des Ordnungsamts. 13.10.: Hamburger Amtsrichter verurteilt: Ronald Schill alias "Richter gnadenlos" wird wegen Rechtsbeugung zu 12.000 DM Geldstrafe verurteilt. Er hatte die Beschwerde von zwei in Ordnungshaft genommenen Prozesszuschauern aus der linken Szene verschleppt. Ein Disziplinarverfahren soll jetzt über sein Verbleiben im Amt entscheiden. 17.10.: Maschinenpistoleneinsatz gerechtfertigt: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg stellt die Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte ein, die am 6.3. einen jungen Mann, der sie mit einer echt aussehenden Spielzeugpistole bedroht hatte, erschossen hatten. 18.10.: Strafbefehl wegen Mobbing: Kurz vor Verfahrensbeginn akzeptiert ein inzwischen entlassener Münchner Polizist einen Strafbefehl wegen Mobbings einer Kollegin, die sich wegen ständiger Beleidigungen und sexueller Herabwürdigungen im Februar 1999 mit ihrer Dienstwaffe erschossen hatte. Eine Schmerzensgeldklage der Eltern steht noch aus. 19.10.: BGS-Jahresbericht 1999: 1999 verzeichnete der BGS 37.789 unerlaubte Einreisen, 6% weniger als 1998. Die meisten Aufgriffe (12.846) erfolgten an der deutsch-tschechischen Grenze. 10.980 Aufgriffe fanden an der EU-Binnengrenze zu Österreich statt. 26.10.: Innenminister für NPD-Verbot: Die Innenministerkonferenz befürwortet - bei Stimmenthaltung des saarländischen und des hessischen Ministers (beide CDU) - einen Verbotsantrag beim BVerfG. 27.10.: Deutsche dürfen ausgeliefert werden: Mit einer Änderung von Art. 16 GG ermöglicht der Bundestag die Auslieferung von Deutschen an EU-Staaten und den künftigen internationalen Strafgerichtshof. 28.10.: Düsseldorfs größter Polizeieinsatz seit dem Krieg: Mehrere Tausend PolizistInnen aus fünf Bundesländern sind wegen dreier Demonstrationen aufgeboten. Die NPD demonstriert am Rheinufer, der Allgemeine Studentenausschuss sowie ein Bürgerbündnis veranstalten Gegendemonstrationen. Peter Bienwald studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin. |
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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2000-2002 HTML-Auszeichnung: Felix Bübl, Martina Kant Erstellt am 14. Januar 2001 - letzte Änderung am 18.07.2002 |