Bürgerrechte & Polizei/CILIP 68 (1/2001) |
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Editorial |
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von Heiner Busch |
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Mieterinnen und Mieter kennen das. Die Leitungen des Hauses sind morsch. Der
Schimmel wächst vom Keller hoch. Doch die Hausbesitzer lassen die Fassade
renovieren. Hauptsache, es sieht sauber aus, die Kinder spielen nicht zu laut
auf dem Hof, und ihre Eltern hängen keine Wäsche aus dem Fenster.
Dafür, dass letzteres nicht passiert, hat der Hauswart zu sorgen.
Die bundesdeutsche Politik in Sachen Rechtsextremismus scheint sich an
diesem Modell zu orientieren. Jahrelang hat man rechtsextreme Gewalt
verharmlost und die Zahlen der Opfer schön geredet. Seit dem
Bombenanschlag in Düsseldorf am 27. Juli letzten Jahres, der jüdische
Einwanderer aus Osteuropa traf und dessen Hintergründe bis heute
ungeklärt sind, überschlägt sich die Debatte. Das "Ansehen der
Bundesrepublik" im Ausland stand auf dem Spiel, und die offizielle Politik
wollte "Zeichen" setzen.
Sieht man von den zu nichts verpflichtenden und auch nichts bewegenden
Aufständen der Anständigen ab, geschieht das nicht etwa, indem man
sich auf die Seite der Opfer stellt - insbesondere der Asylsuchenden und
MigrantInnen, aber auch der Obdachlosen, der Homosexuellen, der mit
Quasi-Fahndungsaufrufen bedrohten Linken. Zur Debatte steht nicht die Aufhebung
der Residenzpflicht für Asylsuchende und erst recht nicht die
Wiedereinführung des Grundrechts auf Asyl, das 1993 - als Antwort auf die
pogromartigen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen (!) - bis zur
Unkenntlichkeit reduziert wurde. Der Vorstoß für das NPD-Verbot ging
von Bayerns Innenminister Beckstein aus. Er repräsentiert eine Partei, die
vor nicht allzu langer Zeit massenhaft rassistische Stimmung gegen die doppelte
Staatsangehörigkeit machte und nun deutsche Leitkultur und Stolz auf die
Nation verbreitet. Hand in Hand geht er mit dem Bundesinnenminister, der nicht
müde wird, die Umwandlung der Reste des Rechts auf Asyl in ein staatliches
Gnadenbrot zu fordern. Das "entschlossene" Vorgehen gegen den
Rechtsextremismus und die Verteidigung des Ansehens der Deutschland AG
dürfen die Politik gegenüber den Opfern um keinen Deut
ändern.
Wer beide Ziele unter einen Hut bringen will, der muss jeden Bezug der
rassistischen Gewalt zur offiziellen Politik der Staatsparteien negieren. Das
allerdings geht nur, indem man Neonazis und Skinheads zu einem Problem der
Sicherheit und Ordnung und eines des politischen Extremismus erklärt.
Für solche Angelegenheiten hat auch die BRD ihre Hauswarte.
Dass Polizei und Verfassungsschutz auch auf dem rechten Auge zu sehen beginnen,
hat einen Teil der Bürgerrechtsgruppen und der Linken ratlos gemacht. Das
gilt nicht nur für den NPD-Verbotsantrag, bei dem sich eine
merkwürdige Einigkeit von CSU bis PDS zeigt und zu dem auch in diesem Heft
zwei kontroverse Beiträge zu lesen sind. Der Autor dieser Zeilen kann sich
dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass Teile der Linken nach einem etwas
abgeänderten St.-Floriansprinzip handeln. Heiliger staatlicher Florian,
verbiete die Parteien der Rechten, aber bitte nicht unsere Organisationen;
verbiete ihre Aufmärsche, aber lass uns in Gorleben blockieren, erfasse
alle, die auf der Rechten kreuchen und fleuchen, schaffe den "gläsernen
Neonazi", aber wahre unseren Datenschutz. Angesichts der wunderbaren Sehkraft
der einstigen Blinden wird vergessen, dass die Instrumente der "wehrhaften
Demokratie", die Organisationsdelikte im Strafrecht, die verdeckten
staatsschützerischen Methoden eigentlich immer für uns gedacht waren,
dass unsere Demonstrationen mit den gleichen Gefahrenvermutungen eingedeckt
wurden und werden wie heute die Aufmärsche der Rechten.
Gerade die Begründung des NPD-Verbotsantrags durch den Verfassungsschutz
müsste all jenen in den Ohren klingeln, die nach dem beschriebenen
St.-Floriansprinzip zu politisieren gedenken. Hebt sie doch gerade darauf ab,
dass die Gefährlichkeit der NPD an der wachsenden Zahl ihrer
Demonstrationen abzulesen sei, aus ihrer Verachtung des Parlaments oder gar der
Missachtung staatlicher Gewalt. Wer die verfassungsschützerischen
Kommentare liest, wird den Eindruck nicht los, dass sie problemlos auf die
außerparlamentarische Linke gemünzt werden können und auch oft
genug schon wurden.
Mindestens aus eigenem Interesse haben Bürgerrechtsgruppen, linke Parteien
und Bewegungen ihren kritischen Verstand zu behalten, wenn die gerade
abgeschaffte Kronzeugenregelung über die Hintertür wieder
eingeführt, wenn Einschränkungen der Versammlungsfreiheit,
flächendeckende Erfassung, Razzien, Videoüberwachung und aufgeblasene
Dateien als Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus verkauft werden sollen.
"Öffentliche Auseinandersetzung statt geheime Überwachung",
hieß das Motto einer Veranstaltungsreihe des Archivs Schnüffelstaat
Schweiz zum Rechtsextremismus im Nachbarland. Nichts sollte uns daran hindern,
den Versuch der Rechten, die "Straße zu erobern", mit einer
Mobilisierung für mehr Grundrechte und mehr Demokratie zu kontern. Heiner Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP. |
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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2001-2002 HTML-Auszeichnung: Felix Bübl, Martina Kant Erstellt am 6. Mai 2001 - letzte Änderung am 19.09.2002 |