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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001)

abstand

Inland aktuell



Gewalt gegen PolizistInnen

Im Jahr 2000 wurden acht PolizistInnen im Dienst getötet. Diese hohe Zahl von Todesfällen war Anlass für eine besondere Art von Public-Private-Partnership: Gefördert insbesondere mit den Geldern der Gewerkschaft der Polizei und "strukturell" von der Innenministerkonferenz, untersucht das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen die Häufigkeit von Angriffen gegen PolizeibeamtInnen sowie die situativen und personellen Konstellationen, die zu Gewalthandlungen führten. Neben gesichertem empirischen Wissen will die Studie Empfehlungen geben, wie die Sicherheit von PolizistInnen verbessert werden kann. Die Untersuchung ist auf zwei Jahre angelegt; im Mai 2001 wurde ein Zwischenbericht vorgelegt. Zu Grunde lagen ihm Berichte der Innenministerien und die Auswertung von rund 1.000 Fragebögen, die von PolizistInnen ausgefüllt wurden, die zwischen 1985 und 2000 Opfer von Angriffen geworden waren. Die wichtigsten Befunde der repräsentativen Stichprobe sind:

  • Trotz des Anstiegs im Jahr 2000 hat die Gewalt gegen PolizeibeamtInnen insgesamt abgenommen: verglichen mit den Vorjahren gab es in der zweiten Hälfte der 90er Jahre weniger durch Angriffe verletzte PolizistInnen, weniger Angriffe mit Tötungsabsicht und weniger Angriffe mit Schusswaffen auf die Polizei.
  • Polizeibeamte tragen im Vergleich mit der Normalbevölkerung ein erhöhtes Risiko, mit Tötungsabsicht angegriffen zu werden. Allerdings ist das Risiko, getötet zu werden, für PolizistInnen geringer als für die NormalbürgerInnen.
  • Die Angriffe fanden überwiegend bei Dunkelheit, im öffentlichen Raum und in eher bürgerlichen Vierteln statt. Drei Viertel der Täter waren deutscher Nationalität; fast immer handelte es sich um Männer; überwiegend waren die Täter alkoholisiert; knapp die Hälfte war "polizeibekannt".
  • Die angegriffenen BeamtInnen waren mehrheitlich auf Funkstreife. Die Angriffsorte galten als ungefährlich. Angriffe mit Tötungsabsicht entwickelten sich überproportional häufig aus Fahrzeugkontrollen und Situationen ohne vorherigen Körperkontakt. Die Überprüfung verdächtiger Personen, das Verhindern einer Flucht sowie das Ansprechen und Verfolgen von Personen wurden als besonders gefährlich identifiziert.

Mit Spannung darf man den Endbericht erwarten, der in einem Jahr vorliegen soll. Schon jetzt lässt sich sagen, dass sowohl das Stereotyp von den besonders gewalttätigen Ausländern als auch das von der steigenden Gewaltbereitschaft (gegenüber der Polizei) widerlegt werden konnte. Dass sich trotz dieser Entdramatisierung die Auftraggeber auch in ihrer Aufrüstungsstrategie (von der Ausstattung mit Schutzwesten über die Hand an der Waffe bei Verkehrskontrollen bis zur Einführung von Deformationsmunition) bestätigt sehen, stimmt allerdings wenig optimistisch.

(Norbert Pütter)


Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

Im Juni veröffentlichte das Bundesinnenministerium den Entwurf eines "Informationsfreiheitsgesetzes" (IFG), das in der Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode vereinbart worden war. Das Gesetz postuliert in § 1 einen Grundsatz, der mit dem hergebrachten Prinzip der Amtsverschwiegenheit endlich bricht: "Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes ein Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen." Wie bei allen derartigen Gesetzen entscheiden die Ausnahmen von diesem Grundsatz über die tatsächliche Reichweite der Informationsfreiheit. Der Entwurf enthält Bestimmungen über vier Ausnahmen, die den Schutz von "Gemeinwohlinteressen", von "Verwaltungsabläufen", von "Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen" und den Schutz "personenbezogener Daten" betreffen. Besonders großzügig werden die Ausnahmen hinsichtlich des Schutzes von "Gemeinwohlinteressen" formuliert. So besteht kein Zugangsrecht, wenn eine Information "die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung oder Belange des Staatsschutzes berührt". Für diese Politikbereiche wird die Informationsfreiheit außer Kraft gesetzt. Sofern der Zugang zu Dokumenten "eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verursachen kann", muss der Zugang auch verweigert werden. Diese Formulierung erlaubt, weite Bereiche der Polizei und der Justiz weiterhin vor öffentlichem Einblick zu schützen. Wie sehr das staats-schützerische Bemühen den Entwurf dominiert, zeigt auch die Vorschrift über die Vertraulichkeit behördlicher Beratungen: Ausweislich der Begründung sollen Gesetzentwürfe erst dann zugänglich sein, wenn sie vom Kabinett beschlossen worden sind - d.h. der jetzige Entwurf, da noch nicht von der Bundesregierung beschlossen, wäre nach den IFG-Bestimmungen nicht zugänglich! Erheblicher Nachbesserungsbedarf ist angesagt. Informationen zum Stand der IFG-Gesetzgebung (auch in den Bundesländern) sind zu finden unter: http://www.transparente-verwaltung.de

(Norbert Pütter)


Kritische PolizistInnen vor der Auflösung?

Vermutlich nur noch ein Wunder kann die "Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal) e.V." vor dem endgültigen Ende retten. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte die Krise durch drei Unterlassungsklagen, ausgelöst durch eine Pressemitteilung des Vorstandes, in der Mobbing-Vorwürfe gegen einen Berliner Polizeibeamten erhoben worden waren. Da die bisherigen Prozesse in diesem Streit verloren gingen, entstanden bereits Kosten von 10.000 bis 30.000 DM - eine Summe, die in jedem Fall durch Vereinsmittel nicht gedeckt werden kann. Das Finanzproblem ist jedoch nur ein Aspekt der Krise. Bereits im letzten Jahr waren drei Gründungsmitglieder ausgestiegen, weil bei den Kritischen nach Ihrer Ansicht die "Beschäftigung mit der Polizei" an die Stelle der "politischen Auseinandersetzung über gesellschaftspolitische Themen" getreten sei. Außerdem, so der Schlussabsatz in der Austrittserklärung, sei "nach all den Jahren aktiven Eintretens für Grund- und Menschenrechte auch die Luft raus". Auf der Mitgliederversammlung im November 2000 wurde ein Auflösungsantrag abgelehnt. Mit einem neuen Vorstand sollte eine neue politische Standortbestimmung gesucht werden. Stattdessen eskalierten jedoch, beschleunigt durch die Berliner Mobbing-Vorwürfe, die Probleme innerhalb des Vorstandes: Am 5. Mai wählte eine außerordentliche Mitgliederversammlung Thomas Wüppesahl als Sprecher ab. Der Sprecher erkannte die Abwahl jedoch nicht an, da er die Rechtmäßigkeit der Versammlung bezweifelt(e). Im Anschluss an diese Vorgänge erklärten u.a. die Vorstandsmitglieder Manfred Such, Dieter Schenk und Martin Herrnkind ihren Austritt. Ein erneuter Neuanfang ist gegenwärtig nicht in Sicht. Dabei wären kritische Impulse innerhalb der deutschen Polizei heute genauso nötig, wie sie es vor 15 Jahren waren, als sich das "Hamburger Signal" gründete. Zu hoffen bleibt, dass die "Kritischen" auch ohne ihre Vereinigung kritische PolizistInnen bleiben, und dass sich zukünftig Kooperationsformen herausbilden, die die Vereinzelung derjenigen verhindern, die dem Mainstream bundesrepublikanischer Polizeipolitik widerstehen.

(Norbert Pütter)


Saarländische Polizeirechtsnovelle

Am 2.2.2001 trat die bereits im Oktober vergangenen Jahres vom Landtag beschlossene Novelle des Saarländischen Polizeigesetzes in Kraft. Die neue CDU-Regierung holte damit Polizeirechtsverschärfungen nach, die die anderen Länder schon vorgenommen hatten.

Mit der Änderung wurde der polizeiliche Aufgabenbereich (§ 1 Abs. 2) wieder auf die Abwehr von Gefahren für die "öffentliche Ordnung" ausgeweitet, nachdem der Begriff 1989 aus dem Polizeigesetz gestrichen worden war. Dadurch kann die Polizei nun auch bspw. gegen BettlerInnen, Obdachlose und Punks wegen Ordnungsstörungen vorgehen.

Wie auch schon in den meisten anderen Bundesländern wurden "zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität" "lagebildabhängige Kontrollen" (Schleierfahndung) legalisiert (§ 9a). Die Kontrollen sind zwar auf das 30 km tiefe Grenzgebiet beschränkt, erlauben jedoch der Polizei im kleinsten Bundesland Überprüfungen fast im gesamten Saarland.

Auch die Höchstdauer des polizeilichen Gewahrsams (Unterbindungsgewahrsam) wurde von bisher 24 Stunden auf maximal acht Tage mit richterlicher Anordnung ausgedehnt (§ 16 Abs. 1 Nr. 3).

Sogenannte gefährliche Orte und öffentlich zugängliche Orte, an denen "auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden", darf die Polizei offen mit Videokameras überwachen (§ 27 Abs. 2). Die dabei gespeicherten Bild- und Tonaufzeichnungen müssen spätestens nach zwei Wochen gelöscht werden, sofern sie nicht zur Strafverfolgung benötigt werden.

Schließlich gestattet das neue Polizeigesetz ausdrücklich den gezielten Todesschuss als Ultima Ratio, um eine Person in unmittelbarer Lebensgefahr oder bei Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit zu retten (§ 57 Abs. 1 S. 1).

(Martina Kant)



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HTML-Auszeichnung: Martina Kant
Erstellt am 27.12.2001 - letzte Änderung am 01.07.2002