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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 70 (3/2001)          Druckversion

abstand

Anti-Terror-Programme der Länder

Mehr Geld, mehr Stellen, neue Gesetze


von Marion Knorr


Fast alle Bundesländer haben seit September Sicherheitspakete geschnürt oder sind gerade dabei. Hier ein Überblick.

Bayern will bis 2006 zusätzliche 391 Mio. DM in die Sicherheit investieren: Die Polizei erhält 650 neue Stellen, das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 50, die Justiz - d.h. die Staatsanwaltschaft und die Gefängnisaufsicht - 80, die Finanzprüfung der Steuerverwaltung 50, die Ausländerbehörden erhalten 40. Allein 147 Mio. DM will die bayerische Regierung für polizeiliche Technik ausgeben: Videoüberwachung, gepanzerte Fahrzeuge, operative Einsatztechnik, DNA-Analyse. Hessen spendiert - verteilt über drei Jahre - 400 Mio. DM. Die Polizei bekommt 350 neue Stellen (Wachpolizei 250, Verwaltungsangestellte 100), das LfV 20. In neue polizeiliche Informationstechnik fließen 250 Mio. DM.

Baden-Württemberg bewilligte insgesamt 57 Mio. DM. Davon entfallen 10 Mio. auf Observationstechnik und 5,7 Mio. auf die personelle und technische Ausstattung für Rasterfahndungen. Das LfV bekommt 15 neue Stellen, die vor allem mit Islamspezialisten besetzt werden sollen. Im Saarland fließen zusätzliche 4,5 Mio. DM in die Sicherheit. Aus Rheinland-Pfalz sind keine besonderen Maßnahmen bekannt.

Hamburg investiert zusätzlich 1 Mio. DM. In Bremen werden Polizei und LfV auf jeden Fall von Kürzungen verschont. Bei Bedarf sollen sie zusätzlich bis zu 5 Mio. DM erhalten. Schleswig-Holstein investiert 25 Mio. DM: Davon erhält das LfV mehr Personal u.a. für Internetrecherchen und die Regelanfrage bei EinbürgerungskandidatInnen. Eine neue Observationsgruppe sowie eine Arbeitseinheit "Islamismus" werden aufgebaut. Auch das LKA erhält mehr Personal (drei Buchhalter, 12 Angestellte für Datenerfassung und Rasterfahndung). Niedersachsen schafft je 60 neue Stellen bei Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden sowie 28 bei Staats- und Verfassungsschutz. Das Paket kostet 22,1 Mio. DM. Für die kommenden Jahre ist von insgesamt 200 Mio. die Rede.

Nordrhein-Westfalen will 35 Informatikspezialisten und 60 Staatsschützer bei der Polizei neu anstellen. Beim LfV will man 71 neue Posten schaffen u.a. für die Observationseinheit und für Islamexperten. Das LfV will verstärkt V-Leute und nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Für dieses Jahr sind Zusatzkosten von 36 Mio. DM veranschlagt, in den nächsten fünf Jahren sollen es insgesamt 370 Mio. DM werden.

Berlin hat bereits kurz nach den Anschlägen 50 LKA-Mitarbeiter zum Verfassungsschutz versetzt. Letzterer erhält von den 13 Mio. DM des Sofortprogramms vom 18. September 1,3 Mio. (Sachmittel für Telefonüberwachungen, für Observationstechnik und die Bezahlung von "freien Mitarbeitern"). Der Löwenanteil dieses ersten Pakets deckt jedoch die Kosten des Objekt- und Personenschutzes der Hauptstadt. Am 30. Oktober bewilligte der Senat weitere 2,7 Mio. DM für Feuerwehr und Polizei (u.a. für die technische Ausstattung des LKA).

Unter den neuen Ländern gibt sich nur Mecklenburg-Vorpommern sparsam. Der Haushalt ist verabschiedet, neue Gelder gibt es nicht. Brandenburg dagegen hatte schon vor den Anschlägen 30 neue Stellen beim LfV bewilligt. Das im Oktober beschlossene Zusatz-Paket sollte ursprünglich 73 Mio. DM kosten. Der Doppelhaushalt 2002/3 wird nun aber "nur" um 36 Mio. aufgestockt, wovon 23 Mio. an das Innenministerium gehen. Vorgesehen sind mehr Stellen beim LfV, beim LKA und bei den Polizeipräsidien (u.a. mehr Observationskräfte). Auch Sachsen schafft neue Stellen beim LfV, hält deren Zahl aber geheim. Mehr Personal gibt es hier auch für die Kriminal- und die Bereitschaftspolizei. Eine Wachpolizei wird aufgebaut. Sachsen-Anhalt bedenkt Polizei und LfV mit acht Mio. DM. Davon sollen u.a. 15 neue Stellen beim LfV geschaffen werden. In Thüringen wurde ein Programm über ca. 50 Mio. DM angekündigt. Personell verstärkt werden sollen Staatsschutz, Kripo, mobile Ermittlungen sowie Finanzermittlungen.

Mehrere Bundesländer (Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen) haben entweder bei der Polizei oder beim Verfassungsschutz Denunziantentelefone eingerichtet, bei denen Bürgerinnen und Bürger ihre "Erkenntnisse" in Sachen "islamischer Terrorismus" melden können.

Gerüttelt wurde einmal mehr auch am Polizeirecht: Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein führten kurzfristig Rasterfahndungsparagraphen ein. Thüringen will die Videoüberwachung legalisieren, Baden-Württemberg plant präventive Telefonüberwachungen.


Anti-Terror-Programm des Bundes

Am 9.11.2001 billigte der Bundestag die Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer zur Finanzierung des Anti-Terror-Programms der Bundesregierung im Umfang von 3 Mrd. DM. Die Hälfte der Summe geht an die Bundeswehr, das Bundesinnenministerium (BMI) wird "nur" mit 500 Mio. DM und der Bundesnachrichtendienst (BND) mit 50 Mio. DM bedacht. Der BND soll das Geld für eine Aufstockung des Personals durch Terrorismusexperten und zum Kauf moderner Technik verwenden. Von den BMI-Mitteln erhält der Bundesgrenzschutz 241,8 Mio. DM - u.a. für den Aufbau einer Spezialeinheit zur Flugbegleitung ("Skymarschalls"), für mehr Objekt- und Personenschutzmaßnahmen und eine verbesserte technische Ausstattung. Insgesamt ist die zusätzliche Einstellung von 1.450 Polizisten, 100 IT-Spezialisten und 470 Verwaltungsangestellten vorgesehen. Das Bundeskriminalamt bekommt 85,3 Mio. DM für 244 neue Stellen in den Bereichen Ermittlung/Analyse/Auswertung und Personenschutz, im wissenschaftlich-technischen Bereich sowie für Europol. Zudem wird das Amt technisch aufgerüstet, u.a. durch den Kauf von 10 Panzern. Weitere Mittel dienen z.B. der Anmietung konspirativer Wohnungen sowie der Verstärkung der Zentralstelle für Geldwäscheangelegenheiten. Der Etat des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird um 18,972 Mio. DM erhöht, um - so die offizielle Erklärung - verstärkt terroristische Aktivitäten beim Staats- und Ausländerextremismus zu beobachten. 31,149 Mio. DM und 21 weitere Planstellen bekommt das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik. Weitere BMI-Mittel (28 Mio. DM) fließen an die Bereitschaftspolizeien der Länder. Dem Bundesverwaltungsamt werden für die Erweiterung des Ausländerzentralregisters 18,637 Mio. DM, dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Verstärkung der IT-Sicherheit und sonstiger Sicherheitsmaßnahmen 5,87 Mio. DM zugestanden. Für Zivil- und Katastrophenschutz sollen ca. 50 Mio. DM aufgewendet werden. Im BMI selbst werden mit 4,443 Mio. DM u.a. die Fachabteilungen mit Sicherheitsbezug personell verstärkt. Die Bundeszentrale für Politische Bildung bekommt 1,956 Mio. DM. Lediglich 999.000 DM stehen zur Verbesserung des "interreligiösen Dialogs" mit den muslimischen Gemeinschaften und 501.000 DM für verstärkte Integrationsmaßnahmen für Muslime in Deutschland und Aufklärungskampagnen bereit.
(Andrea Böhm)


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Erstellt am 06.10.2005 - letzte Änderung am 08.11.2005