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Bürgerrechte & Polizei/CILIP 75 (2/2003)

abstand

Editorial


von Heiner Busch


Als wir das letzte Heft dieser Zeitschrift produzierten, begann die von den USA geführte Koalition der Willigen ihren Krieg im Irak. Inzwischen sind die Bombardements und Gefechte zu Ende. Das Regime Saddam Husseins ist zerschlagen, seine Repräsentanten sind entweder auf der Flucht oder bereits gefangen.

Der Krieg im engeren Sinne mag nun zwar zu Ende sein. Dennoch musste US-Militärminister Donald Rumsfeld der heimischen Öffentlichkeit unlängst reinen Wein einschenken: Die Soldaten werden noch lange nicht nach Hause können. Es sei nicht absehbar, wie lange das "Engagement" im Irak dauern werde. Eine Verwaltung - mit oder ohne UN, mit oder ohne Beteiligung des "alten Europas" - sei aufzubauen. Die öffentliche Sicherheit sei wieder herzustellen. Terroristische Anschläge seien zu gewärtigen, Plünderungen zu unterbinden. Aus der kriegerischen Aufgabe wurde eine polizeiliche, die aber auf lange Sicht ohne das Militär nicht zu bearbeiten ist. Von "lösen" kann keine Rede sein.

Der Irak-Krieg ist kein Einzelfall, und das prekäre Verhältnis von militärischen und polizeilichen Tätigkeiten ist nicht nur ein Thema für die USA. Afghanistan ist noch lange nicht befriedet. Vier Jahre nach Ende des Jugoslawien-Krieges sind KFOR-Truppen und UNMIK-Polizei im Kosovo noch immer dabei, feindliche Bevölkerungsgruppen zu trennen. Acht Jahre nach dem Dayton-Vertrag hat die EU die Polizei-mission der Vereinten Nationen in Bosnien übernommen. Die vor allem für die Minderheiten nach wie vor unsichere Situation in den neuen Protektoraten, die Tatsache, dass viele Menschen "dort unten" nicht an die Orte und in die Häuser zurück können, in denen sie vor dem Krieg gelebt haben, hindert freilich die hiesigen Asyl- und Ausländerbehörden nicht daran, sie notfalls mit Gewalt abzuschieben.

Die "neuen" Kriege, ob sie nun als "humanitäre" oder als "antiterroristische" verkauft werden, schaffen ein neues Verhältnis von Militär und Polizei. Außen- und Innenpolitik, äußere und innere Sicherheit sind nicht mehr zu trennen. Die Polizei wird zum notwendigen Zusatzinstrument einer militarisierten Außenpolitik. Dass die EU bei ihrer "Sicherheits- und Verteidigungspolitik" nicht nur den Auf- und Ausbau militärischer Fähigkeiten plant, sondern die Kapazitäten für die "nicht-militärische", sprich: in erster Linie polizeiliche "Krisenreaktion" gleich mit entwickelt, scheint vor diesem Hintergrund nur konsequent.

Ein Schwerpunktheft zum Thema "Polizei und Militär" muss sich heute anderen Fragen widmen als noch vor wenigen Jahren. Dass das Militär gegen protestierende Menschenmengen vorrücken könnte, steht hierzulande nicht zur Debatte. Die klassische Frage nach dem Notstand hat sich erledigt. Selbst die irrwitzigen "verteidigungspolitischen Richtlinien" des Herrn Peter Struck sehen dieses Szenario nicht vor, sondern propagieren u.a. eine militärische Amtshilfe durch das Abfangen und Abschießen feindlicher Flugzeuge.

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Der Umgang mit unerwünschtem Protest bleibt spezialisierten Bereitschaftspolizeien vorbehalten, die diese Aufgabe mit "polizeitypischen Waffen" erledigen. Die Entwicklung neuer "Einsatzmittel" auf diesem Gebiet wird eines der Themen sein, mit denen sich die nächste Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei auseinandersetzen wird. In einem Schwerpunktteil "Polizei und Technik" wird u.a. zu fragen sein, wie neue Hilfsmittel die Organisation und die Arbeitsabläufe innerhalb der Polizei verändern, was die technische Entwicklung treibt und wer davon profitiert.

Heiner Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.



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HTML-Auszeichnung: Martina Kant
Erstellt am 18.08.2003 - letzte Änderung am 18.08.2003