Bürgerrechte & Polizei/CILIP 77 (1/2004) |
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Zusammenfassungen | |
Statistik als polizeiliches Instrumentvon Heiner BuschDie Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) der BRD ist fünfzig Jahre alt. Aus dem dünnen Heftchen ist ein dicker Wälzer geworden. Die Polizei weiß heute, dass die PKS kein Abbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern tatsächlich nur eine Anzeigenstatistik ist. Das hindert aber weder Politiker, den regelmäßigen "Anstieg der Kriminalität" für Zwecke politischer Propaganda zu nutzen, noch hält es die Polizei davon ab, die Daten der registrierten Kriminalität für operative Zwecke zu gebrauchen. Warum die Kriminalstatistik gerne falsch interpretiert wirdvon Oliver BrüchertDie Polizeiliche Kriminalstatistik ist im Wesentlichen eine Anzeigenstatistik. Wenn man sie richtig liest, ergibt sie sehr wohl Hinweise auf gesellschaftliche Entwicklungen. Doch damit lassen sich keine öffentlichen Moralpaniken über immer neue Kriminalitätswellen begründen. Vielmehr müsste man sich damit beschäftigen, was die tatsächlichen gesellschaftlichen Ursachen von Kriminalitätsfurcht und Anzeigebereitschaft sind. "Nichtdeutsche" in der Polizeistatistikvon Rainer GeißlerDas Vorurteil vom "kriminellen Ausländer" erschwert die notwendige Integration von Migranten. Problematisch präsentierte und falsch interpretierte Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik haben diese Situation mit verschuldet. Der Autor zeigt in seinem Aufsatz, dass ausländische Arbeitsmigranten sogar seltener als Tatverdächtige registriert werden als Deutsche mit vergleichbarem Sozialprofil, mithin MigrantInnen gesetzestreuer sind als Deutsche. Kriminalstatistik in der DDRvon Falco WerkentinIn den statistischen Jahrbüchern der DDR fanden sich nur wenige Daten über polizeilich registrierte Kriminalität, Verurteilungen, Gefängnisinsassen und schon gar nicht über politische Delikte. Die Veröffentlichung geschah immer mit dem Blick gegen den feindlichen Westen und wurde in den 70er Jahren zeitweise sogar ganz eingestellt. Die Parteiführung ließ sich solche Daten jedoch regelmäßig vorlegen und beeinflusste sie mit ihren kurzfristigen Kurswechseln von Liberalisierungen zur Kritik an "Überspitzungen" und "Dogmatismen". Polizeiliche Lagebildervon Norbert PütterLagebilder, so die offizielle Sicht, bilden die "Voraussetzung für zielgerichtetes polizeiliches Handeln" und die Basis jeder polizeilichen Strategie. Liest man solche Lagebilder, so sind allerdings Zweifel angebracht, ob sie diesen Ansprüchen gerecht werden. In vielen Fällen dominieren Banalitäten. Die errechneten Schadenssummen etwa bezüglich der "organisierten" und der Wirtschaftskriminalität werden von spektakulären Großfällen verzerrt. Solche Lagebilder dienen wie die Polizeiliche Kriminalstatistik, auf deren Zahlen sie meist beruhen, der Legitimation neuer polizeilicher Befugnisse. "Evaluation" der Schleierfahndungvon Martina KantIn neueren Polizei- und Geheimdienstgesetzen haben einzelne Befugnisse eine befristete Geltungsdauer und müssen vor Ablauf evaluiert werden. Qualität und Aussagewert von Evaluationen untersucht der Artikel beispielhaft an den Berichten zur Schleierfahndung durch den Bundesgrenzschutz und die sächsische Polizei. Im Ergebnis zeigt sich, dass die innenministeriellen Berichte für eine Erfolgsbewertung untauglich sind, da notwendige Daten gar nicht erhoben wurden. Die wenigen aussagekräftigen Daten zeigen nur marginale Erfolge der Schleierfahndung bei der Bekämpfung der unerlaubten Einreise und der grenzüberschreitenden Kriminalität. Polizeiliche Erfassung rechter Straftatenvon Heike Kleffner und Mark HolzbergerAm 10. Mai 2001 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK) ein neues Meldesystem für politisch motivierte Straftaten. Damit hoffte man, der anhaltenden Kritik an der offiziellen Zählung rechtsextremistischer Gewalttaten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Drei Jahre danach zeigt sich, dass alte Probleme nach wie vor ungelöst sind. Das Bundesinnenministerium will selbst in eindeutigen Fällen den rechtsextremen Hintergrund von Tötungsdelikten nicht anerkennen. Einen Evaluationsbericht über die Anwendung der neuen Erfassungskriterien ist es der Öffentlichkeit immer noch schuldig. außerhalb des SchwerpunktesLauschangriffe nach dem Verfassungsgerichtsurteilvon Fredrik RogganSechs Jahre nach der Einführung der Befugnisse zum Großen Lauschangriff hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. März 2004 jene Voraussetzungen eingefordert, um deren Formulierung sich der Gesetzgeber 1998 gedrückt hat. Lauschangriffe sind nur noch zulässig, wenn die angedrohte Höchststrafe für das aufzuklärende Delikt mehr als fünf Jahre ist. Gespräche zwischen Freunden und (Ehe-)Partnern dürfen generell nicht überwacht werden. Polizeiliche Aufenthaltsverbote in der Stadt Bernvon Karin GasserDie Polizei hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich in der Schweizerischen Bundeshauptstadt Bern unabhängig von realen Bedrohungen ein Diskurs über Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit verselbständigen konnte. Seit fünf Jahren weist sie regelmäßig DrogenkonsumentInnen und "Randständige" aus der Innenstadt weg. Die Befugnis, Wegweisungsverfügungen, d.h. Aufenthaltsverbote, auszusprechen, ist im Polizeigesetz des Kantons Bern enthalten, das 1998 in Kraft trat. Polizeigewalt in Bergen (Norwegen)von Anders BratholmPolizeiübergriffe sind auch in der norwegischen Provinz Bergen eine Realität. Weil sie diese Realität untersucht haben, wurden zwei Forscher öffentlich als Schwindler abgetan, im Wissenschaftsbetrieb ausgegrenzt und mit Klagen überzogen. Mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrem ersten Forschungsprojekt musste das norwegische Justizministerium sie für die erlittenen Nachteile entschädigen. Inland aktuellmit Kurzinformationen zu folgenden Themen:
Meldungen aus Europa
Chronologie wichtiger Themen und Ereignisse: Gesetzgebung "Innere Sicherheit", Polizeiapparat, Geheimdienste, polizeiliche Übergriffe, sozialer Protest u.v.m. von Dezember 2003 bis März 2004 Literaturhinweise zum Schwerpunktthema Polizeiliche Statistik sowie Rezensionen von folgenden Neuerscheinungen:
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Inhaltsverzeichnis | |
© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2004 HTML-Auszeichnung: Martina Kant Erstellt am 11.08.2004 - letzte Änderung am 13.08.2004 |