Bürgerrechte & Polizei/CILIP 60 (2/98) | |
Hart an der Grenze
Technische Aufrüstung für die Abschottungspolitik |
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von Heiner Busch | |
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Seit
die Abdichtung der Grenzen gegen Flüchtlinge und (illegale) MigrantInnen
zu einem zentralen Bezugspunkt der Politik Innerer Sicherheit
westeuropäischer Staaten geworden ist, hat die Technisierung der
Grenzüberwachung und -kontrolle einen enormen Aufschwung erlebt.
So
wird z.B. seit dem Sommer 1997 im schweizerischen Kanton Tessin die Grenze zu
Italien nicht nur vom Grenzwachtkorps kontrolliert, sondern auch von einem
Kontingent von anfangs 20 und seit Mai dieses Jahres 100 Berufssoldaten aus dem
Festungswachtkorps. Die Militarisierung einer zivilen Angelegenheit brachte
auch eine besondere technische Errungenschaft: Seit einigen Monaten testen die
eingesetzten Soldaten ein System, das sie sich von der israelischen Armee
besorgt haben. Sie hören den Mobiltelefonverkehr jenseits der Grenze ab
und wollen auf diese Weise Schlepper lokalisieren, die ihre Kunden
derzeit meist Flüchtlinge aus Kosovo an die Orte bringen, von
denen aus sie die Grenze überqueren sollen. Das Militärministerium
hatte zunächst beteuert, mit der Apparatur könnten die Benutzer von
Handys nur lokalisiert, die Gespräche selbst aber nicht abgehört
werden eine Behauptung, die schon am nächsten Tag revidiert wurde.
[1] Für
Telefonüberwachungen bedarf es auch in der Schweiz einer richterlichen
Genehmigung. Da die in diesem Falle nicht möglich ist, belauscht man
nur Gespräche jenseits der Grenze in Italien. Dies sei
legal, es handele sich um militärische Auslandsaufklärung, von
Militärs betrieben und vom Völkerrecht gedeckt.
Überwachung
der grünen Grenze
Dieser
Fall ist in der Tat ein Grenzfall. Vollkommen ungewöhnlich ist er aber
nicht. Die neue Grenze in Deutschlands Osten brachte nicht nur eine neue
Aufgabe Grenzüberwachung
statt einzeldienstlicher Grenz
kontrolle
, sondern auch neue technische Mittel, die mit den traditionellen
Instrumenten nicht mehr viel gemein haben. Dazu gehören nicht nur
Hubschrauber, geländegängige Fahrzeuge und Schnellboote, die auf der
Oder eingesetzt werden, sondern auch Geräte, die die Nacht zum Tage werden
lassen. Derartige Technik, die eigens für den militärischen Einsatz
entwickelt wurde, war bis Anfang der 90er Jahre in bundesdeutschen
Polizeiarsenalen nicht zu finden. Im Februar 1993 wurden dann jedoch mehr als
400 Soldaten formell von der Bundeswehr beurlaubt, um BGS-Personal an
Nachtsichtgeräten aus Beständen der Bundeswehr zu schulen.
Für
das Sehen in der Nacht werden grundsätzlich zwei Techniken verwandt: zum
einen sog. Restlichtverstärker, bei denen die auch in der Nacht minimal
vorhandenen Lichtquellen mittels einer Röhre verstärkt werden; zum
anderen Wärmebildgeräte, die die von Menschen ausgehende thermische
Strahlung als Schwarzweißkontraste auf einem Bildschirm sichtbar machen
können.
Beide
Techniken sind mittlerweile an den deutschen Grenzen im Einsatz. 1996
verfügte der BGS insgesamt schon über 66 Wärmebildgeräte.
Inzwischen liegt deren Zahl bei über 100.
[2]
Allein beim Grenzschutzpräsidium (GSP) Ost zuständig für
die brandenburgische und die sächsische Grenze sind laut Angaben
des Pressesprechers zur Zeit 50 solcher Apparate der Herstellerfirma
Zeiss-Oberkochen in Gebrauch. Einige davon sind in Hubschraubern, die meisten
jedoch in VW-Bussen eingebaut. Der Preis eines so ausgestatteten Fahrzeugs
liegt bei ca. DM 330.000 (davon nur 30.000 für den Bus). Die
alten Geräte der Bundeswehr, die aus Panzern ausgebaut worden waren, sind
mittlerweile ausgemustert. Sie hatten einen ziemlichen, auf die Dauer für
den Benutzer unerträglichen und zudem für die Zielperson
verräterischen Lärm verursacht. Die Sichtweite der neuen Geräte
soll bis zu drei Kilometern betragen. Voraussetzung ist allerdings unverstellte
Sicht, und die ist selbst im vom Waldsterben ausgedünnten Erzgebirge
selten zu haben. Bei Regen oder dichtem Nebel verringert sich die Sicht auf
etwa 500 Meter.
Mit
Restlichtverstärkern hat man sich ebenfalls neu ausgestattet. Allein im
Haushaltsjahr 1997 wurden vom BGS weitere 133
Bildverstärker/Nachtbeobachtungsgeräte zugekauft;
zusätzliche 25 sind für 1998 budgetiert, so erfuhren die Grünen
im Haushaltsausschuß des Bundestages. Ebenfalls 1997 schaffte man eine
mobile Videoüberwachungsanlage an, die offenbar bei den Einsätzen von
Hubschraubern genutzt werden soll.
Radargeräte
setzt der BGS nach Angaben des GSP Ost nicht ein. Sie sind für den Einsatz
an der grünen Grenze nicht tauglich, da sie Dinge aus Metall statt lebende
Menschen anzeigen. Für die Überwachung der
Schengen-Außengrenzen werden sie aber z.B. in Italien genutzt, dessen
blaue Grenze von der Marine kontrolliert wird. Daß die
Schiffe mit kurdischen Flüchtlingen im Herbst und Winter 1997 an der
kalabrischen Küste stranden konnten, verdankt sich vor allem dem Umstand,
daß dieser Küstenabschnitt noch nicht mit Radarüberwachung
versorgt war.
[3]
Die italienische Marine hatte sich davor auf Apulien konzentriert, wo Anfang
der 90er Jahre vollbesetzte Schiffe aus Albanien ankamen. Kleinere Boote, die
heute meist zur Überfahrt genutzt werden, können aber nur selten vom
Radar erfaßt werden.
Kontrolle
am Grenzübergang und im Hinterland
Die
Kontrolle von Papieren gehört seit jeher zu den normalen Tätigkeiten
eines Grenzpolizisten. Seit einiger Zeit genügt auch dieser
einzeldienstlichen Tätigkeit der bloße Augenschein nicht mehr. Der
Visumzwang, den die westeuropäischen Staaten den BürgerInnen
großer Teile der restlichen Welt, insbesondere den Herkunftsländern
von Flüchtlingen, auferlegt haben, hat dazu geführt, daß immer
mehr Menschen auf falsche Pässe und Visa angewiesen sind. Um diese
Fälschungen entdecken zu können, hat man sich diverse technische
Lösungen einfallen lassen.
Im
allgemeinen beruhen diese beim BGS wie bei fast allen westeuropäischen
Grenzpolizeien auf optischen Geräten zur Vergrößerung
unter Zuhilfenahme verschiedener Lichtquellen, so die Antwort der
Pressestelle der BGS-Direktion auf unsere Anfrage. Ich bitte um
Verständnis, daß ich im Hinblick auf Hersteller und Kosten aus
wettbewerbsrechtlichen Gründen keine weitergehenden Ausführungen
machen kann.
Mitteilen
konnte man immerhin, daß die Ausrüstung um so komplizierter wird, je
höher man auf der organisatorischen Stufenleiter kommt. An der
Kontrollinie, d.h. am Grenzübergang oder auch bei mobilen
Streifen im Grenzgebiet, sei eine einfache Grundausstattung ausreichend,
die am Mann getragen oder in unmittelbarer Reichweite des
Kontrollbeamten an der Kontrollposition abgelegt werden kann. Hier
dürfte es sich um einfache UV-Lampen und Lupen handeln. Die bayerische
Polizei hat die mobilen Einsatzgruppen, die die Schleierfahndung
im Landesinnern übernehmen, mit sog. Doku-Boxen ausgestattet, zu denen
neben UV-Lampen auch sog. Fadenzähler gehören.
[4] Im
Geschäftszimmer größerer Grenzübergänge
finden sich dagegen bereits kompliziertere Dokumentenanalysegeräte mit den
Beleuchtungsarten Auflicht, UV-Auflicht, Durchlicht und Spot- bzw. Streiflicht.
In den regionalen Schwerpunktprüfstellen werden
Videospektralanalysegeräte eingesetzt. Das zentrale Urkundenlabor des
Bundesgrenzschutzes ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von
Urkundendelikten bei der Grenzschutzdirektion. Seit 1992 unterstützt sie
die nachgeordneten Dienststellen u.a. mit der Herausgabe einer
Loseblattsammlung über echte Dokumente und deren neueste
Fälschungsmöglichkeiten. Bis 1991 wurden diese Auswertungen beim BKA
durchgeführt, das eine entsprechende Bilddatenbank betrieb. Ideal
wäre es, so BKA-Abteilungspräsident Steinke schon 1991,
diese Sammlung für die Grenzdienststellen im online-Betrieb
abrufbar zu machen.
[5] Dieses
Ziel hat man in den Niederlanden und in Frankreich mittlerweile erreicht. Die
französische Polizei nutzt ein Informationssystem mit Namen
SINDBAD, die niederländische gab dem ihren den Titel
EDISON.
[6]
Laut Angaben des Bundesinnenministeriums arbeiten BKA und BGS an einer
Übernahme von EDISON in der BRD.
Neben
Personen und deren Dokumente wird auch der Güterverkehr
überprüft und zwar nicht nur nach geschmuggelten Drogen und
sonstigen Waren, sondern auch nach Menschen, die versteckt in Lastwagen und
Containern die Grenzen überqueren. Um Menschen in verplombten Lastwagen
aufzuspüren, werden neuerdings CO
2-Meßgeräte
eingesetzt. Mit Sonden, die unter der Abdeckung in die Laderäume, aber
auch durch kleinste Öffnungen in Container eingeführt werden, kann
erkannt werden, ob der Anteil an CO
2
im Innern überdurchschnittlich hoch ist und damit auf ausgeatmete Luft
hindeutet. Insgesamt sind derzeit 88 solcher Geräte beim BGS im Einsatz,
im laufenden Haushaltsjahr sollten weitere 25 gekauft werden.
Informationstechnik
die Unterstützung der Grenzkontrolle aus dem Hinterland
Der
Anschluß der Grenzübergänge gehörte in den 70er Jahren zu
den vordringlichen Zielen beim Aufbau der polizeilichen Informationstechnik. Um
eine breite Versorgung insbesondere mit Fahndungsinformationen zu
gewährleisten, wurde der Zugang zu INPOL nicht nur durch Terminals,
sondern auch durch Fernschreiber ermöglicht.
Seit
diesen Anfangsjahren hat sich die polizeiliche Informationstechnik
weiterentwickelt. In der Sachbearbeitung ging beim BGS, ähnlich wie bei
der Kripo, der Trend hin zu kleineren Geräten, zu vernetzten PCs, sog.
Arbeitsplatzcomputern (APC). Der BGS-Tätigkeitsbericht von 1995
verzeichnet insgesamt 250 APCs.
Nach
wie vor bildet aber nicht die Sachbearbeitung und damit die Ausrüstung mit
APCs, sondern die Abfrage zentral gespeicherter Informationen das wichtigste
informationstechnische Ziel im grenzpolizeilichen Betrieb. Seit Anfang der 90er
Jahre wurden die Grenzübergänge mit dem sog. Grenzterminalsystem
ausgerüstet. Diese Terminals (Ende 1995 insgesamt 213) verfügen laut
Aussagen eines Mitarbeiters im Bundesinnenministerium u.a. über
Ausweislesegeräte, die die Kontrolle von maschinenlesbaren Ausweisen und
Pässen vereinfachen. Maschinenlesbar sind heute neben deutschen
Personalausweisen auch die der meisten anderen EU-Staaten und die
EU-Pässe. Daten aus nicht maschinell lesbaren Ausweisen müssen nach
wie vor eingetippt werden.
Die
Zahl der abfragbaren Informationssysteme hat sich erhöht. Zur
Verfügung stehen nicht nur die Personen- und die Sachfahndungskomponenten
von INPOL. Über die Zentralrechner des BKA können auch das
Ausländerzentralregister sowie das Zentrale Verkehrsinformationssystem
(ZEVIS) angefragt werden. Hinzu kommt das Schengener Informationssystem (SIS).
Wie wir in der letzten Ausgabe
[7]
anhand der INPOL- und der SIS-Statistik demonstriert haben, sind
Personenfahndungssysteme in erster Linie nicht Systeme zur Suche nach
Straftätern oder Verdächtigen, sondern zur Abschiebung und
Einreiseverweigerung. Fast 60% der Ausschreibungen in INPOL-Personenfahndung
und über 85% der Personendaten im SIS beziehen sich auf
Nicht-EU-AusländerInnen, die aus- oder zurückgewiesen werden sollen.
Auch die überwiegende Zahl der Fahndungstreffer richtet sich
gegen AusländerInnen und hat nichts mit Strafverfolgung im eigentlichen
Sinne zu tun. Daß dies nicht zufällig ist, ergibt sich allein schon
daraus, daß das Schengener Durchführungsübereinkommen der
Kontrolle der Einreisenden, und insbesondere der einreisenden
AusländerInnen aus Drittstaaten gegenüber der von Ausreisenden den
Vorrang gibt.
Kontrolliert
wird aber nicht nur am Grenzübergang selbst. Bereits seit Anfang der 80er
Jahre ermöglichen Datenfunkterminals die mobile Kontrolle in fahrenden
Zügen. Die Kontrolle von Zugreisenden muß sich seither nicht mehr
auf die bloße Paßnachschau beschränken, sondern kann sich auf
zentral gespeicherte Fahndungsdaten stützen, ohne daß der Zug am
Grenzbahnhof länger anhalten oder die zu kontrollierende Person aussteigen
muß.
Da
in den 90er Jahren das Augenmerk der Kontrolleure verstärkt dem Hinterland
der Grenze gilt, haben auch mobile Datenfunkterminals an Bedeutung gewonnen.
BGS und Zoll konnten bisher schon in einem Umkreis von 30 Kilometern hinter der
Grenze Personen anhalten und überprüfen. Bayern hat 1994 mit einer
Polizeigesetz-Änderung seiner Landespolizei die Kontrollmöglichkeit
im weiteren Hinterland eröffnet. Praktischerweise hat man dafür
Beamte der aufgelösten Bayerischen Grenzpolizei eingesetzt und mit
Notebooks ausgerüstet, von denen aus die Abfrage von Informationssystemen
möglich ist. Andere Bundesländer folgten dem Beispiel und
ermöglichten auch in ihrem Polizeirecht die sog. Schleierfahndung.
[8]
Am 25.6.1998 hat der Bundestag dem BGS ähnliche Befugnisse verliehen. Die
Grenze ist keine starre Linie mehr. Es bleibt abzuwarten, ob der Grenzschutz
nun auch mit entsprechender Technologie zur Grenzkontrolle im Innern
nachgerüstet wird.
Fingerabdruckdaten
Bulgarien
war 1925 der letzte europäische Staat, der Fingerabdruckregister
einführte und damit die bis dahin vorwiegend verwandte Bertillonage, das
Vermessen von Körper und Kopf, als Identifizierungstechnologie
zurückdrängte. Die Daktyloskopie, eine der ältesten
polizeilichen Techniken, ist keine Grenztechnologie im eigentlichen Sinne. Die
schnelle Computerisierung der alten manuellen Fingerabdruckregister in den
letzten Jahren ist in Europa aber nicht von der Politik der Abschottung
gegenüber Flüchtlingen zu trennen.
In
allen westeuropäischen Staaten werden heute Asylsuchende sofort nach ihrer
Ankunft erkennungsdienstlich (ED) behandelt und damit einem Verfahren
unterzogen, das bei InländerInnen im Regelfall nur im Rahmen von
Ermittlungsverfahren möglich ist. In der BRD ist eine Erfassung von
Fingerabdrücken bei Flüchtlingen seit 1965 möglich gewesen, wenn
ihre Identität nicht zweifelsfrei feststand. Diese Ausnahmeregel hatte
sich seit den 80er Jahren mehr und mehr zum Normalfall entwickelt. Als die
Datenschutzbeauftragten Ende 1991/Anfang 1992 gegen diese Praxis protestierten,
reagierte die Große Koalition der Inneren Sicherheit im
Bundestag schnell. Sie beendete das uneinheitliche Vorgehen der
Bundesländer und schrieb im Juni 1992 die ED-Behandlung von
Flüchtlingen verpflichtend in § 16 Asylverfahrensgesetz fest.
Begründung: der Mißbrauch des Asylrechts solle
verhindert werden.
Auch
die technischen Konsequenzen waren schnell gezogen. Da das bis dahin betriebene
halbautomatische Bund-Länder-System für die Erfassung von
Fingerabdrücken schon durch die Teilerfassung der Asylsuchenden vor 1992
überlastet war, wurde im Dezember 1992 ein Automatisiertes
Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) in Betrieb genommen. Zwar geschehen
Erfassung und Vergleich von Fingerabdrücken nach wie vor nicht einfach auf
Knopfdruck hin, das beim BKA geführte System verringert die dafür
nötige Arbeitszeit jedoch erheblich. Fingerabdruck-Daten von Asylsuchenden
und solche von StörerInnen, Verdächtigen, Verurteilten und
Inhaftierten, also Daten aus dem eigentlichen Arbeitsbereich der Polizei,
werden nach wie vor im selben System geführt.
Andere
westeuropäische Staaten hatten diesen Schritt schon länger vollzogen.
Spanien betreibt seit Anfang der 80er Jahre ein AFIS der Firma
NEC, die Schweiz benutzt seit 1988 ein System der Firma
PRINTRAK, Frankreich arbeitet wie die BRD mit einem Produkt des
französischen Herstellers MORPHO Electronics. Diese
Uneinheitlichkeit erweist sich nun als Hindernis für den Aufbau eines
EU-weiten AFIS unter dem Namen EURODAC.
Die
Einrichtung eines solchen gemeinsamen Systems stand seit der Unterzeichnung des
Dubliner Abkommens im Juni 1990 auf der Tagesordnung. Auch dieses Abkommen soll
Asylmißbrauch hier: Doppel- und Folgeanträge
eines Flüchtlings in verschiedenen EU-Staaten bekämpfen und
sieht dafür vor, daß nur noch ein Asylgesuch pro Flüchtling
erlaubt wird. Dieses ist im zuständigen Staat zu stellen, und das ist im
Normalfall der EU-Staat, den der Flüchtling als ersten betreten hat. Alle
anderen können die Betroffenen dorthin zurückschieben.
Voraussetzung
dieses Verfahrens ist, daß die Identität der Person festgestellt
wird. Das im September 1997 in Kraft getretene Dubliner Abkommen erlaubt hierzu
die Verwendung von Fingerabdrücken. Weil es als Rechtsgrundlage für
ein gemeinsames Informationssystem nicht ausreicht, ist ein gesonderter Vertrag
für EURODAC notwendig. Der Entwurf hierzu vom März dieses Jahres sah
noch vor, daß nur Asylsuchende ab 14 Jahren in dem System erfaßt
würden.
[9]
Deutschland und Österreich haben sich auf der Tagung des Rates der
EU-Innen- und Justizminister am 29. Mai durchgesetzt.
[10]
In einem Zusatzprotokoll soll nun festgehalten werden, daß alle illegalen
Zuwanderer ED-behandelt und ihre Fingerabdrücke in EURODAC gespeichert
werden. Begründet wird dies mit der Zunahme von Flüchtlingen aus dem
irakischen Teil Kurdistans im vergangenen Jahr.
In
EURODAC selbst werden die digitalisierten Fingerabdrücke, Ort und
Zeitpunkt der Erfassung, der zuständige Staat und die von ihm verwendete
Kennnummer der Person sowie deren Geschlecht erfaßt. Die sonstigen Daten
registriert der Herkunftsmitgliedstaat. Die Übermittlung und
der Vergleich von Fingerabdrücken sind auf zwei Wegen möglich. Die
Blätter können auf konventionellem Wege an die Zentraleinheit
geschickt werden, die den Vergleich vornimmt und die Ergebnisse
zurückmeldet. Zugelassen ist auch ein online-Verfahren, bei dem die
zuständige Behörde den Vergleich selbst direkt im System vornimmt.
Voraussetzung
für letzteres ist die Kompatibilität des jeweiligen nationalen AFIS
mit EURODAC, und dafür wiederum ist die Herstellerfirma ausschlaggebend.
Die EURODAC-Durchführbarkeitsstudie wurde von der französischen Firma
Bossard besorgt. Welche Firma den Zuschlag für die Errichtung erhält,
steht laut BMI-Auskunft erst nächstes Jahr fest. Da im deutschen Falle das
BKA zwischen die Asylbehörden und die EURODAC-Zentraleinheit geschaltet
sei, könne man auch ohne ein online-Verfahren leben.
Kosten
und Effizienz
Die
Technisierung von Grenzkontrolle und -überwachung sowie überhaupt der
Abschottungspolitik ist, wie das Beispiel der Wärmebildgeräte zeigt,
eine teure Angelegenheit. Teurer als die Technik bleiben auf Dauer jedoch die
personellen Ressourcen. Alleine an der Ostgrenze leben 6.200 BGS-PolizistInnen,
ca. 1.000 grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte sowie etwa weitere
3.100 Beamte des Zolls und anderer Behörden von dieser Arbeit.
Auch
der Mauerbau neuen Typus wird auf Dauer nicht zu einer vollständigen
Abdichtung der Grenzen führen. Sein Ergebnis besteht vor allem darin,
daß diejenigen, die es schaffen, heimlich die Grenze zu überqueren,
im Innern des Landes zunehmend illegalisiert werden. Gesichert ist damit auch,
daß den Vertretern der Abschottungspolitik nicht die politische Munition
ausgeht. Mit einem Ausbau der technischen und personellen Ressourcen an den
Grenzen und im grenzpolizeilichen Hinterland muß daher auf Dauer
gerechnet werden.
Heiner
Busch ist Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] Tagesanzeiger
(Zürich) v. 8./9.5.1998
[2] Bundesministerium
des Innern (Hg.): BGS-Tätigkeitsbericht für 1995, Bonn 1996,
S. 10; Süddeutsche Zeitung v. 2.7.1998
[3] Pressekonferenz
des Bürgermeisters von Badolato, Bern 19.2.1998
[4] Spörl,
K.-H.: Zur Einführung einer verdachts- und ereignisunabhängigen
Personenkontrolle (Schleierfahndung) in Bayern, in: Die Polizei
1997, H. 8, S. 217-219 (219)
[5] Steinke,
W.: Kriminaltechnik in Europa, in: Kriminalistik 1991, H. 6,
S. 377-380 (378)
[6] Synthesebericht
der Besuchsteams, die im Auftrag des Schengener Exekutivausschusses die
Außengrenzen bereisten, Sch/I-Front-com (97) 1, 2. Rev., Brüssel
20.3.1997
[7] Busch,
H.: Die elektronischen Instrumente der Abschiebung, in: Bürgerrechte &
Polizei/CILIP 59 (1/98), S. 17-22
[8] vgl. Kutscha,
M.: Große Koalition der Inneren Sicherheit?, in: Bürgerrechte &
Polizei/CILIP 59 (1/98), S. 57-69 (61ff.)
[9] Ratsdok.
6191/ 2/ 98, Rev. 2, ASIM 46, Brüssel, 13.3.1998
[10] Presseeklärumg
des BMI, 29.5.1998
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© Bürgerrechte & Polizei/CILIP 1998 HTML-Auszeichnung: Felix Bübl. Zuletzt verändert am 4. Oktober 1998. |