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Schilys Terrorismusbekämpfungsgesetz: Der falsche Weg
Stellungnahme von Bürgerrechtsorganisationen zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 30. November 2001 zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) - Drucksache 14/7386 - vom 28.11.2001

3. Zur Neuregelung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes

Im Rahmen des sog. "Anti-Terror Pakets II" der rot-grünen Bundesregierung soll auch ein bislang eher weniger bekanntes Gesetz, das "Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG)" geändert werden. Dieses Gesetz soll in seinem Anwendungsbereich ausgedehnt werden und zukünftig eine Vielzahl von Beschäftigten bei nicht öffentlichen Einrichtungen und Versorgungsunternehmen sowie deren Angehörige in die Sicherheitsüberprüfung mit einbeziehen.

3.1 Die bisherige rechtliche Situation

Das bisherige Gesetz dient nach der Begründung des seinerzeitigen Gesetzentwurfs alleine dem Geheimnisschutz. Schützenswerte Geheimnisse sollten vor der Offenbarung geschützt werden. Demnach war nach der bisherigen Gesetzeslage die Sicherheitsüberprüfung nach § 1 SÜG konsequenterweise grundsätzlich beschränkt auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu sicherheitsrelevanten Daten hatten. Nach § 24 SÜG unterlagen weiter Beschäftigte, die bei nicht-öffentlichen Einrichtungen tätig wurden, nur dann der Sicherheitsüberprüfung, soweit sie dort zu sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten durch die zuständige Stelle ermächtigt waren.

Damit bleibt festzuhalten, dass nach bisherigem Recht nur ein sehr eingegrenzter Teil von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden konnte.

3.2 Gesetzeslage nach der beabsichtigten Änderung

Die Bundesregierung beabsichtigt, mit den vorliegenden Änderungsentwürfen den Personenkreis, der sicherheitsüberprüft werden kann, über den bisherigen Bereich hinaus zu öffnen und auf Beschäftigte bei Privatunternehmen zu erstrecken. Dies soll durch einen neuen § 1 Abs. 4 SÜG erfolgen:

"(4) Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt auch aus, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen, bei deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Gefährdung für die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung zu befürchten oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar ist, beschäftigt ist oder werden soll (vorbeugender personeller Sabotageschutz)."

Welche Wirtschaftsbereiche unter § 1 Abs. 4 SÜG fallen, wird nach § 34 SÜG durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegt. Nach der Begründung des Änderungsgesetzes sollen darunter Einrichtungen verstanden werden, die für

"die Versorgung der Bevölkerung (z.B. Energie, Wasser, pharmazeutische Firmen, Krankenhäuser, Banken) dienen oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens (z.B. Telekommunikation, Bahn, Post, Rundfunk- und Fernsehanstalten) notwendig sind".

Entscheidend für die Sicherheitsempfindlichkeit einer Stelle ist lediglich, dass im hypothetischen Sabotagefall Ausfälle mit Folgen für die nach dem Gesetz geschützten Güter drohen. "Unverzichtbar" sind in diesem Zusammenhang Einrichtungen, deren Ausfall in Krisenzeiten erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung und somit eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung entstehen lassen würden.

Das Gesetz verschleiert damit in seinem Wortlaut, wie niedrig die Schwelle zur Sicherheitsrelevanz gelegt werden kann. Der Personenkreis, der sich zukünftig möglicherweise einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen muss, wird ausgeweitet auf z.B. Journalisten bei Funk und Fernsehen, Krankenschwestern, Chemiker bei Bayer oder Schering, den Monteur bei der Telekom, den Arbeiter bei der Post bis womöglich auf die Arbeiter bei Kleinfirmen, die im Auftrag von Elektrizitätsfirmen oder Wasserbetrieben tätig sind. Zuständig für diese Sicherheitsüberprüfung gem. § 25 Abs. 2 SÜG (neu) soll dasjenige Bundesministerium sein, dessen Zuständigkeit durch die Bundesregierung bestimmt wird.

Für den hier in Frage stehenden Personenkreis soll es bei der "Einfachen Sicherheitsüberprüfung" nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SÜG bleiben. Für eine solche Sicherheitsüberprüfung hat der Beschäftigte dann zunächst eine "Sicherheitserklärung nach § 13 SÜG abzugeben. In dieser Sicherheitserklärung hat er eine Vielzahl von persönlichen Angaben zu machen:

  1. Namen, auch frühere, Vornamen,
  2. Geburtsdatum, -ort,
  3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten,
  4. Familienstand,
  5. Wohnsitze und Aufenthalte von längerer Dauer als zwei Monate, und zwar im Inland in den vergangenen fünf Jahren, im Ausland ab dem 18. Lebensjahr,
  6. ;ausgeübter Beruf,
  7. Arbeitgeber und dessen Anschrift,
  8. Anzahl der Kinder,
  9. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort und Verhältnis zu dieser Person),
  10. Eltern, Stief- oder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz),
  11. Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten, Wehr- oder Zivildienstzeiten mit Angabe der Ausbildungsstätten, Beschäftigungsstellen sowie derer Anschriften,
  12. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses,
  13. Angaben über in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, und ob zur Zeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können,
  14. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungs- und Werbungsversuch hindeuten können,
  15. Beziehungen zu verfassungsfeindlichen Organisationen,
  16. anhängige Straf- und Disziplinarverfahren,
  17. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Reisen, nahen Angehörigen und sonstigen Beziehungen in und zu Staaten, in denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen sind,
  18. zwei Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung des Betroffenen nur bei der Sicherheitsüberprüfung nach den §§ 9 und 10 (Namen, Vornamen, Anschrift und Verhältnis zur Person),
  19. drei Referenzpersonen (Namen, Vornamen, Beruf, berufliche und private Anschrift und Rufnummern sowie zeitlicher Beginn der Bekanntschaft) nur bei einer Sicherheitsüberprüfung nach § 10,
  20. Angaben zu früheren Sicherheitsüberprüfungen.

Die Angaben nach Nr. 1-4, 14 und 15 zu Lebenspartnern sind mit deren Einverständnis zu machen. Diese werden danach überprüft. Ergeben sich aus der Sicherheitserklärung oder auf Grund der Abfrage aus einer der in § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Verbunddateien sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten des Betroffenen, sind weitere Überprüfungsmaßnahmen nur zulässig, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner mit seiner Zustimmung in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird (§ 13 Abs. 2 SÜG).

Nach § 13 Abs. 6 ist diese Sicherheitserklärung vom Betroffenen der zuständigen Stelle zuzuleiten. Diese prüft die Angaben des Betroffenen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Zu diesem Zweck können die Personalakten eingesehen werden. Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung an die mitwirkende Behörde weiter und beauftragt diese, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, es sei denn, die zuständige Stelle hat bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung festgestellt, dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Die mitwirkende Behörde kann mit Zustimmung der zuständigen Stelle und des Betroffenen in die Personalakte Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung sicherheitserheblicher Erkenntnisse unerlässlich ist.

Diese im Gesetzestext als "mitwirkende Behörde" bezeichnete Einrichtung ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (§ 3 Abs. 2 SÜG). Liegt die Sicherheitserklärung vor, führt die zuständige Stelle nach § 12 Abs. 1 SÜG eine "sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung" durch. Hierzu bedient sie sich eben dieser mitwirkenden Behörde. Das bedeutet, dass neben der zuständigen Behörde nunmehr auch das Bundesamt für Verfassungsschutz den Mitarbeiter überprüft - bis hin zum Einblick in dessen Personalakte.

Weitere Maßnahmen im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung nach § 12 SÜG hinsichtlich des Mitarbeiters, aber auch der "einbezogenen Personen", also Ehegatten oder Partner, sind

  • Abfragen bei den Verfassungsschutzbehörden der Länder,
  • die Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister,
  • Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und die Nachrichtendienste des Bundes,
  • die Anfrage beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, wenn der Betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen.

Ergibt die Anfrage sicherheitserhebliche Erkenntnisse, übermittelt sie die zuständige Stelle zur Bewertung an die mitwirkende Behörde. Reicht dies alles nicht aus, können nach § 12 Abs. 5 SÜG auch die nachfolgenden Maßnahmen eingeleitet werden:

  • Befragung weiterer geeigneter Auskunftspersonen
  • Einholung von Auskünften bei der Staatsanwaltschaft oder Gerichten.

Sofern dann noch immer Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person bestehen, können Überprüfungsmaßnahmen gemäß §§ 9, 10 SÜG - also intensivere Überprüfungen - durchgeführt werden. Danach entscheidet die zuständige Stelle, ob ein Sicherheitsrisiko gegeben ist oder nicht. Hierbei hat das Sicherheitsinteresse nach § 14 Abs. 3 SÜG Vorrang vor anderen Belangen, also auch den Belangen des Beschäftigten.

Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Betroffenen mitzuteilen. Ihm ist vor einer abschließenden Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Allerdings ist die Anhörung so durchzuführen, dass "der Quellenschutz gewährleistet" ist. Das bedeutet, dass man sich gegen anonyme Anschuldigungen kaum wehren kann.

Nach § 11 SÜG steht den jeweiligen Behörden das Recht zu, alle erforderlichen Daten zu erheben.

Von Interesse ist hier auch noch die Vorschrift des § 25 Abs. 2 SÜG. Danach sind bei nicht-öffentlichen Stellen die Aufgaben der Sicherheitsüberprüfung nur grundsätzlich, d.h. nicht immer, von einer anderen Stelle als der Personalverwaltung wahrzunehmen. Ausnahmen sind dann möglich, wenn eine Verpflichtung vorliegt, die Erkenntnisse der Sicherheitsüberprüfung nur für solche Zwecke zu gebrauchen, die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgt werden.

3.2 Wertung

Diese Gesetzesänderung begegnet grundsätzlichen Bedenken:

a. Die Gesetzesänderung dient nicht mehr - wie bisher - dem Geheimnisschutz. Der Gesetzeszweck wird auf den "vorbeugenden personellen Sabotageschutz", so der Gesetzestext selbst, erweitert. Damit handelt es sich jedoch um Regelungen hinsichtlich der allgemeinen Gefahrenabwehr. Zu recht weist das Bundesjustizministerium darauf hin, dass die Kompetenzen für diesen Bereich nach der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik nicht dem Bund, sondern den Ländern zustehen. Es stellt fest, dass eine Kompetenz des Bundes für dieses Gesetzesvorhaben nicht ersichtlich sei.

Das bedeutet, der Bund darf, will er sich im Rahmen der Verfassung halten, diese Regelung nicht erlassen, da ihm hierfür die Kompetenz fehlt. Ausschließlich die Länder sind befugt, Regelungen, die der Gefahrenabwehr dienen, zu erlassen. Hält der Bund an diesem Gesetzesvorhaben fest, verstößt er gegen die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung des Grundgesetzes.

b. Die vorliegenden Regelungen sind zu unbestimmt und damit verfassungsrechtlich bedenklich. § 34 SÜG (neu) enthält die Ermächtigung an die Bundesregierung, mittels einer Rechtsverordnung diejenigen Bereiche festzulegen, die unter § 1 Abs. 4 SÜG (neu) fallen sollen. Nach Art. 80 Abs. 1 GG sind in dem Gesetz, das die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung enthält, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung zu bestimmen. Nach der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts hat das Gesetz, je intensiver in die Grundrechte eingegriffen wird, umso bestimmter zu sein. Diesen Anforderungen wird das Gesetz zur Änderung der Sicherheitsüberprüfung nicht gerecht.

Zu Recht weist das Bundesjustizministerium darauf hin, dass es sich um "tiefe Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht" handelt. Dies erfordert nunmehr aber eine ebenso tiefgehende Bestimmtheit des Gesetzes. Das Gesetz enthält dagegen keinerlei Kriterien für die Bestimmung derjenigen Bereiche, die nach der Rechtsverordnung unter den sicherheitsrelevanten Bereich fallen sollen. Hier hat die Bundesregierung ohne Begrenzung durch das ermächtigende Gesetz freie Hand. Die Begriffe "lebens- oder verteidigungswichtige Einrichtungen", "erhebliche Gefährdung für die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung" zu "befürchten" oder "Funktionieren des Gemeinwesens" sind sehr unbestimmt. Es sind keine abgrenzenden Kriterien möglich. Warum sollen nicht auch der öffentliche Nahverkehr einer Großstadt oder nicht auch die Printmedien darunter fallen?

Damit ist die Forderung des BMJ, welches in diesem Zusammenhang eine Präzisierung verlangt, nachdrücklich zu unterstützen.

c. Die Maßnahme steht in keinem Zusammenhang mit den terroristischen Angriffen. Nach den Vorschriften ist die flächendeckende Überprüfung aller Beschäftigten nach den bisher für die Sicherheitsüberprüfung geltenden Vorschriften geplant. Irgendwelche Einschränkungen auf bestimmte Personengruppen sind nicht vorgesehen. Jeder ist verdächtig und soll in den großen Datenspeicher der Sicherheitsbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Sicherheitsüberprüfungsdaten auch zu anderen nachrichtendienstlichen Zwecken verwenden.

d. Angesichts der Menge der geplanten Überprüfungen - in den angesprochenen Einrichtungen und Bereichen ist ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung beschäftigt, hinzu kommen deren Ehepartner oder Lebensgefährten - entsteht hier eine Datensammlung über einen großen Teil der Bevölkerung der Bundesrepublik, der über das regelmäßige Wiederholen der Sicherheitsüberprüfungen immer aktuell gehalten wird. Die Betroffenen selbst sind verpflichtet, etwaige Veränderungen mitzuteilen.

e. Nicht zu vergessen ist, dass auch die Arbeitgeber Informationen über ihre Beschäftigten erlangen, die sie unter arbeitsrechtlichen Aspekten nicht erfahren dürften. Hier ist insbesondere auf die Auskunft hinsichtlich jeder Art von Strafverfahren, auf finanzielle Verhältnisse oder Lebensverhältnisse (mit wem wohne ich in welcher rechtlichen Art zusammen) hinzuweisen. Das Trennungsgebot des § 25 Abs. 2 SÜG dürfte gerade dann, wenn vielleicht dieselben Sachbearbeiter oder in Klein- und Mittelbetrieben vielleicht sogar der Inhaber der Firma selbst für die Personalverwaltung und die Sicherheitsüberprüfung gleichermaßen zuständig ist, ins Leere gehen. Von niemandem kann verlangt werden, dass er erlangtes Wissen in konkreten Situation nicht automatisch mit berücksichtigt.

f. Für eine durch das Gesetz nicht begrenzte Anzahl von Arbeitnehmern wird durch diese Gesetzesänderung nunmehr nicht mehr alleine durch den Arbeitgeber und unter anderen Aspekten als bisher über ihre beruflichen Möglichkeiten entschieden. Staatliche Stellen nehmen Einfluss auf die Möglichkeit, in privaten Wirtschaftsbereichen eine Beschäftigung zu finden. Diese Einflussnahme ist aufgrund des normierten Quellenschutzes nicht wirklich überprüfbar und setzt den Beschäftigten einer willkürlichen Behandlung aus. Rechtsschutz gegen die Ergebnisse von Sicherheitsüberprüfungen ist praktisch nicht zu erlangen. Wie will sich ein Beschäftigter im Fall der Kündigung aus "sicherheitspolitischen" Überlegungen denn wehren, wenn er im Kündigungsschutzverfahren nicht einmal die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung angreifen kann, da sie ihm nicht offengelegt werden müssen?

Die nachrichtendienstliche Zwangsbewirtschaftung von Arbeitsplätzen lässt zudem erwarten, dass Ausländerinnen und Ausländer, die unter Umständen weniger flächendeckend auf ihre sicherheitspolitische Zuverlässigkeit hin überprüft werden können, auch die Sicherheitsüberprüfung nicht bestehen können. Mit dieser Verdrängung aus bisher zugänglichen Beschäftigungsbereichen setzt sich das Gesetz potentiell auch in Widerspruch zum Europäischen Gemeinschaftsrecht.

Es ist festzuhalten, dass das Gesetz einen tiefen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstellt, ohne dass es objektiv in der Lage wäre, den angegebenen Zweck zu erreichen. Es handelt sich bei diesem Gesetz nicht um eine Maßnahme des Geheimnisschutzes, sondern um eine Ausweitung des sog. sicherheitsrelevanten Bereichs auf weite Bereiche der privaten Wirtschaft. Diese Ausweitung ist durch das Gesetz nicht begrenzt, sondern über die Ermächtigungsgrundlage grundsätzlich beliebig erweiterbar. Abhängig ist dies allein vom argumentativen Aufwand des Verordnungsgebers.

Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund, dass der Bundesgesetzgeber nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zum Erlass dieses Gesetzes nicht berechtigt ist.

(Dieter Hummel, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen)

abstand

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Erstellt am 28.11.2001 - letzte Änderung am 09.09.2002