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Schilys Terrorismusbekämpfungsgesetz: Der falsche Weg
Stellungnahme von Bürgerrechtsorganisationen zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 30. November 2001 zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) - Drucksache 14/7386 - vom 28.11.2001

2. Ausländer- und Asylrecht

Das Antiterrorpaket II enthält einen weiten Maßnahmenkatalog, der eine umfassende Überwachung von Ausländern und ihren Kontaktpersonen ermöglicht. Da der Katalog sich weder an dem erklärten Ziel "Terrorismus/Extremismusbekämpfung" orientiert noch darauf beschränkt, ist er in seiner Gesamtheit abzulehnen.

Der Maßnahmenkatalog offenbart, dass es allein die Ausländereigenschaft ist, die Ansatz und auslösendes Moment für eine lückenlose und unbeschränkte Überwachung durch sämtliche deutsche Behörden - von Sozialbehörden bis zum Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst - darstellt.

Durch einen verbesserten Informationsfluss zwischen Ausländer- und Asylbehörden sowie Sicherheitsbehörden soll es angeblich gelingen, den Aufenthalt ausländischer Bürger mit möglichem extremistischem Hintergrund deutlicher zu erkennen und zu kontrollieren. Diese Annahme ist falsch.

Was fehlt ist eine Analyse der Versäumnisse. Damit würde eine rigorose Überwachung sämtlicher ausländischer BürgerInnen und deren (auch deutschen) Kontaktpersonen entbehrlich. Die bisherigen Möglichkeiten der Datenerhebung, Datenspeicherung und Ausländerüberwachung sind sehr wohl ausreichend, um eine Wiederholung von Anschlägen - wie die vom 11.09.2001 - zu verhindern. Dies ergibt sich insbesondere aus den durch die Bundesanwaltschaft und das BKA mitgeteilten Erkenntnissen, die aufgrund der alten Rechtslage erhoben wurden. Dass es nicht bereits vorher zu einer konkreteren Aufklärung und Überwachung des betroffenen Personenkreises gekommen ist, basierte offensichtlich auf einer Fehleinschätzung der Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden - und nicht aus einem Mangel an Information.

Offenkundig ist, dass mit Mitteln des Polizeistaats, auch bei 100 %-iger Überwachung, erneute Anschläge, die sich nicht an alten Mustern orientieren, nicht zu verhindern sind. Ist eine solche Sicherheit nicht zu erlangen, aber die bestehende Gesetzlage ausreichend, um eine Wiederholung zu verhindern, dann stellt sich einmal mehr die Frage nach dem tatsächlichen Sinn und der Rechtfertigung für die vorgesehenen Maßnahmen.

Was im Ergebnis nach Umsetzung der angeblichen Antiterrormaßnahmen im Ausländer- und Asylbereich bleiben wird, ist eine Totalüberwachung von Ausländern und Flüchtlingen unter Hinnahme der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG), der Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG) sowie eine weitere Aushöhlung des Asylgrundrechts ( Art. 16a GG). Sämtliche Maßnahmen des Anti-Terrorpakets, soweit sie das Ausländer- und Asylrecht betreffen, sind in den Zuwanderungsgesetz-Entwurf übernommen und eingearbeitet worden. Sie werden damit ein grundsätzlicher Bestandteil des neuen Ausländer-/Asylrechts und verändern damit nochmals den Charakter des neuen Regelungswerks.

2.1 Einreiseverweigerung und Ausweisungserleichterungen

a. Erweiterung der zwingenden Versagungsgründe § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG

Neu: Ein Ausländer, der

  • die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder
  • sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder,
  • öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder
  • mit Gewaltanwendung droht oder
  • einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder,
  • eine derartige Vereinigung unterstützt

darf künftig

  • kein Visum,
  • keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und
  • seine Aufenthaltsgenehmigung darf nicht verlängert werden.

Die Erweiterung der zwingenden Versagungsgründe war und ist nicht erforderlich, wenn erklärtes Ziel im Rahmen der Terrorismusbekämpfung die Verhinderung der Einreise und des Aufenthaltes sein soll. Bereits bei jetziger Rechtslage (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG) kann die Aufenthaltsgenehmigung in der Regel versagt werden, wenn der Aufenthalt des Ausländers aus einem sonstigen Grunde Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet. Dazu dürfte unstreitig der konkrete Terrorismus-/Extremismusverdacht gehören.

Der jetzt gefasste neue Tatbestand des § 8 AuslG ermöglicht unter anderem die Abschiebung und Einreiseverweigerung von sogenannten "Positivstaatlern", wozu insbesondere auch EU-Staatsangehörige gehören. Nach der Neuregelung können unproblematisch Globalisierungsgegner aus dem europäischen Ausland abgeschoben (bzw. die Einreise verweigert werden), unabhängig davon, ob sie tatsächlich an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt sind oder waren. Schon die Parole: "Nieder mit ..." ("öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft")oder eine geballte Faust auf einer Demonstration oder Kundgebung ("mit Gewaltanwendung droht") lässt sich unter den neuen Tatbestand subsumieren. Auch jeder Demonstrationsteilnehmer, der sich gegen ein Terrorregime wendet und mit Befreiungsorganisationen nur im Ansatz solidarisiert, fällt unter die Erweiterung des § 8 AuslG.

Bei dieser viel zu weiten und vor allem überflüssigen Regelung sind jetzt schon Kollisionen mit EU-Recht absehbar, da die Freizügigkeit gerade auch von EU-Bürgern in rechtswidriger Weise eingeschränkt wird.

Bereits die Tatsache, dass der Gesetzentwurf dem Bundesinnenminister oder einer von ihm bestimmte Stelle erlauben will, "in begründeten Fällen Ausnahmen" hiervon zulassen, zeigt, dass sich diese Regelung gegen eine ganz andere Personengruppe als angebliche Terroristen/Extremisten richtet.

b. Erweiterung der Regelausweisungsgründe § 47 Abs. 2 AuslG

Neu: Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG (siehe oben) soll nun eine bereits erteilte gültige Aufenthaltsgenehmigung in der Regel widerrufen und der Ausländer ausgewiesen und abgeschoben werden. Eine Ausweisung bedeutet immer eine ausländerrechtliche Sanktion mit der Folge, dass der Betroffene einem unbefristeten Einreiseverbot - und zwar nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in sämtliche Schengen-Staaten - unterliegt und ausgeschrieben wird.

Diese Regelung dürfte ebenfalls mit EU-Recht kollidieren. Dies gilt um so mehr, als die Regelausweisung der Ausländerbehörde in ihren Entscheidungen kaum mehr Ermessen eröffnet.

Neu ist die Vorschrift, dass in der Regel Widerrufs-, Ausweisungs- und Abschiebungsgründe derjenige Ausländer setzt, der gegenüber der Ausländerbehörde oder der deutschen Auslandsvertretung

  • frühere Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland verheimlicht hat (oder),
  • frühere Aufenthalte in anderen Staaten verheimlicht hat (oder),
  • in wesentlichen Punkte falsche oder unvollständige Angaben zu Verbindung zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind (§ 47 Abs. 2 Nr. 5 AuslG Neu).

(Nur, wenn der betroffene Ausländer bereits im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis , wird diese Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung.)

Diese Maßnahmen verschärfen zwar das Ausländerrecht, sie sind aber eindeutig hinsichtlich der ersten zwei Punkte nicht der Terrorismusbekämpfung geschuldet.

Eine Ausweisung wegen falscher Angaben gegenüber deutschen Behörden kann bereits nach heutiger Rechtslage im Rahmen einer Ermessensausweisung erfolgen ( § 45 AuslG). Dabei sind jedoch die Umstände des Einzelfalles, wie Familie, binationale Ehen oder Partnerschaften, zu berücksichtigen. Dies muss um so mehr gelten, wenn unrichtige oder unvollständige Angaben zu Auslandsaufenthalten gerade nicht im Zusammenhang mit Extremismus/Terrorismus stehen.

Aber auch der dritte neue Regelausweisungsgrund (falsche oder unvollständige Angaben mit Terrorismusbezug) ist tatsächlich ungeeignet, denn bevor falsche oder unvollständige Angaben zu einer Regelausweisung führen können, müsste zunächst der betroffene Ausländer von den Behörden konkret aufgeklärt werden, welche Personen und Organisationen im Einzelnen gemeint sind. Hierzu müssten die deutschen Behörden und Sicherheitsdienste jedoch Informationen und Erkenntnisse unter Umständen offen legen, wozu sie nicht ohne weiteres bereit sein werden.

Es bedarf darüber hinaus einer eindeutigen Definition, was unter "internationalem Terrorismus" zu verstehen ist. Ein Palästinenser wird kaum seine Kontakte zu PLO und Arafat als einen solchen erkennen. Für die deutschen Sicherheitsbehörden mag da der Maßstab ein ganz anderer sein.

c. Sofortvollzug der Ausweisung bei Regelausweisung § 72 Abs. 1 AuslG

Neu: Widerspruch und Klage gegen eine Regel- und zwingende Ausweisung haben keine aufschiebende Wirkung mehr. Dies bedeutet, dass nach Erlass des Ausweisungsbescheides durch die zuständige Ausländerbehörde die Ausweisung und Abschiebung nach Ablauf der gesetzten Ausreisefrist sofort vollziehbar ist. Gegen die Ausweisung ist effektiver Rechtsschutz nur noch möglich, indem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Eilverfahren) beim Verwaltungsgericht gestellt wird.

Die Erschwerung des effektiven Rechtsschutzes bei Klagen und Widersprüchen gegen die Ausweisungsbescheide ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht ist Teil des verfassungsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes. Dieser in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verbürgte umfassende und wirksame Rechtsschutz wäre illusorisch, wenn die Verwaltungsbehörden irreparable Maßnahmen durchführten, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben.

Nach derzeitiger Rechtslage besteht sehr wohl die Möglichkeit, in Einzelfällen die sofortige Vollziehung der Abschiebungsandrohung anzuordnen. Dann müssen jedoch überwiegend öffentliche Belagen, die über jene hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst begründen, vorliegen, die es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen. Dies bedeutet, dass die Verwaltungsbehörde prüf- und nachvollziehbar begründen muss, warum hier ausnahmsweise das öffentliche Interesse im konkreten Fall den bestehenden Grundrechtseingriff rechtfertigt.

Die Gesetzesänderung soll aber alle Ausländer gleichermaßen treffen, so dass bereits aus diesem Grund die pauschale Begründung mit der Terrorismusbekämpfung nicht genügen kann, um generell einen Eingriff in den Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu rechtfertigen.

2.2 Einschränkung des Flüchtlingsschutzes

Die Ergänzung des § 51 Abs. 3 AuslG um die Personengruppe des Art. 1 F Genfer Flüchtlingskonvention ist rechtssystematisch unsinnig. Der in § 51 AuslG gewährte Abschiebungsschutz besteht nur zugunsten Asylberechtiger und anerkannter Flüchtlinge nach der GFK. § 51 Abs. 3 hebt das Abschiebungsverbot daher nur für diese beiden Personengruppen wieder auf. Die neu in § 51 Abs. 3 AuslG aufgenommene Personengruppe steht gar nicht unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie fällt damit auch nicht unter den Anwendungsbereich des § 51 AuslG. Der besondere Abschiebungsschutz gilt für sie nicht. Sie müssen daher auch nicht in die Rückausnahme aufgenommen werden.

Allerdings begründet die vorgesehene Ergänzung des § 51 Abs. 3 AuslG die Gefahr, dass der für Personen im Sinne des Art. 1 F GFK vorgesehene niedrigere Gefährlichkeitsmaßstab - "aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ... ein Verbrechen begangen hat" statt "aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr ... anzusehen ist, weil er wegen eines Verbrechens ... rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist" - die Auslegung des Satzes 1 negativ beeinflusst.

Nicht ganz auszuschließen sind bei dieser Lösung auch Schwierigkeiten in Bezug auf Art. 16a GG, wenn der betreffende Ausländer Asylbewerber oder Asylberechtigter ist. Wenn überhaupt, wäre rechtssystematisch die Aufnahme des Art. 1 F GFK in § 3 AsylVfG aufzunehmen.

2.3 Erweiterung der zu erfassenden und zu speichernden Daten; Ausweitung der Befugnisse für die Informationsübermittlung zwischen BKA/BND/BfV u.a.

Beabsichtigt ist die Erhebung weiterer Daten ( §5 AuslG n.F.). Sind nach jetziger Rechtslage bei Ausländern und Flüchtlingen bisher nur das Bild sowie die Angaben zur Person zu speichern, sollen nach neuer Rechtslage neben Fingerabdrücken die biometrischen Merkmale Hand und Gesichtsform gespeichert werden. Die erhobenen Daten sollen maschinenlesbar und codiert auf den vorgesehenen Visa- und Aufenthaltsplaketten sowie in Ausweisersatzpapieren aufgenommen werden. Sie können damit von jeder öffentlichen und privaten Stelle automatisch abgelesen werden.

Auch ist bei dem oben genannten Personenkreis die Aufnahme und Speicherung von Sprachaufzeichnungen mit einer Speicherzeit von 10 Jahren vorgesehen. Den Sicherheitsbehörden (LKA, BKA, Verfassungsschutz, Zollkriminalamt, MAD) und den Sozialbehörden soll neben den Ausländerbehörden ein automatisierter Zugriff - online - auf die entsprechenden Dateien ermöglicht werden. Sämtlich erhobene Daten sollen auch für die gesamte Speicherzeit für polizeiliche Zwecke benutzt werden.

Auch hier fehlt erkennbar jede Terrorismusbekämpfungsrelevanz.

Schon jetzt werden ausführlich Daten im Ausländerzentralregister (AZRG) und in der Ausländerdatenübermittlungsverordnung (AuslDÜV) gesammelt und sowohl von den Auslandsvertretung, den Ausländer- und Asylbehörden, BKA, Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem BND und anderen verwertet. Zudem gibt es die Möglichkeit im Rahmen eines Konsultationsverfahrens nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), die Erkenntnisse mit weiteren Daten der Mitgliedsstaaten abzugleichen. Diese Erkenntnisse können schon heute den deutschen Auslandsvertretungen übermittelt werden.

Diese Regelungen begegneten bereits verfassungsrechtlichen Bedenken, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das auch Ausländern zustehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und einenVerstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) darstellen. Der Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgt regelmäßig dadurch, dass Daten auf Vorrat von Ausländer/innen gespeichert und dadurch insbesondere auch für Sicherheitszwecke genutzt werden (ohne dass es einen Hinweis darauf gibt, dass von den konkret Betroffenen eine Gefahr ausgeht oder dass sie einer Straftat verdächtig wären). Gab es bzw. gibt es nach der derzeitigen Rechtslage noch die Möglichkeit der Überprüfung und damit der Kontrolle derjenigen Dienste und Behörden, die auf die entsprechenden Datenbanken zurückgreifen, wird es eine solche Kontrolle nach der beabsichtigten neuen Rechtslage nicht mehr geben.

Beabsichtigt ist, durch Verordnungsermächtigung eine grundsätzliche Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zu installieren. Es wird ein regelmäßiger Datenabgleich mit Erkenntnissen des BKA/BfV und BND sowie die Weiterleitung dieser Informationen erfolgen. Im Ergebnis werden die zu speichernden Daten und der Kreis der Zugriffberechtigten auf diese Daten erweitert; Kontrollmöglichkeiten werden abgeschafft. Damit ist jeder Nichtdeutsche schutzlos. Dies betrifft nicht nur den Ausländer, sondern auch seine in Deutschland lebenden Familienangehörigen sowie andere Kontaktpersonen.

Die ausländerrechtliche Überwachung und Speicherung seiner Daten für die nächsten 10 Jahre setzt für die Betroffenen bereits bei der Visumsbeantragung im Ausland ein, unabhängig davon, ob er nach Deutschland einreist oder nicht. Die Einladenden und der angegebene Aufenthaltszweck sowie die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Bezugspersonen sollen von der Ausländerbehörde überprüft werden. Dies gilt nicht nur bei privaten, sondern auch bei Geschäftsreisen. Bei Fällen ohne Bezugspersonen (z.B. Reisen über das Reisebüro) sind Erkundigungen bei den Veranstaltern vorgesehen, soweit das Visum nicht schon mangels Prüfungsmöglichkeiten versagt werden "muss" oder besser "kann".

Damit werden im Rahmen von Geschäftsreisen sowohl die ausländischen Geschäftspartner als auch die im Inland sitzenden Firmen in ihren Geschäftsbeziehungen belastet. Ebenso sind Reiseveranstalter und die Veranstalter von Studienreisen betroffen. Gründe für die Versagung des Visums müssen dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden. Gegen die Versagung eines Touristenvisums soll es im neuen Zuwanderungsgesetz sogar keinerlei Rechtsmittel geben.

Zukünftig sollen nunmehr alle durch das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz erhobenen Daten auch für polizeiliche Zwecke genutzt werden. D.h. ausdrücklich

  • Aufnahme der Fingerabdrücke in die AFIS (Automatisiertes Fingerabdrucksidentifizierungssystem) und die Ermöglichung eines generellen automatisierten Abgleichs der Fingerabdrücke von Asylbewerbern mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand,
  • Polizeibehörden sollen auch zur Abwehr abstrakter Gefahren online auf alle im AZR gespeicherten Angaben zum Aufenthaltsstatus und zum Asylverfahren zugreifen dürfen,
  • Erweiterung der Gruppenauskünfte auch auf Personen mit verfestigtem Status an Polizei und Sicherheitsdienste.

Damit sind Nichtdeutsche jederzeit, ohne konkreten Anlass, Gegenstand von behördlichen, polizeilichen und geheimdienstlichen Ermittlungen und Erhebungen. Da die Erkenntnisse zwischen den Diensten jederzeit abgeglichen und ausgetauscht werden, entsteht ein Datenpool, insbesondere auch mit Erkenntnissen, die wegen ihrer dubiosen Herkunft nicht gerichtsverwertbar sind. Dieser Datenpool soll dann Entscheidungsgrundlage behördlicher Maßnahmen sein. Einen Auskunftsanspruch, anders als bei deutschen Staatsangehörigen, darüber was gespeichert wurde und ob das rechtmäßig ist, ist nicht vorgesehen. Gerade für Flüchtlinge hat die Datenübermittlung des Bundesamtes für Flüchtlinge und der Ausländerbehörde an die Verfassungsschutzbehörden existenzielle Bedeutung. Es ist noch nicht einmal ein Verbot einer Weitergabe an die Sicherheits- und Geheimdienstorgane des Verfolgerstaates geregelt. Der in Art. 16 GG garantierte Schutz vor politischer Verfolgung wird damit torpediert. Aufgrund der verursachten Gefährdung der Betroffenen ist hier von einer Verletzung des Art. 16 a GG, (Asylgeheimnis GK Asylverfahrensgesetz § 7 Rn.12 ff.) auszugehen.

(Andrea Würdinger, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)

abstand

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Erstellt am 28.11.2001 - letzte Änderung am 09.09.2002